Wer sagt uns, was die „sanfte Restrukturierung“ Griechenlands Schulden wirklich bedeutet?

by Dirk Elsner on 26. April 2011

Nach zehn Tagen Pause hier im Blick Log musste ich mich über die Feiertage erst einmal wieder warm schreiben. Zwei Themen boten sich dazu an. Das ist einmal die wieder ein Stückchen näher gerückte Umschuldung Griechenlands und der 1-Tages-Marktschock, den die US-Rating-Agentur dadurch ausgelöst hat, dass sie als quasi offizielle Einrichtung das “verkündet” hat, was Beobachter und diesen Blog nicht überrascht hat: Nämlich einen negative Ausblick auf das Top-Rating der USA. Aber damit beschäftige ich mich in einem späteren Beitrag. Hier soll es noch einmal um Griechenland gehen.

Der im Blick Log eingerichtete Newsticker liefert ja wieder genügend Lesestoff. Dabei bereiten mir die Schlagzeilen, dass nun auch das offizielle Griechenland über eine Umschuldung nachdenkt, keine Genugtuung ob der nicht besonders anspruchsvollen Vorhersagen, dass es irgendwann zu einem Haircut kommt.

Handelsblatt und FTD zitierten griechische Zeitungen mit Gedanken einer „sanften Restrukturierung“, was natürlich Augenwischerei ist und vor dem Hintergrund neuer Haushaltsdaten zu einer absoluten Notwendigkeit wird. Die Zeitung Ta Nea “berichtetet ohne Angaben von Quellen, die Regierung erwäge eine freiwillige Vereinbarung mit den privaten Gläubigern, die zu einer Streckung von Rückzahlungsfristen führen solle.” (Handelsblatt). Es dürfte klar sein, dass dies nur der rhetorische Einstieg in viel umfassendere Maßnahmen sein werden. Eine reine Verschiebung von Fälligkeiten läuft praktisch ins Leere. 

Vor der Feiertagspause hatte ich mich hier in zwei Beiträgen damit befasst, was der Schuldenschnitt für die Anleger bedeutet und warum dieser sie nicht schrecken sollte. Die internationale Finanzpresse (siehe unten) konzentriert sich hauptsächlich auf die Wirkungen einer Umschuldung auf die Finanzmärkte (internationale Gläubigerbanken, Versicherungen etc.) und auf die politischen Folgen. Genau genommen wird ja jetzt der komplette Rettungsschirm und die Beschwichtigungsrhetorik der Wirtschaftselite von vor einem Jahr (netter Rückblick dazu bei egghat unter “Wir kaufen griechische Staatsanleihen”) entlarvt.

Ich vermisse freilich Beiträge, die einmal im Detail schauen, was der Haircut eigentlich für die Menschen und Unternehmen in Griechenland selbst bedeutet. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, dass die um ihr Image an den Finanzmärkten besorgte griechische Regierung versuchen wird, die Top-Gläubiger zu bevorzugen. Die um ihre Kapitalanlagen fürchtenden Banken, Versicherungen, Fonds etc. müssen bei Laune gehalten werden, damit sie irgendwann wieder Kredite vergeben. Bluten werden dafür andere Gläubiger, die vor allem in Griechenland selbst sitzen. Unternehmen, denen der Staat Geld schuldet, werden schon jetzt sehr schleppend und vielleicht gar nicht bezahlt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auf Einzelgläubiger-Ebene bereits über umfangreiche Schuldverzichte verhandelt wird. Sagen will das freilich (noch) niemand. Unternehmen und Bürgern, denen der griechische Staat viel Geld schuldet, werden aber so weiter in ihren Investitions- und Konsummöglichkeiten eingeschränkt.

Aber selbst, wer nicht vergeblich auf die Begleichung offener Rechnungen warten muss, kann nicht aufatmen. Der Schuldverzicht führt zu einer Kettenreaktionen, deren Folgen niemand genau kennt. Mit der Umschuldung werden sofort griechische Banken erhebliche Probleme bekommen. Insolvenzen sind nicht ausgeschlossen, und der griechische Staat wird nicht mehr eingreifen können, um Institute zu retten. Unternehmen werden in die Insolvenz gehen, Sparer werden Einlagen verlieren, Pensionsberechtigte Teile ihrer Renten. Es kann dramatisch werden, was wir in den nächsten Wochen und Monaten zu lesen bekommen. Aber eine Alternative dazu ist nicht in Sicht. Ich halte es für ausgeschlossen, dass die internationale Staatengemeinschaft in die Haftung geht. Wichtig ist freilich, dass die internationalen Finanzinstitutionen, die hinter den Kulissen längst die Umschuldung vorbereiten dürften, endlich ihre peinliche Zurückhaltung ablegen und ein überzeugendes Modell präsentieren. Ein modifizierter Brady-Plan könnte z.B. Pate stehen.

Die FAZ hatte bereits Anfang des Jahres verschiedene Handlungsalternativen durchdekliniert:

Berichte und Kommentare zur Umschuldung Griechenlands

HB: Euro-Krise:EZB entwirft Horror-Szenario für Griechen-Pleite (26.4.11): Die Warnung der EZB ist drastisch: Kippt Griechenland, wird das Chaos den Crash von Lehman-Brothers übertreffen. Sie gießt damit Öl ins Feuer: Die Angst vor der Umschuldung treibt die Zinsen jetzt schon auf Rekordhöhen.

FTD: Schuldenkrise – Griechenland denkt doch an Umschuldung: Genau ein Jahr ist es her, dass das südeuropäische Land Euro-Partner und IWF um Finanzhilfen bitten musste. Im Kampf gegen die drohende Pleite ist trotzdem kein Ende in Sicht. Griechische Medien berichten von Plänen einer „sanften Restrukturierung“.

HB: Schuldenkrise – Griechenland plant „sanfte Restrukturierung“: Griechenland sucht ein Jahr nach der Beinahe-Pleite nach einem Halt im Schuldensumpf und plant laut Medienberichten eine freiwillige Restrukturierung. Die EZB glaubt, die Probleme des Landes seien so nicht zu lösen.

FAZ: Europas Schuldenkrise – Griechenlands notwendige Umschuldung: Griechenland muss mit seinen Gläubigern eine Umschuldung seiner Staatsschulden anstreben. Auf dem Spiel stehen die europäische Idee, das Vertrauen in die Solidität des Euro – und letztlich das Ansehen des demokratischen Rechtsstaats.

Economist: Economics focus – A question of maturity: Talk of restructuring Greece’s debt is unlikely to solve the country’s economic woes

Economist: The euro area’s debt crisis – Latin lessons: There is a model for how to restructure Greece’s debts

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