ePrivate Banking: Wer sind die «First Mover»?

by Gastbeitrag on 31. August 2010

Gastbeitrag von Dr. Franz-Josef Lerdo*

Sind Sie auch bei Facebook? Und wie viele Freunde/Freundinnen haben Sie dort? Als Ex-Banker mit 10 Jahren
Schweiz-Expertise bin natürlich noch reservierter als viele andere, persönliche Dinge preiszugeben. Dann schon
eher bei Xing, dem fast schon klassischen Netzwerk-Forum im deutschsprachigen Bereich. Dort habe ich 247
direkte Kontakte und weitere 256’364 Kontakte meiner Kontakte. Networking ist «in» und kann interessante Geschäftskontakte eröffnen.

Was hat das mit Banking zu tun? Eine ganze Menge. Die Banken haben eine riesige Internet-Community, aber nur theoretisch, leider nicht wirklich. Für Privatkunden ist es zur Gewohnheit geworden, ihren Zahlungsverkehr
über entsprechende eBanking Tools abzuwickeln. Überweisungen tätigen, Daueraufträge einrichten und ändern,
alles das ist so normal geworden, wie Flüge, Bahnreisen und Hotels im Internet zu buchen. Einige Bankkunden
gehen noch einen Schritt weiter und wickeln auch ihre Wertschriftengeschäfte über die entsprechenden Angebote ihrer Hausbanken oder spezialisierte Discount Broker ab. Das Betreten einer Bankfiliale ist nur noch für
spezielle Beratungsgespräche erforderlich, sofern der Kunde dieses physische Vor-Ort-Angebot überhaupt wünscht. Stattdessen boomt das Surfen im Internet. Gerade Finanzthemen erleben einen grossen Zulauf. Kunden, die als sogenannte Selbststeuerer ihre Anlageentscheidungen autonom treffen, erwarten von ihren Banken, vor allem den kostengünstigen Discount Brokern, mobile Lösungen via Smartphones.

Dirk Elsner hat in der Ausgabe 4/2010 von PRIVATE auf die ungenutzten Potentiale traditioneller Banken
und den Bedarf neuer 2.0-fähiger Produktlösungen hingewiesen. Speziell für das Private Banking oder Wealth Management, einer Domäne der Schweizer Banken, ergeben sich hochinteressante Ansätze:

  1. Neben den Selbststeuerern besteht eine zahlenmässig deutlich größere Gruppe aus Anlegern, die zunehmend den Ratschlägen und Produktempfehlungen der Banken misstrauen, gleichzeitig aber nicht das Wissen, die Erfahrung oder die Zeit haben, eigenständig ihre Investments vorzunehmen. Diese Zielgruppe ist grundsätzlich offen für Portfolio-Management-Ansätze, wenn ihnen das Internet hierfür die entsprechenden Tools liefert. Die neuen Ansätze der Nettobank von Wegelin und die Pläne von Swissquote deuten in diese Richtung. Über einen interaktiven Prozess kann der Kunde sein Risikoprofil ermitteln und, darauf aufbauend, eine Anlagelösung auswählen (Asset Allocation). Offeriert wird bspw. eine indexnahe, kostengünstige Vermögensverwaltung mit ETFs.
  2. Während dieser Ansatz noch auf den Einzelkunden und dessen Finanzlösungen abstellt, dürften Social-Media-Ansätze im Banking einen neuen Trend setzen. Die Kunden einer Bank werden sich via Community untereinander und mit der Bank und ihren Produkten und Dienstleistungen auseinandersetzen wollen.
    Beispielhaft ist hier die Fidor Bank, München, deren Konzept sich konsequent an den Wirkmechanismen des
    Web 2.0 orientiert. Dementsprechend sieht die Strategie der Bank mit Vollbanklizenz vor, Kunden unmittelbar in die Wertschöpfung der Bank zu integrieren. User und Kunden der Bank können sich direkt miteinander austauschen, Spartips geben, Produkte oder Geldberater nach transparenten Kriterien
    bewerten oder neue Produktideen vorschlagen. Jede messbare Aktivität der User wird mit Geldbeträgen über ein internes Bonussystem abgegolten.
  3. Ein weiterer Ansatz überträgt diese Mitmach-Idee auf Aktienempfehlungen. Statt in eine Black Box wie
    einen herkömmlichen Fonds zu investieren, werden Ansätze gesucht, die Investmentideen einer Vielzahl von Teilnehmern auswerten. Hierfür steht Sharewise aus München. Den Ratschlägen der Besten folgen oder deren Wissen in einem gemanagten Investmentprodukt abzubilden, ist der konsequente Folgeschritt. Die Nutzung der «Wisdom of the Crowd» dürfte auch für institutionelle Anleger interessant werden,
    die auf der Suche nach innovativen Asset-Management-Lösungen sind.
Was bedeuten diese Trends für die traditionellen Banken?

Es erscheint sinnvoll, konsequent auf die Web-2.0-Ideen zu setzen. Asset-Allocation-Modelle und die Etablierung echter Banking Communities schaffen Transparenz und helfen, dem Vertrauensverlust der Kunden in den letzten Jahren sinnvoll zu begegnen. Offene Kommunikation schafft Kundenbindung und macht die First Mover für Neukunden attraktiv. Die schon heute vielgenutzten eBanking-Lösungen können die Brücke schlagen zu ePrivate Banking und eWealth Management. Werden diese Trends nicht rechtzeitig erkannt, dürften neue Wettbewerber den Markt betreten. «Banking is important, Banks are not» – dieses Zitat von Bill Gates könnten Social Networks wie Facebook und Xing oder andere IT-Quereinsteiger zukünftig mit Erfolg aufgreifen.

*Institut für Wirtschaftsberatung, Niggemann, Dr. Lerdo & Partner, Family Office GmbH, Herrliberg. Gastbeitrag zunächst erschienen in dem Schweizer Magazin Private. Mit Genehmigung des Verfassers für den Blick Log übernommen.

Comments on this entry are closed.

Previous post:

Next post: