The Next Big Sp(T)ender: Die 200 Mrd. EURO-Subvention der EZB für „notleidende“ Banken

by Dirk Elsner on 13. Februar 2012

In der Zeit vor der Finanzkrise war die Geldpolitik der Zentralbank ja nur etwas für volkswirtschaftliche Seminare. Mittlerweile ist die Offenmarktpolitik der Zentralbanken aber richtig heiß geworden. Und selten zuvor wurde wochenlang im Vorfeld einer angekündigten geldpolitischen Maßnahme so intensiv diskutiert, wie vor dem nächsten bereits im Dezember angekündigten Drei-Jahres-Tender. Bei diesem Tender leiht die Europäische Zentralbank (EZB) Geschäftsbanken im Euroraum für einen festgelegten Zeitraum Geld und verlangt dafür bestimmte Sicherheiten.

Bereits Ende Dezember hatte die EZB über dieses Verfahren Banken im Euroraum 489,2 Milliarden Euro für drei Jahre zur Verfügung gestellt. Dafür zahlen die Institute einen Zinssatz von 1%. Für den Tender im Februar wird mittlerweile eine deutliche höhere Inanspruchnahme erwartet. Das Wall Street Journal nannte unter Bezug auf Beobachter 1 Billion Euro. Ich halte die Summe nicht für so unrealistisch. Offizielles Ziel die geldpolitischen Stütze sollte eigentlich die Abwendung einer Kreditklemme in den Eurokrisenländern sein. Dazu hätten die Geschäftsbanken die von der EZB erhaltene Mittel zumindest zum Teil als Kredite an Nichtbanken weiterreichen müssen. Dies ist bisher nicht geschehen. Ich hatte letzte Woche darüber spekuliert, ob die Banken aufgrund der Anreizstruktur des Tenders nicht sogar Geld aus dem Kreditgeschäft abziehen (siehe dazu auch die beeindruckende Zusammenstellung im FTD Wirtschaftswunder am Beispiel Italien: Italienische Beklemmungen – eine Krisenschau in sieben Charts).

In Finanzkreisen wird das ähnlich gesehen, nämlich, dass Banken erst einmal die Tender-Milliarden in Staatsanleihen stecken und nicht in Kredite für die Realwirtschaft, um

  1. die attraktiven Margen aus dem Doppeltender mitzunehmen und
  2. die erworbenen Staatsanleihen für die bereits angekündigte nächste Tender-Runde wieder als Sicherheiten einreichen zu können. Der Sicherheitspuffer für Staatsanleihen ist nämlich deutlich geringer als für Kredite an den Privatsektor

Mittlerweile ärgern sich Institute, dass sie nicht bereits den ersten Tender in Anspruch genommen haben. Das Tenderprogramm stellt nämlich nichts anderes als eine hinter geldpolitischen und banktechnischen Fachbegriffen versteckte gewaltige Subvention für den Finanzsektor dar. Dies wird mittlerweile auch in der Bankbranche so gesehen. Dazu schrieb vergangene Woche die FTD in ihrer Printausgabe:

“Deutsche Kreditinstitute hadern zunehmend mit verpassten Gewinnchancen, weil sie sich aus der ersten großen Geldspritze der Europäischen Zentralbank (EZB) im Dezember kaum bedient haben. „Wir haben schweren Herzens nicht an dem EZB-Tender teilgenommen, weil das letztlich nur Kreditersatzgeschäft ist. Das wird sich aber in unserer Gewinn-und-Verlust-Rechnung niederschlagen. Das ist entgangener Gewinn“, sagte Gerd Häusler, Vorstandschef der BayernLB.”

Michael Seufert, Analyst der Nord/LB, spricht sogar ganz offen davon, man könne gar von einer Subventionierung des Bankensystems sprechen.

Aber wie hoch ist nun die Subventionierung durch die EZB? Machen wir eine kleine vereinfachte Berechnung und unterstellen, der nächste Tender wird wieder so in Anspruch genommen, wie im Dezember (siehe dazu Grafik in diesem Artikel auf FAZ.net). Weiter nehme ich an, dass die jeweiligen Banken in einen Laufzeitenmix an Staatsanleihen ihrer jeweiligen Heimatländer investieren. Wie dieser Mix im Durchschnitt verzinst wird, kann man hier in der ECB-Statistik ablesen. Ich unterstelle zur Vereinfachung, dass sonstige Länder das aufgenommene Geld in deutsche Staatsanleihen investieren und habe die Zinsen noch etwas abgerundet . Dann könnte eine Berechnung wie folgt aussehen:

Angaben in Mrd. Euro Tender 1 490,00 € 22.12.2011
Tender 2 800,00 € 3.1.2012
Land Anteil Tender 1 Tender 2 Anlagezins Zinserlös p.a.
Italien 33% 161,70 € 264,00 € 6,50% 27,67 €
Spanien 17% 83,30 € 136,00 € 5,40% 11,84 €
Irland 16% 78,40 € 128,00 € 7,70% 15,89 €
Portugal 9% 44,10 € 72,00 € 13,80% 16,02 €
Belgien 4% 19,60 € 32,00 € 4,10% 2,12 €
Sonstige 21% 102,90 € 168,00 € 1,80% 4,88 €
Summe   490,00 € 800,00 €   78,42 €
Zinsaufwand 1% -4,90 € -8,00 € —> -12,90 €
Bruttomarge ———————————————————–> 65,52 €
für 3 Jahre ———————————————————–> 196,56 €

Nach dieser Berechnung landet man bei einer kumulierten Bruttomarge von 196 Mrd. Euro. Wird der nächste Tender tatsächlich mit einer Billion Euro in Anspruch genommen, dann errechnet sich daraus sogar eine Bruttomarge von 227 Mrd. Euro. Klar, man könnte den Anlagezins auch anders ansetzen, nämlich nur den 3-Jahres-Satz der jeweiligen Länder. Besser, man würde die jeweiligen

Refinanzierungssätze der jeweiligen Banken für gedeckte Anleihen ansetzen. Das spielt aber für die grundsätzliche Betrachtung keine Rolle und wird sicher noch von Fachleuten mit entsprechende Zeitbudgets ausgerechnet. Mir geht es hier nur um die Größenordnung staatlicher Zuschüsse. Und die sind gewaltig. 

Eine wirkliche Rechtfertigung für diese Subvention habe ich noch nicht gehört. Man hätte eine Subventionierung in dieser Höhe vermeiden können, wenn die EZB die Zinsen marktkonform festgelegt hätte. Das hat sie aber nicht. Stattdessen zahlen alle Banken unabhängig von ihrer Bonität bzw. ihrer Leistungsfähigkeit den gleichen Preis (ordnungspolitisch ist das Wahnsinn). Kein Wunder, dass die Häuser (freilich etwas spät) aufschreien, die diese Hilfe nicht in Anspruch genommen haben. Und endlich entdecken auch Ökonomen die besondere Gefahr dieser „Fördermaßnahme“, wie heute ein Beitrag der New York Times unterstreicht: Economists Warn of Long-Term Perils in Rescue of Europe’s Banks

Eigentlich könnte man hier sogar von einer Beihilfe im eu-rechtlichen Sinn sprechen. Das sind bekanntlich sämtliche staatlichen oder aus staatlichen Mitteln gewährten direkten oder indirekten Vorteile, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige (Branchen) den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Interessant an dieser Subvention ist, dass sie die Steuerzahler im Prinzip nichts kostet, wenn die Banken die Kredite zurückzahlen. Hat aber schon einmal jemand darüber nachgedacht, dass diese „Subvention aus dem Nichts“ wiederum eine nicht unerhebliche Inflationsfördermaßnahme sein könnte?

Damit die kriselnden Banken überhaupt in den Genuss dieses leckeren Angebots der EZB kommen, war es außerdem notwendig, dass die Zentralbank die Sicherheitenklemme löst. Am vergangenen Donnerstag hat die EZB die früher einmal sehr strengen Anforderungen an die Wertgegenstände bzw. Wertpapiere, die eine Notenbank als Sicherheit hereinnimmt, weiter gelockert. Dabei entscheiden die jeweils nationalen Notenbanken über die Haircut genannten Abschläge (siehe FTD: “Toxische Wertpapiere Notenbanken sollen Müll schlucken”). Die Höhe der jeweiligen Abschläge auf private Kredite, die als Sicherheiten werden, hat Alphaville in Those haircut-heavy credit claims zusammengestellt).

Den von der FTD verwendeten Begriff toxisch finde ich in diesem Zusammenhang übrigens nicht angemessen. Der Begriff war ursprünglich im Zusammenhang mit US-Subprime-Kredite kreiert worden, also Hypothekardarlehen an Kreditnehmer mit niedriger Bonität. Bei der Lockerung der EZB-Bestimmungen geht es aber darum auch Kreditforderungen an mittelständische Unternehmen als Sicherheiten an die EZB abtreten zu können.

Nachtrag

Bloomberg kommt heute in Draghi $158B Free Lunch Boosts Bank Profits übrigens auch zu einer Schätzung. Dort kommt man nur auf einen Free Lunch im Umfang von 120 Mrd. Euro für das Bankensystem. Der Grund liegt darin, dass hier nur mit 4,3% Anlagezins gerechnet wurde. Man geht hier von einer Inanspruchnahme von insgesamt (Dezember und Februar) von 1,2 Billionen Euro aus. Das sind unvorstellbar Zuschüsse für die Finanzbranche, die zu einem erheblichen Kursanstieg der Bankaktien in diesem Jahr geführt haben (Danke Alex für die Quotes).

Und auch Egghat nimmt sich in einem Kommentar diesen Eintrag vor und differenziert noch etwas meine Argumente in 200 Mrd. Euro „Free Lunch“ für die Banken durch EZB-Tender?

Lesenswerte dazu auch der Artikel auf Alphaville: LTRO credit claims, not so carry trade Dort sind einige Einschätzungen von Banken zusammen getragen, u.a. die von JPMorgan, die glauben, dass es nicht genügend freie Sicherheiten gibt, um den nächsten  Tender auf 1 Billion Euro aufzublasen.

 

 

André Kühnlenz Februar 14, 2012 um 08:44 Uhr

Der Punkt ist doch aber, dass Anleihekäufe nicht die Überschussliquidität des gesamten Banksektors senken, weil am Ende landet das Geld immer auf einem Bankkonto und damit in der Einlagenfazilität der EZB. Das heißt, einige Banken können die 500 Mrd. Euro in Staatsanleihen anlegen und profitieren vom Carry Trade, andere Banken bekommen aber nur 0,25% der Einlagenfazilität, wobei bei letzteren die Refinanzierungskosten in Form von Zinsen auf ihre Einlagen zu Buche schlagen. Könnte es nicht sein, dass sich das also am Ende alles ausgleicht und wir es hier eher mit einem Nulllsummenspiel zu tun haben – allerdings mit positiven Nebeneffekten wie sinkende Anleiherenditen und eventuell negativen Effekten, wie eingeschränkte Kreditvergabe an die Realwirtschaft…

André Kühnlenz Februar 14, 2012 um 07:58 Uhr

Noch eine andere Anmerkung: Wenn Bank A das Geld von der EZB nimmt und damit sagen wir für 1 Mrd. Euro Anleihen von Bank B kauft, dann liegt doch das Geld am Ende bei Bank B, die gar nichts mehr von der schönen Rendite hat. Am Ende muss Bank B oder wer auch immer am Ende übrig bleibt, das Geld wieder für die Übernachteinlage zur EZB bringen. Sie kann das versuchen, am nächten Tag eine Anleihen zu kaufen. Was wir sehen ist: ein stärkerer Handel mit Anleihen (Nachfrage steigt und lässt Zinsen senken) – die Überschussliquidität nimmt aber nicht ab.

Kann man dann immer noch von einem Free Lunch für das Bankensystem als Ganzes reden? Oder gibt es am Ende nicht immer auch Gewinner und Verlierer und das gleicht sich irgendwie aus… Was meint Ihr?

Dirk Elsner Februar 14, 2012 um 08:28 Uhr

Interessant, dass was Du ansprichst würde ich ja als Zweitrundeneffekt ansehen. Den Free Lunch hat erst einmal Bank A, die die günstige Refinanzierung in Anspruch nimmt. Bank B hat in Deinem Beispiel dadurch einen positiven Effekt, dass es durch die „Geldschwemme“ Nachfrage nach ihren Anleihen gibt und somit der Zins sinkt.

Um den wirklichen Free Lunch zu ermittlen müsste man im Prinzip den Zustand mit dem Tera-Tender vergleichen mit einem Zustand mit „normaler“ Geldpolitik, wie auch immer man diese definiert.

Letztlich gibt es ja verschiedenste Szenarien der Mittelverwendung, die aber alle Einfluss auf die GuV haben. So könnte man z.B. den durch die zusätzliche Nachfrage nach Anleihen entstehenden Kursgewinne ebenfalls als Zuschreibung verbuchen. Davon provitieren übrigens ja auch Institute, die den Tender nicht in Anspruch genommen haben. Die Staaten oder andere Schuldner profitieren ebenfalls in Form gesunkener Zinsen.

egghat Februar 14, 2012 um 09:47 Uhr

Bin nicht ganz sicher, ob ich dich richtig verstehe …

Aber wenn, würde ich sagen: Hängt vom Zins ab …

Angenommen Geld von der EZB kostet 1%, Banken untereinander leihen sich Geld zu 3%. Bank A leiht sich nun zu 1% das Geld von der EZB (und holt es sich nicht zu 3% am Markt) und kauft damit Anleihen von Bank B, die mit 3% rentieren, hat Bank A die Rendite. Sobald die Rendite der Anleihen von Bank B sinkt, teilen sich die Banken die Rendite. Das Problem ist natürlich, dass durch die Marktverzerrung , die der niedrige Zentralbankzins auslöst, der „urspüngliche“ oder „normale“ Marktzins nicht mehr feststellbar ist …

Anders gesagt: Wenn die Banken keinen Zinsvorteil durch die Anspruchnahme des Notenbankzinses hätten, würden sie es nicht machen. Also gehe ich im Umkehrschluss davon aus, dass es einen Vorteil gibt und damit auch einen Free Lunch.

(Das „Problem“ ist normalerweise auch nicht so drängend. a) sind die Summen sonst *viel* niedriger, b) sind die Laufzeiten normalerweise kürzer, die Banken können den Vorteil also nur für einen kleineren Teil ihrer (hoffentlich halbwegs) laufzeitenkongruenten Finanzierung ziehen und c) ist der Unterschied zwischen Notenbankzins und (vermeintlich) sicherer und bei der EZB hinterlegbarer Staatsanleihe (also das Free Lunch, für das ich als Bank nicht wirklich arbeiten muss) viel kleiner.

Dirk Elsner Februar 14, 2012 um 10:00 Uhr

Absolut richtig verstanden und ausgezeichnet ergänzt. Die EZB könnte die Maßnahme ja auch mit marktgerechten Zinsen durchführen.
Andererseits könnte man allerdings auch zur Marktgerechtigkeit einwenden, dass die Zinsen für vergleichbare Laufzeiten gemäß Statistik der Umlaufsrenditen der Bundesbank auch bei ca. 1% liegen. Offiziell zumindest gelten die Kreditaufnahmen bei der EZB ja als quasi risikofrei durch die Besicherung. Wenn sie das allerdings wirklich wäre, dann müßten sich Banken allerdings auch am Markt zu identischen Konditionen refinanzieren können. Funktioniert ja offenbar nicht.

egghat Februar 14, 2012 um 11:34 Uhr

Klar, liegt der Marktzins in der Nähe dessen, was die EZB verlangt. Es macht ja auch keinen Sinn für eine Bank, sich für 1,5% Zinsen Geld „woanders“ zu liehen, wenn es zu 1,0 Geld in Frankfurt gibt.

Was ich sagen will: Den marktgerechten Zins kannst du nicht mehr messen, weil die EZB mit ihrem Zins das gesamte Zinsniveau nach unten (oder auch nach oben) zieht. Niemand weiss wo der liegt. Allerdings kann man sich relativ sicher sein, dass er aktuell bei CDS Preisen von weit über 200 für die großen Banken über 1,0% liegen würde. Wobei nun ja, die sind ja unbesichert, nicht besichert wie das Geld von der EZB. Wo liegen die Zinsen für unbesicherte Bankanleihen im Moment? Es gab ja wieder einige in der letzten Zeit.

egghat Februar 13, 2012 um 14:56 Uhr

Sehr gute Idee, das mal durchzurechnen.

Ich würde eine Sache anmerken: Die 498 Mrd. waren damals der Bruttozufluss, es war defakto aber weniger neues Geld, weil damals auch alte Geschäft ausgelaufen sind. IIRC habe ich das auch mal verbloggt, finde es aber nicht wieder. Es waren netto IIRC eher 300 Milliarden Euro. Und noch IIRCiger: Alex Kniss kam glaube ich sogar nur auf etwa 200 Milliarden Euro, die netto zugeflossen sind.

(ich mach aus dem Kommentar noch einen kurzen Eintrag bei tumblr, damit du einen Rivva Link bekommst 🙂 ).
Das, was du berechnest, ist also nur ein zusätzlicher Zufluss. Die grundsätzliche Subvention gibt es immer. Banken leihen sich halt immer zu wenig Prozent Geld bei der EZB und verleihen es zu viel Prozent weiter. Man kann darüber streiten, ob man das Subvention nennt oder nicht. Und genauso, ob mit dem oben genannten Ablauf nicht das gesamte System der Geldschöpfung über Noten- und Geschäftsbanken in Frage zu stellen ist.

Dirk Elsner Februar 13, 2012 um 16:54 Uhr

Das mit dem Nettozufluss kann man so sehen. Entscheidend ist aber hier, dass hier quasi unbegrenzte Mittel angeboten werden. Ansonsten kann ich aber in meiner nun gebauten Excel-Tabelle alle möglichen Werte eintragen 😉
Es kommt ja auf das Grundprinzip und nicht den exakten Betrag an. Der lässt sich ohnehin durch die Intransparenz nicht ermitteln.
Ich dachte ja, der Gedanken, dies als Subventionierung zu sehen, hätte ich ursprünglich exklusiv. Mittlerweile sehen dies aber diverse Banker ebenfalls so.

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