Das Versagen der Wirtschaftselite im Krisenmanagement

by Dirk Elsner on 8. Dezember 2008

Einsame Manager mit dem Rücken zur Öffentlichkeit?

Einsame Manager mit dem Rücken zur Öffentlichkeit?

Die Konjunkturprognosen werden täglich düsterer. Die Wirtschaft weiß nicht, wo sie steht und wird – das scheint die ironische Note zu sein – mit der höchsten Beschäftigungszahl der letzten Jahrzehnte brutal ausgebremst. Die Wirtschaftselite ist mit wenigen Ausnahmen abgetaucht. Entweder schweigen sie oder sie übertreffen sich mit Warnungen vor noch schlimmeren Szenarien. Wirkliche Ansätze, die auch herbeigeredete Krise zu überwinden, setzen weder Manager noch Politiker.

Die Maßnahmen und diskutierten Vorschläge wirken zusammengeschustert und hilflos. Viele Menschen sind bereit, in die Hände zu spucken und wieder Fahrt aufzunehmen. Der Mittelstand zeigt sich robust und erstaunlich optimistisch, wie die Welt feststellt. Es ist mehr die schlechte Stimmung, die drückt“, sagt Dirk Martin, Chef des Jungunternehmerverbands BJU.

Unterdessen reden die Kapitäne in Wirtschaft und Politik über Hindernisse und diskutieren über Risiken. Kein Meinungsführer spricht über Chancen, die diese Krise, wie alle Krisen bietet. Keine Wunder also, dass der Wirtschaftstanker nun abbremst. Die Top-Manager von acht großen deutschen Konzernen urteilen, die Bundesregierung tue nicht genug gegen die Rezession und verlangen ein stärkeres Eingreifen gegen die Finanzkrise und eine bessere Kreditversorgung von Seiten der Banken. Aber welche Vorschläge kommen von den Top-Managern selbst? Steuern senken, um den Konsum anzukurbeln? Darf es bei den Ansprüchen nicht etwas mehr und vor allem konkreter sein?

Bundespräsident Horst Köhler hat im November der Wirtschaftselite ins Gewissen geredet: „Die Verursacher der Krise sitzen in den Hauptstädten und Finanzzentren der Industrienationen – bei uns. Sie vertreten Finanzinstitutionen, Prüfer und Berater, Regierungen, Aufsichtsbehörden und Notenbanken. Die Kette des Versagens schließt viele ein. Markt und Staat: Beteiligt sind beide. … Daraus ergibt sich eine Verantwortlichkeit. Alle Verursacher der Krise müssen sich dieser Verantwortung stellen.“

Es mag sich platt anhören, aber die Eliten stellen sich dieser Verantwortung nicht. Derzeit passiert das Gegenteil: Politiker, Manager, Medien und andere Meinungseliten verdüstern die Stimmung erheblich und verstärken damit die Abschwungstimmung deutlich. Damit tragen sie wesentlich zur Verunsicherung von Konsumenten und Unternehmen bei. In der unsicheren Stimmung in der Wirtschaft sieht auch Stefan Weniger von der CMS Unternehmensberatung eine Gefahr: „Alle treten auf die Bremse und sind vorsichtiger geworden. Dadurch verstärkt sich die Krise von selbst.“ zitiert ihn die Welt.

Steuersenkungen helfen nicht gegen Verunsicherungen, sondern werden in dieser Situation gespart. Hier muss Handlungswille und Handlungsstärke gezeigt werden, damit Unternehmen und Verbraucher wieder investieren und konsumieren. Wenn dem Steuermann aber die Hände zittern, dann darf man nicht erwarten, dass die Mannschaft schneller rudert.

Und niemand zeigt Bereitschaft, das Steuer zu übernehmen. Das Gegenbeispiel dazu sind wieder einmal die USA. Dort reagiert zwar de jure noch eine lahme Ente, de facto beweist aber der neu gewählte Präsident bereits jetzt seine Handlungsfähigkeit und demonstriert täglich seinen Willen, per „jump start“ die Wirtschaft wieder flott zu bekommen.

Dabei verspricht Obama nicht einmal das Blaue vom Himmel. Im Gegenteil: „Es wird schlimmer, bevor es besser wird“ vermittelt er in seiner Ansprache vom vergangenen Samstag. Er verspricht, mit massiven Investitionen in die Infrastruktur des Landes, in die Modernisierung von Schulen und Krankenhäusern sowie für Energiesparprojekte in öffentlichen Gebäuden 2,5 Millionen Arbeitsplätze zu schaffen oder bedrohte Arbeitsplätze zu retten. Natürlich kann inhaltlich über die Maßnahmen diskutiert werden. Es mag andere und bessere Vorschläge geben. Dennoch, Obama demonstriert Führung und Handlungsfähigkeit.

Die Wirtschaftselite in Deutschland scheint dagegen wie schockgefroren. Verwöhnt durch Jahre des Aufschwungs, versagen ihnen die Stimmen mit der einsetzenden Kälte. Dieter Rulff schreibt dazu: „Dieses kommunikative Versagen der Wirtschaftselite ist umso eklatanter, als sie noch vor Jahren als Leitfiguren einer sich globalisierenden Gesellschaft gefeiert wurde. Der unternehmerische Einzelne war der Phänotyp des aufbrechenden Jahrtausends. Ein Schumpeterscher Held der schöpferischen Zerstörung. Er ließ die Intellektuellen, die zuvor über drei Jahrzehnte das diskursive Feld der Republik dominiert hatten, schmalbrüstig aussehen. Schon damals hätte auffallen können, dass diese Elite gesichtslos ist und sich ihre schöpferische Zerstörung vornehmlich gegen den Staat richtet – den sie nun zur Hilfe rufen.“

Man darf sich also fragen, was eigentlich los ist mit der Wirtschaftselite in Deutschland. Man darf, nein man muss auch die Frage stellen, ob an den Schaltpositionen tatsächlich eine Elite sitzt oder nur Menschen, die sich dafür halten, weil sie sich, aus welchen Gründen auch immer, in zentralen Leitungsfunktionen der Wirtschaft befinden.

Wer in Vorstände und Geschäftsführungen großer Unternehmen gelangen will, der müsse, so die Eliteforschung, vor allem eines besitzen: habituelle Ähnlichkeit mit den Personen, die sich dort bereits befinden. Eine Auszeichnung ist dies nicht, weil wir in den Top-Führungspositionen immer mehr Personen finden, die zunächst ihren eigenen Wohlstand maximieren ohne Rücksicht auf Konsequenzen auf das eigenen Unternehmen oder die Gesellschaft.

Eliten, die Vorbildfunktionen erfüllen, die Risiken nicht nur für sich sondern auch zum Wohle der Gesellschaft eingehen, die neue Wege suchen und gehen und die auch mitreißen können, sind nicht in Sicht. Natürlich gibt es diese Menschen, aber sie sitzen nicht an den Schaltstellen. Die Mehrheit unserer gegenwärtigen Elite mag eine Funktionselite sein, als Führungselite versagt sie.

Meldungen zur Wirtschaftslage und Literatur zu Eliten

dradio: Die Spekulation auf den Staat

FAZ: Rufe nach zweitem Konjunkturpaket werden lauter

Handelsblatt: Ökonomen sehen Wirtschaft vor dem Kollaps

Spon: Steinbrück schließt neues Konjunkturprogramm nicht mehr aus

Der Mittelstand zeigt sich in der Krise robust

Eliten in Deutschland: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 10/2004)


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