Wenn Du ein Gläubiger bist, dann bist Du ein Gläubiger. Ausnahme, Du bist eine Bank

by Dirk Elsner on 21. Juni 2011

Ich habe mal in meiner Berufsausbildung zum Bankkaufmann und während meines Studiums gelernt, was einen Gläubiger ausmacht, der einen Kredit vergeben hat. Ich weiß nicht mehr, was der Klassiker Grill/Percinsky (der lagert irgendwo im Keller) zu den Rechten und Pflichten von Gläubigern geschrieben hat. Gläubigerrechte beinhalten nach meiner Erinnerung und praktischen Berufserfahrung insbesondere den Anspruch gegen den Schuldner auf Rückzahlung des Kapitals. Die Position des Gläubigers beinhaltet aber auch das Risiko, dass der Schuldner den Kredit nicht in der vereinbarten Höhe zum vereinbarten Zeitpunkt zurück zahlt. Dieses Risiko nennt man Adressrisiko.

Das Adressrisiko ist so alt wie der Kredit selbst. Weil das ein potentieller Gläubiger weiß, prüft er den Kreditnehmer gründlich und lässt sich z.B. Sicherheiten einräumen. Verzichtet er auf Sicherheiten und hat er nicht gründlich geprüft bzw. ist er ex post betrachtet zu einer falschen Einschätzung gekommen, dann sieht der Lauf der Dinge vor, dass der Kreditgeber einen Verlust hinnehmen muss. Üblich ist, dass niemand, außer dem Schuldner selbst, dafür haftbar gemacht werden kann.

Dieses an Schulen und Universitäten beigebrachte Lehrbuchwissen wird in diesen Tagen außer Kraft gesetzt, denn ein Gläubiger kann neuerdings sogar den Spieß umdrehen. Dies gilt aber leider nicht für das mittelständische Unternehmen, das von einem zahlungsunfähigen Kunden seine Forderungen nicht bezahlt bekommt. Es gilt aber für Banken, die zum Beispiel anderen Staaten Geld geliehen haben.

Wie die Finanzbranche es geschafft hat, den Spieß umzudrehen, hat Spiegel Online aufgeschrieben am Fall einer Erklärung des Bundesverbandes Deutscher Banken:

“Beteiligen sich die deutschen Banken an der Rettung Griechenlands? Möglicherweise – aber bestimmt nicht ohne Gegenleistung. So lautet die Botschaft des Bankenverbandes vom Montag. Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer verlangt wirtschaftliche Anreize, damit Institute neue Anleihen des hochverschuldeten Euro-Staats kaufen. Als Beispiel nannte er eine bessere Bonität der Papiere durch “gewisse Sicherheiten”. Das könnten zum Beispiel Bürgschaften der Euro-Staaten, höhere Renditen oder eine vorrangige Bedienung im Pleitefall sein.”

In der FTD ist zu lesen:

“Ähnlich äußerte sich der Bundesverband Öffentlicher Banken (VÖB), die Dachorganisation der Landesbanken. „Das Warten auf eine bedingungslose Freiwilligkeit wird nicht zum Erfolg führen“, sagte ein Sprecher. Ohne Anreize werde es nicht gelingen, private Gläubiger für den Kampf gegen die Schuldenkrise zu gewinnen.”

Diese Chuzpe der Verbände ist nicht nur erstaunlich, sondern sie ist auch ein Rechtsbruch und stellt das marktwirtschaftliche System, in dem jeder Marktteilnehmer die Früchte und Konsequenzen seines Handelns trägt, auf den Kopf. Eigentlich dürfte sich die Finanzbranche, wenn sie nur über einen Funken Wirtschaftsverständnis verfügt, nicht einmal die Frage stellen, ob sich die Banken “freiwillig” an der Rettung Griechenlands beteiligen. Die Banken sind Gläubiger und tragen das Adressrisiko. Das Adressrisiko trägt man nicht freiwillig, es ist immanenter Bestandteil des Kreditvertrags.

Dass überhaupt von einer „freiwilligen“ Beteiligung der Banken die Rede ist, ist ein ausgesprochen geschickter Schachzug der Finanzbranche und der Tatsache geschuldet, dass sich die Politik hat in die Lage drängen lassen, wieder einmal eine Lösung für Probleme zu finden, die andere verursacht haben. Interessant übrigens, wie alle Spieler aus dem Finanzsektor diese Wortspiel mit der „freiwilligen“ Beteiligung mitgehen, wie z.B. die Ratingagenturen (via. Handelsblatt):

„Ein freiwilliger Tausch von griechischen Staatsanleihen würde von Fitch als Zahlungsunfähigkeit eingestuft, erklärte der Chef der Ratingagentur für die Region Asien-Pazifik, Andrew Colquhoun, am Dienstag bei einer Konferenz in Singapur. Selbst wenn ein solcher Beitrag privater Gläubiger nach dem Modell eines sogenannten „Rollover“ organisiert werde, ändere dies nichts an der Einschätzung.“

Ein Gläubiger, so erklärt es die Wikipedia, glaubt seinem Schuldner, dass dieser die Schuld (geschuldete Leistung) erbringen wird. Im Schuldrecht wird als Gläubiger bezeichnet, wer von einem anderen, dem Schuldner, eine Leistung fordern kann (§ 241 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Rechtsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner wird als Schuldverhältnis bezeichnet. … Zur Durchsetzung machen diese einen Anspruch geltend.

Gläubiger sind z.B. deutsche Banken, Schuldner ist der griechische Staat. Dieser schuldet die Rückzahlung und nicht die europäische Staatengemeinschaft, die weder an dem Abschluss des Geschäfts beteiligt war, noch von den Zinsen profitiert hat und erst recht keine Bürgschaft gewährt hat. Nirgends, aber auch wirklich an keiner Stelle steht, dass der Gläubiger von einem Dritten, der in keiner Rechtsbeziehung zum Schuldner steht, Bedingungen für die Rückzahlung verlangen kann.

Martin Bangemann schrieb das ganz passend gestern: “Das gibt es nur im Kapitalismus: Die Insolvenz. Doch warum findet sie keine Anwendung, wenn sie so dringend erforderlich wäre?“ Die Antwort auf diese Frage weiß sicher der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken Michael Kemmer.

Die Inhaber der Anleihen haben keinen Anspruch gegen die europäische Staatengemeinschaft. Wenn die Staatgemeinschaft in Form eines supranationalen Massekredits Griechenland unterstützen will, dann sprechen viele politische Gründe dafür. Eine Massekredit dient der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs durch Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit aber nicht der Befriedigung von Ansprüchen alter Gläubiger. Daher bleiben die Forderungen der Bankenverbände eine unglaubliche Aushebelung des bestehenden Wirtschaftssystems und kommen einer Erpressung gleich, wenn gleichzeitig mit einer neuen Finanzkrise nach dem Vorbild Lehman gedroht wird.

PS

Mir ist übrigens aufgefallen, dass das Handelsblatt in einigen Beiträgen (z.B. hier) das „freiwillig“ in Anführungszeichen setzt. Finde ich richtig.

Nachtrag

Die Kritik an den Verbänden der Banken muss übrigens erweitert werden auf die Unterzeichner einer Erklärung die vom Staat unter dem Vorwand der Euro-Rettung „die Rettung klammer Staaten verlangt„. Alexander Hagelüken hat für die Süddeutsche die richtige Antwort darauf gefunden: „Ganz schön dreist, diese Manager„. Da lob ich mir den Mittelstand, für den ich ja auch arbeite. Mittelständler reagieren auf solche Kampagnen mit Unverständnis.

Passend auch die Stellungnahme der FAZ, auf die der Blog Reizzentrum in dem Beitrag „Was Banken und Betreiber von Kernkraftwerke verbindet“ hinweist:

„Die Finanzbranche steht kurz davor, sich ein weiteres Mal auf Kosten der Steuerzahler zu sanieren. Erst helfen sie schwachen Schuldnern wie Griechenland, ihre Bilanzen zu frisieren. Dann legen sie auf Grundlage ihrer grottenfalschen Analysen und Konvergenzmärchen sich und den Anlegern deren Papiere in ihre Depots und kassieren satte Renditen in Form hoher Kupons und steigender Kurse.“

nigecus Juni 23, 2011 um 17:23 Uhr

Noch was.

Sie haben das mit dem „wer“ ist Schuldner vollkommen korrekt dargestellt.

Für die fälligen (alten) griechischen Kredite/Anleihen am Tag X ist nur der griechische Staat verantwortlich. Die BRD, Frankreich, etc. darf da nicht hergehen und sagen: „Egal wir bezahlen die Schuldtilgung“.

Aber es läuft ja dann wohl wie folgt. Es werden am Tag X neue griechische Kredite/Anleihen begeben mit BRD, Frankreich etc als Bürgen (Mit denen werden dann die am Tag X fälligen Anleihen getilgt). Das sind dann komplett NEUE Kredite/Anleihen mit Griechenland als Schuldner und die EU als Bürgen.

Wenn man ein solches Vorhaben torpedieren will, muss man die Frage stellen ob ein EU-Land Bürge für eine anderes sein darf. Ich glaube das ist garnicht erlaubt, aber das kann man ja ändern.

nigecus Juni 23, 2011 um 17:04 Uhr

Ich weiß nicht was Sie haben? Natürlich besteht die Gefahr für den Gläubiger dass der Schuldner sagt „Ich bezahle später“, „… nur ein bisschen“, „…garnicht“. Man kann aber von einem Gläubiger dann auch nicht verlangen, dass er dem Schuldner erneut einen Kredit gewährt. Generell gibt es nie eine Pflicht eines Kreditgebers einen potentiellen Kreditnehmers einen Kredit zu gewähren. Sei es einer Privatperson, einem Unternehmen oder einem Staat.

Wenn nun diverse Banken sagen: Hey Griechenland, wenn ihr einen Kredit von uns wollt (um den alten Kredit zu tilgen), dann müsst ihr uns „etwas bieten“ (z.B. höherer Kupon, mehr Sicherheiten, etc.). Was ist daran so schlimm? Die Griechen müssen ja darauf nicht eingehen und einfach ihre alten Kredite nicht tilgen.

Sie werden ja sicherlich schon mal den einen anderen Klienten gehabt haben, der vor der Insolvenz stand. Da wird sich sicher auch kein Kreditsachbearbeiter hingestellt haben: „Oh wir sind ja damals ein Adressrisiko eingegangen… Hmm dann fallen wir wohl aus und geben ihnen jetzt dennoch einen Kredit…“ Der wird wohl eher um die neuen Konditionen gepokert haben und falls es nicht geht wie die Sache im Insolvenzverfahren laufen wird.

Genau das tun die Gläubiger im Falle des Schuldner „Griechenland“ auch. Jedoch haben die Griechen sich nicht dazu geäußert ob Sie ausfallen werden, und wenn ja wie. Und wenn die Griechen tatsächlich ihre Kreidte wie vereinbahrt bedienen wollen, dann bleibt immer noch die Frage nach den neuen Kreditkonditionen. Im Kapitalismus ist nicht mal der Tod umsonst!

David Juni 23, 2011 um 12:39 Uhr

Der Gläubiger ist derjenige, der glaubt dass er sein Geld zurückbekommt …

Sascha Juni 22, 2011 um 07:56 Uhr

Wenn man Ihren Beitrag so liest, könnte man den Eindruck gewinnen, das Kreditgeschäft wäre reines Glücksspiel… Wenn man Glück hat, zahlt der Schuldner zurück und wenn er nicht zahlt, hat man halt Pech gehabt. Abhaken, weiter geht es zum nächsten Glücksspiel…

Sorry, aber das entspricht wirklich nur dem kurzfristigen und nicht ausgereiften Wissensstand eines Bank-Lehrlings…

Es bleibt ja wohl erst mal festzuhalten, dass Kreditvergabe eine wichtige Bedeutung in der Marktwirtschaft hat, da regelmäßig nur Sie Investitionen ermöglicht und damit zwingende Voraussetzung für den Fortschritt ist. Die wichtige Voraussetzung, dass dieses „System“ weiterfunktioniert, ist Vertrauen – Vertrauen darin, dass ein Gläubiger alles in seiner Macht stehende tun wird, seine Schuld auch zurückzuzahlen. Setzt man dieses Vertrauen nun sogar bei staatlichen Schuldnern aufs Spiel, kann das verheerende Auswirkungen auf die Kreditvergabe an Staaten haben. Der oft beschworene Domino-Effekt wird gestartet und dann dauert es nicht mehr lange, bis auch heute scheinbar stabile staatliche Schuldner es schwer haben werden, weiter die notwendigen Kredite zu erhalten.

Ich spreche auch von der BRD – auch unser Staat ist auf Kredite angewiesen, Deutschlands NEUverschuldung seit 2007 ist ca. doppelt so hoch wie die Gesamtverschuldung Griechenlands – nur um die Schuldenhöhe von Griechenland mal in eine Relation zu setzen.

Zudem ist es nicht einsichtig einem Schuldner Schulden zu erlassen, wenn die Informationen hergeben, dass er auf einem Vermögen von ca. 300 Mrd. EUR sitzt. Was für ein Gläubiger wäre ich, wenn ich da bereitwillig auf die Rückzahlung verzichte, nur weil ein paar Möchtegern-Experten, die im Leben noch kein Kreditgeschäft betrieben haben, nervös werden…? Entgegenkommen gerne, wenn damit eine angespannte Situation etwas entspannt werden kann, aber natürlich nur für eine angemessene Gegenleistung.

FDominicus Juni 22, 2011 um 07:07 Uhr

Dazu vielleicht:
http://www.politplatschquatsch.com/2011/06/der-staat-privat.html

Vollgesogen haben sich in erster Linie staatliche „letzte“ Verleiher. Die Banken haben wohlweislich die Papiere abgegeben. Und staatliche Stellen haben sie aufgesogen wie Löschpapier.

Somit ist eigentlich alles klar. Griechenland zahlt nicht und die Banken können Ihr Anleihen abschreiben und/oder über andere Rückzahlungsmodalitäten verhandeln. Dazu braucht es rein gar nichts. Wenn nun die Banken für die noch gehaltenen Papiere irgendetwas von irgendjemanden verlangen, dann ist das schlicht und einfach ohne Rechtsgrundlage. Daher kann ich nur sagen was „soll’s“. Fordern können sie so viel Sie wollen. Kommen Sie mit dieser Erpressung durch dann sieht es für Normalos in Zukunft zappenduster aus.

Dr. Hansjörg Leichsenring Juni 21, 2011 um 10:57 Uhr

Hallo Herr Elsner

da befinden wir uns nicht im Widerspruch. Die spannende Frage ist in der tat, für wen eine Umschuldung teurer wäre: Für die Banken oder für die Staaten…

Marsman Juni 21, 2011 um 10:28 Uhr

Etwas das in den schönen Bankprospekten und anderer
Werbung auch nicht steht, und das die vielen
Meinungsmacher in den Medien natürlich niemals
voraussehen: die Steuererhöhungen, die in dann
irgendwann mal kommen. Zwangsläufig.
Wobei sich denn verschiedenen Abgabenerhöhungen, die
sich auf „Kleinigkeiten“ hier und da konzentrieren
dann erst die ganze Schäbigkeit des ganzen Betriebs
offenbart.

Dr. Hansjörg Leichsenring Juni 21, 2011 um 08:24 Uhr

Es ist für mich nur schwer nachvollziehbar:

Eine Regierung, die eigentlich marktorientiert sein sollte, agiert planwirtschaftlich.
Banken wurden vor kurzem noch von derselben Regierung dafür ausgebuht und an den öffentlichen Pranger gestellt, dass sie zu viele und zu hohe Risiken eingehen.
Die europäischen Regierungen (inkl. der unsrigen) waren auf mindestens einem Auge blind, als sie Griechenland in den Euro aufgenommen haben.

Und nun fordert diese Regierung, dass sich diese Banken mit Wissen um das hohe Risiko an demselben beteiligen sollen, nur um dabei zu helfen, den Mist, den andere verbockt haben, wieder zurechtzurücken. Und die Aktionäre sollen zusehen, wie die Risiken weiter ansteigen…

Unglaublich das alles!

Beste Grüße

Hansjörg Leichsenring

http://www.der-bank-blog.de/

dels Juni 21, 2011 um 10:45 Uhr

Hallo Herr Dr. Leichsenring,

da muss ich Ihnen heute ausnahmsweise einmal widersprechen. Eigentlich müsste die Regierung gar nichts von den Banken verlangen, sie müsste sich einfach nur heraushalten. Normalerweise erarbeiten Schuldner (Griechenland) und Gläubiger (u.a. Banken) ein Konzept und nicht ungefragt ein Dritter. Aus diesem Konzept ergibt sich der jeweilige Sanierungsbeitrag.

Aber genau deswegen war es ungeschickt von der Politik überhaupt von einen „freiwilligen“ Beitrag der Banken zu sprechen.
Viele Grüße
Dirk Elsner

chriwi Juni 21, 2011 um 07:50 Uhr

Man hat die Banken zu groß werden lassen. Jetzt wo sie in der Krise sind haben die Staaten Angst, dass die Umschuldung volkswirtschaftlich teuerer ist als die Rettung.

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