Nach Landtagswahl im Saarland werden Piraten ernst genommen und brauchen ein wirtschaftspolitisches Profil (+ Presseschau)

by Dirk Elsner on 26. März 2012

Das amtliche Endergebnis der Landtagswahl im Saarland spricht für sich (siehe unten). Die Piraten haben die frühere erste liberale Kraft in Deutschland pulverisiert: Aus dem Stand erreichten sie 7,4% und deklassierten die FDP auf 1,2%. Die Liberalen lagen gestern einzig bei Twitter unter dem Hashtag #fdp deutlich vor allen anderen Parteien.

Die FDP hat in den letzten Jahren rein gar nichts geliefert und erhält zu Recht die Quittung für die Zurückhaltung bei ihren Kernthemen: Bürgerrechte und Wirtschaft. Das ist eigentlich erstaunlich, denn die Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2007 hat der Partei zig Steilvorlagen geliefert, die sie alle nicht genutzt hat. Und ebenso keine erkennbares Profil gibt sich die Partei bei dem Bürgerrechtsthema Netzpolitik. Bei Netzpolitik haben die Piraten eindeutig eine Kernkompetenz und verstehen wohl derzeit als einzige Partei, was sich wirklich im Netz tut und wie die Digital Natives denken.

Die Piraten muss man ernst nehmen”, titelt RP Online. Das sehe ich ebenso. Wenn sich die Piraten etablieren wollen, dann müssen sie aber auch wirtschaftspolitisches Profil erkennen lassen. Möglicherweise sagen Kenner der Partei, dass sie das längst haben. Ich kann das noch nicht erkennen. Das ist derzeit noch nicht dramatisch, denn die neue Partei hat noch Zeit, sich eine entsprechende Programmatik zu geben und die anhand der Wirtschaftspraxis einzuschleifen. Für die Landtagswahl im Mai in NRW werde ich mir aber genau anschauen, mit welchen wirtschaftspolitischen Themen sich die NRW-Piraten positionieren werden.

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Ich freue mich, wenn Ihr mir über Twitter oder Google+ folgt. Dort können wir auch gern noch weiter diskutieren.

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Reaktionen

FTD: Saar-Wähler schaffen FDP ab

SZ: Strahlende Siegerin mit gedemütigtem Juniorpartner

Blog Tagesschau: FDP: Spurensuchen

Wirtschaftsphilosoph: Gedanken zur Saarland-Wahl

Kaffee bei mir: Saar-Wahl: Ein Sieg und eine dunkelrote Karte

WSJ: Piratenpartei: Bewährungsprobe im Saarland

Spon: Piraten-Erfolg im Saarland – Die neue Kraft

FTD: Die FDP flieht ins Vergessen

ZEIT: SPD im Saarland Warum Maas zum dritten Mal verliert

SZ: Das Piratennest

HB: Urheberrechtsstreit – Piraten nennen Kritik „absurd und oberflächlich“

Vorläufiges amtliches Endergebnis der Landtagswahl 2012

Quelle: Landeswahlleiterin, Statistisches Amt Saarland

Gegenstand der Nachweisung Stimmen  2012 Stimmen  2009 Diff. zu  2009 in %-Pkt. *
Anzahl % Anzahl %
Wahlberechtigte 797.513 804.622
Wähler 491.603 61,6 544.220 67,6 -6,0
Ungültige 10.354 2,1 9.427 1,7 0,4
Gültige 481.249 97,9 534.793 98,3 -0,4
CDU 169.594 35,2 184.537 34,5 0,7
SPD 147.160 30,6 131.241 24,5 6,0
DIE LINKE 77.612 16,1 113.664 21,3 -5,1
FDP 5.871 1,2 49.064 9,2 -8,0
GRÜNE 24.248 5,0 31.516 5,9 -0,9
FAMILIE 8.393 1,7 10.710 2,0 -0,3
NPD 5.604 1,2 8.099 1,5 -0,3
FREIE WÄHLER 4.172 0,9 0,9
DIREKTE DEMOKRATIE 720 0,1 0,1
Die PARTEI 2.229 0,5 0,5
PIRATEN 35.646 7,4 7,4
Übrige 5.962 1,1

*Es können Rundungsabweichungen auftreten.

nigecus März 28, 2012 um 20:00 Uhr

Muss man denn ein wirtschaftspolitisches Profil haben, um Politik zu machen? Was denn schon Wirtschaftspolitik in Deutschland? Subventionsgelder verteilen und über Verbote/Einschränkungen entscheiden. (1) Wenn eine Firma Geld vom Staat geschenkt bekommt, frage ich mich wie schlecht das Geschäftsmodell sein muss. (2) Die EU ist da ein viel wichtiger Regulierer (z.B. die Standardnormtomate), ansonsten zieht die Karawanne eh weiter (Wenn es so schrecklich ist, dann ist es vielleicht auch gut so).

Der Einfluss von Politik auf wirtschaftliche Entwicklung wird eh vollkommen übertrieben, z.B. wenn bei Wahlkämpfen Politiker mickrig schwankende als politischen Erfolg verkaufen.

Ein wirtschaftspolitisches Profil ist vor allem ein Bekenntnis zu einer Wirtschaftsreligion, oder nicht? (Da können Keynesianische Gedanken in einer Friedman Kirche schonmal zur Exkommunikation führen… ui ui ui) Simple, oberflächige Kochrezepte lassen sich einfacher verkaufen, haben aber weniger damit zu tun eine gute Lösung für das passende Problem zu finden.

Vielleicht ist das Problem der meisten „etablierten“ Parteien für jedes Themenfeld zu fest eingefahrene Glaubensrichtungen pflegen. Religion ist halt für Leute, die faul zu denken sind. Genau unsere Poliker sind alle zu faul 😉

Dirk Elsner März 28, 2012 um 21:47 Uhr

In Deutschland braucht man anscheinend kein wirtschaftspolitisches Profil haben, um Politik zu machen. Ich schaue aber sehr auf ein wirtschaftspolitisches Profil.

Marian Wirth März 26, 2012 um 12:26 Uhr

Wanderung FDP: http://wahlarchiv.tagesschau.de/wahlen/2012-03-25-LT-DE-SL/charts/analyse-wanderung/chart_1836942.png

Wanderung Piraten: http://wahlarchiv.tagesschau.de/wahlen/2012-03-25-LT-DE-SL/charts/analyse-wanderung/chart_1836945.png

Die Piraten haben demnach mehr Stimmen von Schwarz-Gelb als von Rot-Grün abgezogen. Insgesamt haben sie genauso viele Nichtwähler wie schwarz-gelbe Wähler für sich gewonnen: jeweils ca. 8.000

mh März 26, 2012 um 10:30 Uhr

also zum einen bin ich da ganz anderer meinung.. dazu aber später mehr.

wichtiger: lostgen und ich haben und das mal in ansätzen angeschaut in dieser ag wirtschaft und nein… „wir blogger“ sollten da nichts tun. das ist ganz weit weg von dem, was wir so in die welt posaunen.

leider ist am ende vom tag auch bei den piraten nur der institutionalisierte weg möglich und die ganzen onlinedinger sind zeitverschwendung.

mfg
mh

Hansjörg Leichsenring März 26, 2012 um 08:41 Uhr

Vielleicht sollten wir Blogger da mal mitmachen ?!

Dirk Elsner März 26, 2012 um 08:53 Uhr

Interessante Idee 🙂
Ich fange erst einmal an, zu verstehen, ob es überhaupt eine wirtschaftspolitische Programmatik der Piraten gibt.

Dirk Elsner März 26, 2012 um 08:03 Uhr

@Benjamin Gut möglich, dass Du recht hast. Ich habe auch auf die Schnelle keine Informationen über die Wählerwanderung gefunden. Ich beziehe mich jetzt allein auf die frühere Programmatik der FDP auch als Bürgerrechtspartei.
Wirtschaftspolitik gerät ja sowieso dann in der Hintergrund des Wählerinteresses, wenn sich die Wirtschaftslage aufgehellt hat.

Benjamin März 26, 2012 um 07:57 Uhr

Ich bin mir nicht sicher, ob die Piraten die FDP-Stimmen geklaut haben. Die Piraten bedienen eigentlich ein anderes, bestenfalls sozialliberales Klientel. Mit Marktwirtschaft haben die Piraten nicht viel am Hut. Ich halte das katastrophale Abschneiden der FDP eher für eigenverschuldet, aber auch zerquetscht von der Union.
Unabhängig davon, sind die Piraten jetzt tatsächlich eine ernstzunehmende Kraft im politischen Mainstream.
Meine Gedanken stehtn hier: http://aetheryon.de/benjaminschaefer/2012/03/25/nach-der-wahl-im-saarland/

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