Medienrummel und medialer Tratsch: Ein kleiner Rundumblick auf die Medienkrise

by Marsman on 5. April 2011

Gastbeitrag von Marsman*

Und wieder mal geht ein Medienrummel zu einem Thema zu Ende. Im allgemeinen dauert so ein Medienrummel zu einem Skandal, einer Katastrophe höchstens zwei Wochen. Kurzfristig, auf dem Höhepunkt eines solchen Rummels, scheint es, als würde dies nun das Thema für alle Ewigkeit sein. Bis dann plötzlich die Schlagzeilen weniger werden, das Thema nicht mehr das Hauptthema in den Nachrichten ist, sondern sich weiter unten findet, bis es schließlich nur mehr sporadisch vorkommt oder ganz verschwindet. Nach einem derartigen Rummel vermitteln die Medien ein ganz anderes Selbstverständnis. Es waren schlicht und einfach nicht sie, die so eine elektrisch beleuchtete Barbarei veranstaltet haben. Wie könnte man denn nur so etwas von ihnen denken, intelligent, gebildet, modern und pädagogisch aufgestellt. Aber wer hat es dann getan? Das Volk, die ungebildeten Massen, die Punks und Skinheads, allenfalls der Boulevard und vor allem die Medien in anderen Ländern.

Vor einigen Jahren war in den Medien der celebrity gossip ungemein populär. Nahezu täglich gab es etwas hoch wichtiges über Paris Hilton, Lindsay Lohan und all die anderen zu berichten. Fallweise steigerte sich das aus aktuellen Anlässen dann sogar zu Sondermeldungen. Sogar Reuters USA verbreitete mehrmals täglich Meldungen, als Paris Hilton ins Gefängnis musste. Die amerikanischen Leitmedien sind in diesen Fällen Life & Style, Variety, People und weitere Magazine wie auch der Hollywood Reporter mit seinen eher wirtschaftlichen Hintergrundinformationen.

Wer die USA kennt, der weiß ohnehin dass vieles von derlei Tratsch einen weitaus geringeren Stellenwert hat, als es den Anschein in Europa und etwa in Deutschland hat. In den deutschsprachigen Medien war und ist es teilweise üblich, aus trivialsten amerikanischem Tratsch Staatsaffären zu machen. Diese Magazine haben eine vergleichbar geringe Auflage. People hatte Wikipedia zufolge 2006 3,75 Millionen Auflage, das oft zitierte Variety hat laut Wikipedia 27.000 tägliche Auflage und 25.000 wöchentlich, der Hollywood Reporter hatte 2009 etwa 26.000 tägliche Auflage und Life & Style 2010 400.000 Auflage. Das sind also ein paar jener Leitmedien, deren atemberaubende Stories unter anderem vom ÖR Fernsehen in Deutschland übernommen wurden.

Die Filmindustrie erlebte in dieser Zeit ebenfalls eine Krise. Vor allem die Produktion neuer Filme musste zurückgeschraubt werden. Die Finanzkrise der Filmbranche begann langsam und sachte in 2008 mit weniger Kinobesuchern. 2009 traf dann die Finanzkrise voll die Filmbranche in LA, wie auch andere Teilen der Welt. Ursache waren weniger Einnahmen in den Kinokassen und fallende Werbeeinnahmen. Außerdem blieben diverse Fernsehstationen, Videotheken (Verleih) und Verkauf von CDs weit hinter den Prognosen zurück. Oft genug wurde der Internetpiraterie die Schuld daran gegeben. Die wirklichen Gründe lagen freilich anderswo. Da gab es unter anderem schon einmal wirklich überzogene, völlig irrationale Erwartungen bei „Krach & Bumm“ Filmen. Ich habe hin und wieder geringfügig mit der Filmwirtschaft nebenbei zu tun und würde mich als gelegentlichen Zaungast beschreiben). Die irische Filmwirtschaft hat so manche enge Verflechtung mit jener in den USA/Kanada. U.a. wurde die Fernsehserie Die Tudors hier in Irland gedreht.

2008 dürfte das Jahr des Höhepunktes der Illusionen bei manchen in dieser Branche gewesen sein. Eine Menge Filme wurden in der Erwartung des schnellen und großen Geldes finanziert, man setzte auf „boom & bang“ Filme, wie auch auf sonst nicht besonders geistreiche Ware. Die Atmosphäre bei manchen solcher Meetings war schlichtweg unreal. Leute, die da auf schnelles Geld hofften, zeichneten sich u.a. dadurch aus, dass sie nichts, aber wirklich nichts, von Daten und Fakten wissen wollten. Die Frage nach irgendwelchen Marktdaten, wer sich denn diesen oder jenen Film ansehen sollte, geschweige denn in irgendeiner Form bereit wäre dafür zu zahlen, durfte erst gar nicht gestellt werden. Und so sollte es denn so manchen Spielern und Finanziers in dieser Branche genauso ergehen, wie anderen, die mit normalen Geldanlagen bzw. Spekulationen ihr Geld verloren hatten. Das hat die Finanzierung von Filmen etwas verändert. Investments in Filmproduktionen und derlei Chancen und Risiken sind in mancher Hinsicht der Spiegel der Entwicklung und Situation der Finanzmärkte, parallel wurden die selben Torheiten mit den gleichen Resultaten begangen.

Ein oft wiederholter Fehler war der vom Erfolg eines einzelnen Filmes eines bestimmten Genres zu schließen, das damit alle anderen gleichartigen Filme ein riesiger finanzieller Erfolg werden würden. Das zeigte sich insbesondere immer wieder bei Action oder Horror Filmen. Einer wurde ein Erfolg, zwanzig oder dreißig, die mit gleichen großartigen Erwartungen finanziert wurden, floppten. Hollywood hat aus den Fehlern und Konsumentenreaktionen anscheinend nichts gelernt. Vielfach und zurecht lautstark beklagt wird der Mangel an wenigstens halbwegs intelligenten Filmen. Es ist das Niveau der höchsten Inkompetent auch in dieser Branche und nicht die Internet Piraterie die Ursache für die schwindenden Seher und damit Einnahmen.

Mittlerweile ist es, was Hollywood Tratsch betrifft, etwas ruhiger geworden. Das hat seine Gründe. Unter anderem in der Zahl der entlassenen Journalisten und Verlagsangestellten in den USA. Paper Cuts, ein Blog der diese Entlassung seit Juni 2007 verfolgt, meldete dazu ab Juni 2007 2,256 Jobs, 2008 waren es wenigstens 15,992 Jobs, 2009 14,783 Jobs und 2010 noch einmal 2,828 Jobs. Das waren die Entlassungen bei Zeitungen. Nicht bekannt sind die Zahlen von Zeitschriften, die ebenfalls ihre Krise hatten und den Fernsehsendern. Der Jahrmarkt der Sensationen ist also keineswegs so ein todsicheres Geschäft.

In Deutschland blieben die Medien vielfach von einer wirklichen Krise verschont. Wobei freilich ausgerechnet Bild den größten Schwund an Lesern zu verzeichnen hat. 2003 knapp unter 4 Millionen Auflage, erreichte sie 2009 /I nur mehr 3,155 000 Auflage und sank schrumpfte schließlich 2010 / IV auf 2,9 Millionen Auflage.

Medien in Irland

Natürlich machen auch die irischen Medien jeden Rummel mit. Den meisten Lärm macht dabei Sky News, der britische Fernsehkanal, der auch hier von vielen empfangen werden kann. Sky News macht grundsätzlich aus jedem noch so trivialen Thema eine Weltaffäre, erst recht bei großen Themen. Auf Sky News werden die Nachrichten endlos wiederholt. Bei einem sogenannten “Rummelthema” wird das erst entsprechend hochgespielt, um dann abrupt zu enden. RTE, der ÖR Rundfunk in Irland, ahmt das alles in aller Regel in etwas milderer Form nach und beendet so ein Thema oft früher. Dann gibt es etliche Tabloids, Ableger britischer Zeitungen (Sun, Daily Mail, Star). Deren Dauerthemen sind Sex & Crime, und bei Anlass eben auch sensationelle Ereignisse. Die Tabloids werden eigentlich nur von älteren Leuten gelesen, wobei viele dieser Leser gleich zwei, drei oder gar vier solcher Zeitungen täglich kaufen.

In Irland gab es vor Jahren den Plan, ein Kernkraftwerk zu bauen. Dagegen gab es großen populären Widerstand und der Plan wurde aufgegeben. Die damaligen Nein-Sager und Demonstranten hatten sicherlich recht. Finne Fail, die vor kurzem abgewählte Regierungspartei, die lange Zeit an der Regierung war, hätte wohl die Toppositionen, Kontrolle, Aufsicht, usw., mit ihren Cronies besetzt, genauso wie die Finanz- und Bankenaufsicht. Und so würde es auch im Kernkraftwerk letztendlich genauso ausgesehen haben,wie bei den Banken. Das Risiko einer Katastrophe wäre wegen solcher Typen enorm hoch gewesen.

In der Praxis dürfte es wohl so sein, dass derlei Rummel eigentlich gar nicht ankommt. Die Irish Times, die mal mit Katastrophennachrichten aus Japan Schlagzeilen machte, blieb unverkauft liegen. In ein paar Supermärkten war zu beobachten, dass manche kurz davor stehen blieb, einen Blick darauf warf und weiterging. Bei den Nachrichten dürfte es vielfach wohl so sein, dass jene, die einen Computer und Internet haben, sich auf diesem Weg informieren und dem Fernsehen vielfach verloren sind. Wer immer in irgendeiner Form aktiv ist, macht sich erst gar keinen so großen Stress mit den Medien. Gerade vor kurzem wurden zwei Sonntagszeitungen in Irland eingestellt.

Die Werbeeffizienz irischer Medien dürfte aus vielen Gründen ziemlich gering sein. Die Leute informieren sich schon wegen der Wirtschaftskrise bei Anschaffungen etwas genauer als früher. Ein sehr bemerkenswerter Artikel aus dem Jahr 2004, der Einsicht in die Preisstrategie eines amerikanischen Zeitungsverlages gibt, dürfte wohl auch hier in Irland den Nagel auf den Kopf treffen. Seriöse und sensiblere Werbeberater in den USA haben schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass ein sogenannter „mad house effect“ und anderer medialer Lärm in punkto Werbung nur für „fire sales“ (Notverkäufe, Abverkäufe bei Bankrott) taugt, wenn die Preise wirklich entsprechend niedrig sind. Eine sehr professionell orientierte Lied Parodie, in der Witze gemacht werden über die Probleme der Ad Industry und der alten Medien vermittelt einen interessanten Einblick und Anregungen in allgemeiner Hinsicht.

* Der Autor Marsman lebt in Irland und ist mit der Medien- und Filmszene vernetzt

Marsman April 11, 2011 um 16:56 Uhr

Nachträglich gefunden, eine Meldung in der
WiWo, 11 – 04:
Filmfonds: Kein Happy End für Steuerzahler
„Seit 2010 fordern Finanzämter fast täglich
Nachzahlungen von Anlegern, denen Filmfonds
zu Unrecht steuerliche Verluste zugewiesen
hätten.“
http://www.wiwo.de/finanzen/kein-happy-end-fuer-steuersparer-461804/

Comments on this entry are closed.

{ 1 trackback }

Previous post:

Next post: