Der Einfluss der Liquiditätsstandards nach Basel III auf die Unternehmensfinanzierung

by Dirk Elsner on 28. November 2011

Wenn in der Öffentlichkeit von Basel III die Rede ist, dann meist unter dem Aspekt, dass Banken mehr Eigenkapital für ihr Geschäft vorhalten müssen. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der neuen Vorschriften sind aber die Anforderungen an die Liquiditätsausstattung der Kreditinstitute. Dazu haben sich die Aufsichtsbehörden zwei Kennzahlen erdacht:

  • die Liquidity Coverage Ratio (LCR) zur kurzfristigen Liquiditätssicherung und
  • die Net Stable Funding Ratio (NSFR) für den längerfristigen Liquiditätshorizont

Beide Kennzahlen sollen sicherstellen, dass Banken im Krisenfall ausreichend liquide sind. Die Vorschriften dazu sind zu finden in dem Entwurf einer komplexen Verordnung (CRD IV) ab Artikel 400 (hier zum Originaltext: Regulation on prudential requirements for credit institutions and investment firms, pdf 545 Seiten, am Ende dieses Textes einige Literaturhinweise, die das Werk zusammenfassen).

Die LCR fordert von Banken einen Mindestbestand an hochliquider Aktiva, um für die jeweils nächsten 30 Tage den potentiellen Nettoabfluss von Liquidität in einem Stressfall decken zu können. Was hoch liquide Aktiva i.S. der LCR sein sollte, ist bereits allgemein festgelegt und wird derzeit noch im Detail ausgearbeitet und soll bis 2013 in technische Standards gegossen werden. In jedem Fall gehören kurz- und langfristige Unternehmenskredite nicht dazu, weil diese im Krisenfall nicht liquidiert werden oder bei der Notenbank als Sicherheiten hinterlegt werden können.

Die NSFR soll sicherstellen, dass die langfristige Aktivseite entsprechend langfristig refinanziert ist. Damit lehnt sich dieser Ansatz an die „Goldenen Bankregel“. Derzeit refinanzieren Banken einen Teil ihrer langfristigen Kredite bekanntlich aus kurzfristiger Geldbeschaffung, was wie im Fall der Hypo Real Estate zu einem großen Problem werden kann, wenn die Refinanzierung nicht klappt. Die NSFR soll daher die Fristentransformation erschweren. Die NSFR ist derzeit lediglich eine meldepflichte Kennziffer, die bis 2018 beobachtet werden soll. Erst danach sollen verbindliche Grenzen festgelegt werden. Auch wenn die LCR erst ab 2014 umzusetzen ist, stellen sich Banken bereits heute darauf ein.

In einer Banken-Umfrage der Fachhochschule des Mittelstands (FHM), Bielefeld, gaben 17  Institute an, bis dahin Investitionsentscheidungen zunächst zurückstellen zu wollen. “Ein mögliches Motiv könnte darin liegen, dass noch nicht genau bekannt ist, welche Wertpapiere  für die LCR anrechenbar sind. 42 Institute nehmen eine Ausweitung des Kreditgeschäfts vor. Das lässt darauf schließen, das Kredite unter Risiko‐/Ertragsgesichtspunkten im Vergleich zur Wertpapieranlage attraktiver erscheinen. Einige Institutsvertreter finden die Risiken im Kreditgeschäft überschaubarer als bei der Wertpapieranlage, schreiben die Autoren der Studie.

Das klingt nach einer erfreulichen Botschaft für die Unternehmensfinanzierung. Kritisch wird freilich angemerkt, dass die LCR Banken eher zum Kauf von Staatsanleihen zwingt, da nur diese Wertpapiere  zur hochliquiden Aktiva gezählt werden. Damit werden Staatsanleihen ungerechtfertigt bevorzugt. Dies ärgert die Banken, weil ihre Verzinsung niedrig ist und das Ausfallrisiko bei einem Teil der Staatsanleihen als hoch eingeschätzt wird. Wie schon bei den Eigenkapitalregeln, diskriminieren die Liquiditätsregeln von Basel III mittel- bis langfristige Kredite an Unternehmen.

Unternehmenskredite gehören, wenn sie nicht über handelbare Anleihen verbrieft sind, zu den nicht kurzfristig liquidierbaren Positionen. Langfristige Kredite verschlechtern außerdem die NSFR und müssen entsprechend langfristig refinanziert werden. Hält an den Kapitalmärkten die Situation an, dass sich Banken nicht langfristig refinanzieren können, wird dies Kredite mit langen Laufzeiten erheblich einschränken oder sogar unmöglich machen. Förderlich für die Anrechnung sind dagegen Kredite, die Banken monatlich ohne besonderen Grund kündigen könnten. Diese liegen aber nicht im Interesse der Unternehmen, zumal sie dann neben dem Refinanzierungs- auch noch das Zinsrisiko tragen.

Ich sehe aktuell zwar kein Grund zur Unruhe, dennoch sollten Unternehmen genau beobachten, wie die eigenen Banken auf Basel III reagieren. So rechne ich z.B. mit einer wieder steigenden Tendenz zur Verbriefung von Krediten. Verpacken Banken viele Unternehmensfinanzierungen etwa in einem Asset Backed Security, dann können sie damit die Handelbarkeit dieser Kredite erhöhen. Für Unternehmen erwachsen daraus aber erhebliche zusätzliche Anforderungen, weil potentielle ABS-Investoren mittlerweile hohe Qualitätskriterien an das verbriefte Material stellen und im Rahmen einer Due-Diligence auch mal Einzelfinanzierungsverträge prüfen wollen. Das dürfte längst nicht jedem Unternehmen schmecken.

Ich denke, wir werden in den nächsten Monaten und Jahren noch viel über die Wirkungen von Basel III lesen. Wir werden sicher einige neue Finanzinstrumente sehen, mit denen Basel III-konform die Unternehmensfinanzierung sichergestellt werden soll. In jedem Fall steigen die Ansprüche an das Bonitätsmanagement in Unternehmen.

Zur Vertiefung

Diesen Beitrag habe ich ursprünglich für die Webseite der CFOWorld geschrieben.

dels Dezember 1, 2011 um 21:55 Uhr

@Tim Schäfer
Sehe ich absolut genau so. Die Bankbilanzen sagen derzeit so gut wie gar nichts aus. Abzulesen ist das an den Marktwerten, die deutlich unter den Buchwerten der Häuser liegen. Eigentlich müssten die Banken von sich aus mehr Informationen zur Verfügung stellen, um die Marktwerte zu verbessern. Aber weil sie das nicht tun, liegt die Vermutung nahe, dass wirklich mehr Risiken in den Buchungswerken schlummern, als derzeit eingeräumt wird.

Tim Schäfer NYC Dezember 1, 2011 um 18:57 Uhr

Diese ganzen Bankbilanzen kann doch kein Mensch verstehen. Woher will ich als Außenstehender wissen, wie etwa die Bank ihre Kredite vergibt? Ich sehe ja nicht das Kreditbuch mit all den Kreditnehmern. Das wäre zum Beispiel eine wertvolle Hilfe.

Die Bilanzen der Banken sind ein Buch mit sieben Siegeln. Und die paar Sätze der Wirtschaftsprüfer am Ende des Geschäftsberichts sind ein Witz. In den Testaten steht ja meist nix, was von Wert für den Anleger wäre.

Ich frage mich, wie all die Analysten ihre Urteile zu den Bankaktien fällen.

Manchmal gehen die Analysten einen Umweg. So sagte mir kürzlich ein US-Bank-Analyst, dass die Pensionskasse von Wells Fargo am konservativsten von allen Großbanken in den USA gemanagt werde. So schlussfolgerte der Analyst, dass demzufolge das Management extrem konservativ sein muss, was wiederum ein Vorteil für die Bank sein muss.

n i g e c u s November 28, 2011 um 08:12 Uhr

Staatsanleihen und Pfandbriefe werden als Higher Liquid Asset in CRD klassifiziert. Der Rest ist es nicht.
Am aktuellen Beispiel in Europa wird aber klar, dass Marktliquiditat nichts gottgegebenes ist. Insbesondere wenn Staatsanleihen aufgrund unklarer Geldpolitik nicht die Annahme erfüllen „Risikos“ zu sein.

Ich denke das Geldpolitik und Banken vergessen haben dass ihr Hauptziel ist der Wirtschaft und im konkreten Unternehmen (inkl. Natürliche Personen als Wirtschaftssubjekte) eine Finanzdienstleistung anzubieten, die es ermöglicht Produkte und DLs herzustellen die die Lebensqualität der Menschen auf dieser Welt erhöht. Vielleicht sollte die Politik sich mal zurücklehnen und selbst fragen warum man das ganze Zeug macht.

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