Ein Gegenvorschlag zur Lösung des Problems mit toxischen Wertpapiere

by Gastbeitrag on 4. April 2009

Gastbeitrag von: Enigma

Wenn man einen Zeitungsartikel für einen inhaltlich und thematisch geschlossenen Auszug der Wirklichkeit hält, dann bleibt einem manchmal die Spucke weg:“Das Finanzsystem hat den Vertrag mit der Gesellschaft gebrochen.‘ Es werde Jahre brauchen, um diesen Vertrag wieder herzustellen.“ Nun ja, warum eigentlich und nun?

„Wir müssen das Vertrauen in das Finanzsystem wiederherstellen.“

Gut, das kennt man.

„Diese Krise birgt in sich die Chance, ein stabiles Finanzsystem zu schaffen.“

Das wäre ja mal ganz nett!

„Wir brauchen zudem eine Menge Geld der Steuerzahler, um das Finanzsystem wieder zu reparieren“, sagt Bänziger, Risikovorstand der Deutschen Bank, zitiert nach einem Artikel des Handelsblatt vom 30.3.09.

Das war die Sache mit der Spucke.

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/banken-versicherungen/deutsche-bank-rechnet-mit-langwieriger-krise;2220354

Nun, wir sind hier beim Blick Log und der beschäftigt sich intensiv

mit der Frage der Behandlung von „toxischen“ Wertpapieren. Und wenn es um die „Bad Bank“ geht, wohin selbige ja verschwinden sollen, schwebt Bankern und sonstigen Beratern immer vor, dass zur Schaffung des Vertrauensklimas die öffentliche Hand mit Garantien und Geld einspringen soll. Nun ja, man kann ja auch von Bankern nicht verlangen, dass sie Lösungen präsentieren, die ihr Institut Geld kostet. Aber Geld der steuerzahlenden Gemeinschaft für die Folgen von amateurhafter Finanztheorie (man erinnere sich an LTCM) auf diese Weise einzufordern, zeugt nicht gerade von ausgefeilter Diplomatie.

Darum hier mal ein Gegenvorschlag:

Die Ziele sind:

1. Herstellung von „Vertrauen“, d.h. die Wiederbelebung des Interbankenmarktes;

2. Hebung der Liquidität, zur Wahrung der Eigenkapitalanforderungen;

3. Allokation der Verluste auf die Urheber der Krise;

4. Zukunftssicherheit, selbst gegen Finanzinnovationen!

Ein wichtiger Fingerzeig stammt von Paul Volcker, der in der Lateinamerikakrise Anfang der 80’er Jahre US – Banken stillschweigend die Beibehaltung der Buchungsansätze für notleidende LA – Kredite gewährte und damit die eigentlich sofort notwendigen Abschreibungen auf ca. 20 Jahre verteilte. „Hold to maturity“ scheint eine praktikable Lösung für unsicherheitsbehaftete Wertpapiere zu sein. Das ist auch vor dem Hintergrund, das seine umfassende reelle Bewertung dieser Wertpapiere als schwierig deklariert wird, die einfachste Methode, um herauszubekommen, was sie nun eigentlich wert sind, man wartet also einfach ab.

Wie überstehen die Banken und die Wirtschaft die Zwischenzeit? Nun, wenn es Risiken gibt, von denen man meint, dass sie zu schwer zu tragen sind, dann kauft man sich eine Versicherung. Was macht eigentlich eine Versicherung? Sie übernimmt Risiken der Versicherungsnehmer gegen eine Prämie und zahlt im Versicherungsfall dem Versicherungsnehmer den Schaden. Das macht sie aber nur dann lange mit, wenn die Summe der Beitragseinnahmen von den Versicherten höher ist, als die Summe der Schäden. Wenn man es genau nimmt, schützt sich eine Gemeinschaft selbst vor den bestehenden Risiken und zwar deshalb, weil niemand weiß, wessen Risiko zum Tragen kommt.

Und jetzt kommt es: was spricht eigentlich dagegen, kollektiv die Finanzinstitute, die, für lange Zeit, nicht bewertbare Wertpapiere haben werden, dazu zu verdonnern, sich dafür eine Versicherung zu kaufen? Man mag einwenden, das gäbe es schon und diese Versicherer seien auch schon am Rande der Pleite. Der Punkt liegt woanders. Es geht darum die Prämienrechnung (und sei es nach Erfahrungswerten) je nach Wertpapierklasse so zu gestalten, dass im Endeffekt der Nettowert jedes einzelnen Wertpapieres seinem Nominalwert, korrigiert um die Versicherungskosten, entspricht. Interessant daran ist, dass ein preiswertes Angebot unterhalb dieses korrigierten „Marktwerts“ einem negativen signalling entspricht und daher der Markt für diese „toxic assets“ wieder in Gang kommt (Ein WP – Angebot unterhalb des korrigierten Nominalwerts signalisiert, dass die erwarteten Verluste für dieses konkrete WP größer sind, als der Durchschnitt der für diese WP – Klasse tatsächlich entstehenden Verluste – d.h. es handelt sich um eine „limette“). Na ja, und selbst wenn man die „toxic assets“ nicht verkaufen kann, dann kann man sie wenigstens beleihen, und sei es auch nur zu 50% des korrigierten Nominalwerts (Vor dem Hintergrund der lahmenden Konjunktur und der Kreditausterität dürfte das reichen!). Und schließlich muß man sich über die ganze Regulierung der Finanzmärkte hinsichtlich dieser Wertpapiere keinen Kopf mehr machen, weil dafür gesorgt ist, dass das Risiko für diese Spielklasse auch an der entsprechenden Stelle verbleibt (Hat auch den Vorteil, dass Politiker nicht großflächig anfangen müssen, ökonomisch zu denken). Dass die Prämienhöhe prozyklisch verlaufen wird (in schlechten Zeiten gehen die Prämien hoch, bzw. umgekehrt in guten Zeiten sind sie niedrig) ist durchaus unproblematisch, denn so läuft das Bankgeschäft. Oder hat jemand mal festgestellt, dass Banken in der Krise den Zinssatz senken, weil sie mehr Kredit geben wollen???

Im Endeffekt läuft die Einführung einer Versicherungsprämie je nach WP – Klasse auf eine Nivellierung des Bonitätsstatus aller Banken hinaus. Sind die Risiken der „toxic assets“ gleichgeschaltet, verschwindet der größte Teil der damit verbundenen Bewertungsprobleme, sie werden, wie Wolfgang Stützel sagen würde, abtretbar! Und das um den Preis, dass der Staat gelegentlich eine Zwischenfinanzierung für noch nicht umgelegte Schadensfälle vorhalten muss. Nun, jede Versicherung weiß, wie sie diesen Umstand für sich zu einem guten Geschäft ummünzt! (Ach so, keine Regierung sollte sich einreden lassen, dass eine derartige Versicherung durch private Anbieter effizienter erfolgen könnte. Effizienz war 20 Jahre lang die wissenschaftlich verbrämte Parole, um das Interesse der Aneignung von Renten zu verschleiern. Oder kennt jemand einen Briefträger, dem es besser geht als jedem beliebigen Postboten? Service? Preiswert?) Und zukunftssicher ist die Sache auch, denn jede Neuauflage eines CDO, ABS, (BVG, BKB oder MFG, etc. …!) wird zu der gleichen Risikovorsorge herangezogen. Der Grund, warum Private diese Versicherung nicht effizienter können ist: das ist eine Versicherung der Gesellschaft gegen die Geiselnahme der Realwirtschaft durch den Finanzsektor wegen irgendwelcher behaupteter Systemrelevanz. (Wofür der Nachweis noch aussteht. Lehmann sollte der Schreckschuss für Nicht – US – Amerikaner sein, aber Deutsche haben dafür ja keine Antenne! Wie denn auch, bei Schreckschüssen?) Wer so wichtig ist, dass angeblich ohne ihn nichts mehr geht, hat auch das Kleingeld dafür, die Folgen des eigenen Handelns gegenüber der ihn tragenden Gesellschaft zu übernehmen!

Ach so: man kann das Ganze auch als Bad Bank aufziehen, dann muß man nur einen Aktivtausch vornehmen, wobei die Bad Bank mit Staatsgarantie ausgestattete Liquiditätspapiere emittiert, die handelbar sind, ohne einen Coupon zu haben, aber anrechenbar auf die Eigenkapitalquote sind und erst in dem Fall zu Banknoten umgewandelt werden können, sobald ein definitiver Konkurs vom Finanzinstitut beantragt und bestätigt ist, wobei der Konkursverwalter vom Staat eingesetzt wird. Die Sache mit der Versicherungsprämie bleibt gleich und bei Fälligkeit müssen die Liquiditätspapiere wieder zurückgegeben werden! Wer es braucht!

Ach so: die Sache mit dem Vertrag da oben, ist dann ganz schnell repariert!

Thomas April 26, 2009 um 10:28 Uhr

Ich denke, ich habe den Vorschlag jetzt verstanden.

Aus meiner Sicht ist es besser, als wenn jede Bank für sich alle weiterwurstelt (a la vanSuntum). Ich würde aber weiterhin das Problem sehen, daß bei besonders schlechtem ex-post Ergebnis die Branche irgendwann doch Staatsgelder braucht, wärhend sie bei besonders gutem ex-post Ergebnis Gewinne privat abschöpfen kann. Für mich ist das immer noch „privatize profits, socialize losses“, wenn auch weniger, als wenn jede Bank alleine weiter macht.

Was mir auch nicht ganz klar ist: Ich würde vermuten, daß die ex-post Ausfallquoten innerhalb einzelner eng definierter Assetklassen nur relativ wenig streuen. Wenn dem so ist, hilft die Versicherungslösung wenig, wenn ex-post Prämien gemäß der Schäden einer jeweiligen Assetklasse errechnet werden. Das ist dann so, als hätte man separate Captive-Pools pro Assetklasse, und nur das unsystematische Risiko innerhalb einer jeden Asset-Klasse ist versichert. Im Zweifel ist das dann nur ein relativ kleiner Teil des Gesamtrisikos, von dem wir insgesamt reden.

Habe mal versucht, die verschiedenen Möglichkeiten mit dem Dilemma umzugehen zu systematisieren und zu diskutieren:

http://miscellaneous-economic-ramblings.blogspot.com/2009/04/bad-bank-babbling.html

Kommentare herzlich willkommen.

Thomas April 24, 2009 um 21:16 Uhr

@enigma

Zu Deiner Stellungnahme:

Das Beispiel „Autoversicherung“ versteht sich m.E. nicht von selbst: Die Beiträge entsprechen nicht automatisch den Schäden, das ist nur bei einer Captive-Lösung so. Ansonsten kann es je nach Wettbewerbsdruck und kurzfristigem Schadenstrend durchaus sein, daß die Schäden weit höher oder weit niedriger als die Beiträge sind (die Beiträge werden von den Versicherern schließlich ex ante kalkuliert, bevor man weiß, wie hoch die Schäden während der Vertragslaufzeit ausfallen werden).

Mit anderen Worten ist also der Vorschlag: Beiträge werden ex post so festgesetzt, daß die entstandenen Schäden damit abgedeckt werden können. Also so eine Art Einlagensicherungsfonds für toxische Papiere, oder?

Bleibt aber m.E. immer noch das Problem, daß die Banken nicht genug EK haben, um die Kunden von ihrer Solvenz zu überzeugen. Das würde man dann doch mit ergänzenden Staatsgarantien lösen? Mit denen der Staat für den Fall einspringen müßte, daß die zukünftigen Gewinne auch längerfristig nicht ausreichen, weil das Loch einfach zu groß ist?

Hat man dann nicht trotzdem das Problem, daß bei zukünftig hohen Gewinnen die Upside an die Altaktionäre geht, während bei zukünftig enttäuschenden Gewinnen der Staat einspringen muß?

Also doch wieder: Zukünftige Upside privatisieren, zukünftige Downside sozialisieren.

Dem entkommt man m.E. nur, in dem die Banken entweder jetzt ausreichend frisches Kapital bekommen (Kapitalerhöhungen oder Debt-Equity-Swap, wobei es bei den schwierigen Fällen mit „regulären“ Kapitalerhöhungen düster aussehen sollte, weil die keiner zeichnen will), oder indem man sie verstaatlicht.

enigma April 26, 2009 um 01:23 Uhr

Ja natürlich: ex post, sonst gerät man doch auf keinen grünen Zweig. Mal abgesehen davon, daß nicht klar ist, was es für einen sittlichen Nährwert hätte, irgendwelche Schätzungen für „Wertpapiere“ zu haben, die stimmen können oder auch nicht. Das wäre ja dann wie bei den Wachstumsprogosen, heute rauf, morgen runter, oder darf´s ein bißchen mehr sein?

Die Bemerkung von v. Suntum, daß das Bewertungsproblem bei hold to maturity sich „wie von selbst“ löst, scheint bei vielen Kommentatoren deswegen nicht anzukommen, weil es offensichtlich nicht kompliziert genug ist. Mit dieser Einstellung wäre Alexander d.Gr. an dem gordischen Knoten nicht vorbeigekommen.

So, wenn man sich keine Gedanken über die Werthaltigkeit von EINZELNEN Wertpapieren macht, heißt das nicht, daß man nicht pi mal Daumen, eine Schätzung über die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Wertpapierklasse machen kann. Und je weiter man an der maturity dran ist, desto geringer werden die Unsicherheiten und desto genauer kann man die Beiträge auf die aktuellen Gegebenheiten anpassen.

Technisch ist es doch jederzeit möglich, ein Versicherungsarrangement zu kreieren, welches z.B. 80% einer ABS – Klasse wertmäßig absichert. Und dann sind auch diese Papiere wieder shiftable! Und das Interbankenproblem ist erledigt, jeder macht wieder seine eigene Geheimniskrämerei, aber die interessiert nun keinen mehr.

Jetzt zu down under: die zukünftigen upside dürften ziemlich lange auf sich warten lassen, insofern ist der Ertragsverlust die marktwirtschaftliche Reaktion auf Fehlentscheidungen. Geht letzten Endes doch was schief, kann man die betreffenden Institute immer noch pleite gehen lassen und die Zwischenzeit bis dahin dazu nutzen, Sicherungsvorkehrungen zu treffen, wäre eine vernünftige Idee.

Im Endeffekt passiert doch so ziemlich das gleiche wie bei einer Umschuldung, bei der die aktuell zu großen Belastungen zu kleinen Häppchen konvertiert und über viele Jahre in die Zukunft gestreckt werden. Ist ein erprobtes Verfahren, warum soll man sich dessen nicht bedienen?

Thomas April 24, 2009 um 14:39 Uhr

Die theoretische Möglichkeit, die eigentlich nötigen Abschreibungen über die nächsten 20 Jahre zu verteilen und damit mit zukünftigen Gewinnen zu verrechnen, die gibt es natürlich. Problem ist dabei aus meiner Sicht, daß viele Banken dann bei „ehrlicher Betrachtung“ heute negatives EK haben (wenn man den „Firmenwert“ aus zukünftig erwarteten Gewinnen ignoriert), und daher entweder frisches Kapital oder zumindest Garantien brauchen, sonst tut man sich schwer, noch Kunden zu finden.

Die vorgeschlagene „Versicherungslösung“ verstehe ich so, daß alle Banken gezwungen werden, die Assets zu vordefinierten Konditionen zu versichern, d.h. der Staat übernimmt die Downside, und erhält dafür eine „Versicherungsprämie“.

Was ich an dem Vorschlag nicht ganz verstehe ist:

1. Wenn die Prämie fair ist, fein. Aber: Wer setzt eine „faire Prämie“ fest, und wie? (Ich nehme an, die Prämie soll ex ante festgesetzt werden, und nicht ex post auf Basis der faktischen Verwertungserlöse. Oder?)

2. Muß die Bank die Prämie vorab zahlen, oder darf sie über 20 Jahre hinweg abstottern? (wohl letzteres, denn sonst ist man heute ja schon wieder pleite)

3. Soll das auch für Banken gelten, bei denen es so übel aussieht, daß so ziemlich alles von den Gewinnen der nächsten 20 Jahre für die Bezahlung der Prämie draufgehen wird, und selbst dann ist nicht sicher, ob es reicht?

4. Angesichts der erst noch bevorstehenden massiven Kreditausfälle aus dem „normalen Geschäft“ (eine schwere Rezession wie die jetzige muß fast zwingend zu üblen Ausfällen führen) verschärft sich die Kapitalsituation vieler Banken in Bälde vermutlich noch mehr. Was macht man damit?

5. Wenn es tatsächlich so ist, daß sich die Verluste auf toxische Wertpapiere usw. aus zukünftigen Gewinnen finanzieren lassen, und man nur warten muß: Warum schafft man es dann eigentlich nicht, genug private Investoren für eine rein privat finanzierte Kapitalerhöhung zu finden? Weil im Moment alle Investoren zu risikoavers sind, und keiner was risikieren will?

enigma April 24, 2009 um 16:52 Uhr

Ganz kurz, weil wenig Zeit:

1. Wie bei der Autoversicherung: soviel Schäden, soviel Beiträge!

2. Letzteres ist richtig, das ist ja Sinn der Sache.

3. Versicherungen gleichen ja Risiken innerhalb der Versicherungsgemeinschaft aus, darauf beruht das Prinzip Versicherung.

4. Das ist sicherlich ein Problem, hat aber mit den forderungsausfallgefährdeten Finanztiteln nicht direkt zu tun.

5. Weil man die Banken dazu zwingen muß, sich ihrer Verantwortung zu stellen. Man kann nicht erwarten, daß Banken Lösungen präsentieren, die sie selbst belasten. Oder anders: solange Banken damit rechnen können, daß ihr Problem auf Steuerzahlers Kosten gelöst wird, werden sie einen Teufel tun und Vorschläge wie die v. Suntums und andere für praktikabel halten.

Beste Grüße

ketzerisch April 4, 2009 um 12:11 Uhr

Ich verstehe immer nicht, warum alle Welt behauptet die Banken hätten ein Problem mit schlechten Wertpapieren. Das eigentliche Problem der Banken ist deren Passivseite; vulgo: Sie sind überschuldet. Die Lösung ist also einfach: Eigentümer enteignen und die Bank den Fremdkapitalhaltern übergeben. In Neudeutsch: Debt-Equity-Swap. Kostet nichts und keiner wird gezwungen irgendwelche unbewertbaren Wertpapier zu verkaufen und auch nur einen Wert dafür zu ermitteln.

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