Was würde Amazon, Google oder Facebook tun? (2)

by Gastbeitrag on 19. April 2012

Ein kurzes Intro zu Johannes Cremers Gastbeitrag gab es bereits vor zwei Wochen, daher kann er hier gleich mit Teil 2 durchstarten.

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Gastbeitrag von Johannes Cremer*

In meinem Blog vor zwei Wochen zitierte ich eine Rezension von “Serenus Zeitblom”. Er fasste auf Amazon das Buch “Was würde Google tun” von Jeff Jarvis zusammen:

  1. Überlassen Sie Ihren Kunden die Kontrolle – sonst werden Sie Ihre Kunden verlieren
  2. Machen Sie Ihr Unternehmen zur Plattform für die Kunden
  3. Vertrauen Sie der Weisheit der Massen

Heute bespreche ich die Punkte 4 – 7:

  1. Sorgen Sie dafür, dass alles immer noch einfacher wird
  2. Tun Sie nur das, was Sie am besten können, für den Rest gibt es Links
  3. Erkennen Sie Probleme. Und lösen Sie sie
  4. Die Zukunft gehört nicht den Massen-, sondern den Nischenprodukten

zu 4: Sorgen Sie dafür, das alles immer noch einfacher wird.

Wer hat heute noch Interesse – oder besser Lust, eine Bank zu betreten, um sich beraten zu lassen? Wenn man sich den Bankblog vom 21.3.2012 anschaut, wird einer der Gründe, der Vertrauensverlust, deutlich. Schaut man genauer hin, wird ersichtlich, dass selbst das Zurückgewinnen des Vertrauens nicht helfen würde. Wie Sie aus der Studie erkennen, ist Vertrauen hauptsächlich ein Thema für die Gruppe der 40-69-jährigen. Konsequent gedacht müssten sich die um 20-jährigen wohl regelmäßiger von Banken beraten lassen und sich dort einfinden. Sie lächeln bei dem Gedanken? Die jungen Menschen sind wohl nicht regelmäßig bei den Banken, insofern muss es sich in dieser Generation um einen anderen Grund als Vertrauen handeln. Ich frage also meinen 18 jährigen Sohn: „Würdest Du dich in einer Bank wegen Deiner Altersvorsorge beraten lassen?“. Antwort: „Wenn der Berater Ahnung hat!?“. Zweite Frage: „Würdest du in die Bank gehen und dafür dort eine bis anderthalb Stunden verbringen?“ Antwort: „Boah, das ist ja voll lange!“. Zugegeben, die Umfrage ist nicht repräsentativ, aber sie zeigt auf, dass die Generation Facebook ein stark verändertes Kommunikationsverhalten hat und sich anders informiert. Elektronische Kommunikation bedeutet für 20-jährige in erster Linie, Nachrichten zu senden, die sich in der Hälfte der maximalen Zeichenzahl einer SMS oder in der Betreffzeile einer Email unterbringen lassen. Informationen werden sich aus dem (Freundes-)Netz beschafft und dann wird schnell entschieden. Sicherlich nicht immer perfekt, auch nicht bei Finanzprodukten mit Beratung – das zeigt sich dann darin, dass 20-29-jährige das ursprünglich vorhandene Vertrauen an den Bankberater gegenüber den bis 20-jährigen verloren haben.

Für moneymeets bedeutet dass, das social trading der Weg ist, der dieser (Informations-) Bedarfsstruktur der jüngeren Generation entspricht. Über eine Fondssparplanstrategie für 20-jährige lässt sich vom 20-jährigen schneller entscheiden, wenn er bei seinen Freunden schauen kann, wie diese sich entschieden haben – und wie zufrieden sie damit sind. Nun könnte man meinen, dass Social Trading etwas für Menschen bis vielleicht um die 30 Jahre ist. Die für die Banken aus verkäuferischer Sicht wichtige Zielgruppe der 30-60 jährigen ist zur Zeit die wachstumsstärkste Altersgruppe bei Facebook: „Der grösste Zuwachs konnte in der Altersgruppe der 45-54 jährigen (+3.83%) beobachtet werden. Ähnliche Zuwächse findet man in den Altersgruppen der 55-63 jährigen (+3.83%)” berichtete Thomas Hutter in seinem Blog (Anm.: Die Wachstumsraten beziehen sich auf den Oktober 2011).

Social Trading ist also die Möglichkeit schlechthin, Vertrauen zu erhöhen und die Informationsbeschaffung zu vereinfachen – zumindest in der Altersgruppe bis ca. 60 Jahre. (siehe auch Links in “Was Amazon, Google und Facebook tun würden” zum Vertrauen von Verbrauchern zu anderen Verbrauchermeinungen). Das gilt nicht nur für die Zusammensetzung verschiedener Produkte in einem Portfolio (Strategie), sondern auch für einzelne Produkte, gleich ob Bank 1.0- oder Bank 2.0-Produkte.

Social Trading macht guten Rat einfacher erhältlich, vor allem wenn Profis sich animieren lassen, Rat zu geben – und sich vergleichbar dem Wettbewerb anderer Ratgeber zu stellen. Ich verweise unten noch auf das bekannte Zitat von Hilmar Kopper zu seiner individuellen Anlagestrategie.

Social Trading ist auch ein entscheidender Innovationssprung im Hinblick auf Direktbanken. Ich habe mich oft gefragt, warum Direktbanken nicht den Markt schneller abräumen – wenn Preisstellung alleine entscheiden würde, müsste das wohl so sein. Scheinbar fehlen aber zwei Dimensionen bei Direktbanken, die mitentscheidend sind: Die Ratgeberfunktion und die Funktion der Bank-übergreifenden Verbindung im Überblick über meine Finanzentscheidungen. Direktbanken haben insofern in Deutschland den Preiswettbewerb angefacht, was aber letztlich zu einer Zersplitterung der Bankverbindungen, zumindest zu mehreren Bankverbindungen der deutschen Finanzkonsumenten führt(e). Fragen Sie sich einmal selber, wie viele Banken sie nutzen für: Girokonten, Hypothekendarlehen, Tagesgelder, Wertpapieranlage? Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie hierzu nur eine Bank nutzen ist gering. Spätestens wenn Versicherungen ins Spiel kommen, verändert sich die Sicht: Haftpflicht-, Hausrat-, KFZ-, Krankenversicherung etc. beenden spätestens die Bindung an einen Anbieter.

Das lässt mich zu den beiden nächsten Punkt überleiten:

zu 5: Tun Sie nur das, was Sie am besten können, für den Rest gibt es Links

und zu 6: Erkennen Sie Probleme – und lösen Sie sie.

Spannende Frage: Wer kann was am besten – und wer hat die Links oder Tools dazu? Ich würde gerne einmal Banken und Sparkassenvorstände fragen, was deren Kernkompetenz ist: Ist das die Entwicklung oder die Produktion von Bankprodukten? Ist das der Verkauf von Bankprodukten? Ist es die Kompetenz, Kunden zu beraten? Oder ist es die Kompetenz, Bankprodukte zu servicen?

Aus dieser Mehrfachrolle etablierter Banken und Sparkassen in einem Universalbanksystem ergibt sich zwangsläufig, dass die Fokussierung leidet. Immer wenn sich die Produktion über mangelnde Auslastung oder über hohe Lagerbestände beschwert, wird der Druck auf den (eigenen) Vertrieb erhöht. Bitte entschuldigen Sie den hinkenden Vergleich zu produzierenden Unternehmen, genau dieser Vergleich macht das Beispiel aber so plastisch. Geht die Produktion dann fremd, sprich, lässt die eigenen Baufinanzierungsprodukte durch Interhyp und Co. verkaufen, ist der eigene Vertrieb eifersüchtig und fühlt sich kannibalisiert.

Über dessen Schreibtisch hängt ein Schild „Beratung“. Wikipedia definiert Beratung vorwiegend über soziologische Aspekte: Wichtige Stichworte dort sind: „Reputation“ (siehe Vertrauen…); „Machtfreiheit“ (Anmerkung: Das schließt Macht durch psychologisch wirkende verkäuferische Instrumente ein); „Verzicht auf Stellvertretungsinteraktion“ (Bei den Banken widerspricht dem die Vermögensverwaltung oder auch Dachfonds) und „Mündigkeit“ – damit ist gemeint, dass der Beratene selber Expertenwissen mitbringt. Ist Mündigkeit nicht gegeben, sagt Wikipedia „…gerät die Beratung in eine Schieflage, weil sie dann dem Subsidiaritätsprinzip nicht mehr folgen kann. Das unterscheidet die Form der Beratung von jener der Therapie: dass diese eine Nicht-Souveränität in eigenen Belangen in Kauf nehmen kann, ja in vielen Formen geradezu voraussetzt und erzeugt”. Noch ein Grund zum Schmunzeln, weil Therapie das letzte ist, was man den Banken abkaufen würde oder auch was sie beabsichtigen. Spätestens hier wird deutlich, dass Bankberatung nie Beratung im eigentlichen Sinne sein kann. Insofern ist Großbritannien mit dem „Retail Distribution Review“ der FSA http://www.fsa.gov.uk/rdr sehr konsequent bei der Definition von Anforderungen an Beratung und Unterscheidung zum Verkauf. Wir können also gespannt sein, wie in Deutschland MIFID II umgesetzt wird. Vor allem stellt sich die Frage, ob Banken und Sparkassen nicht nur wegen MIFID II sondern auch wegen der Interessenkonflikte vom Universalbankensystem abweichen und sich entscheiden: Für Beratung / Verkauf  und der Schließung der eigenen Produktion – oder für Entwicklung / Produktion und dem b2b-Verkauf.

Service für Bankprodukte ist aus Bankensicht der Service für eigene Produkte. Die Aussage wird einem Bankkaufmann nun die Fragezeichen ins ‘s Display treiben: was auch sonst??? Selbst wenn wir die aus den 70er Jahren stammenden Probleme spartenbezogener Software („Spar“, „Kontokorrent“, „Darlehen“) von Banken außen vor lassen, ist Anspruch im Service, (nur) die eigenen Produkte durch Mitarbeiter in Verkauf und Service zu unterstützen. Ganzheitliche Beratung will aus verkäuferischer Sicht zwar erfahren, welche Wettbewerbsprodukte der Kunde nutzt – der datengestützte Service fällt aber weitestgehend aus. Sicherlich auch deshalb, weil Entwickler von Frontend-Systemen für Banken dazu tendieren, restlos alles, also Kernbankensoftware plus Service- und Beratungsfunktionen in einem System zu integrieren. „Links“ und Schnittstellen (die als problematisch angesehen werden) werden selten genutzt. Selbst Finanzplanungssysteme werden in Bankensoftware eingearbeitet mit der Folge, dass die Nutzung der Gesamtsysteme für die Mitarbeiter extrem schulungsintensiv und damit teuer ist. Wird der Bankberater damit nicht letztlich zum Eingabeassistenten des Kunden in einem Banking-System, dass der Kunde auch selber bedienen könnte? Dann wäre in der Tat Beratung überflüssig. Der Hang von Banken, Berater in ein EDV-System zu pressen, vergrößert zumindest die Gefahr, zum Eingabeassistenten zu werden.

Unsere Kernkompetenz in moneymeets ist, ein System zu konzipieren, in dem Social Trading zwischen allen Marktteilnehmern möglichst gut funktionieren kann. Die Links, die wir nutzen und sinnvoll integrieren, sind:

  1. Einkauf aller relevanten Bank 1.0 Produkte durch den etablierten Großhandel. (Beschaffung)
  2. Angebote an Bank 2.0 Anbieter, Ihre Produkte darzustellen und in den Vergleich zu stellen.
  3. Zusammenfassende Darstellung aller relevanten Kunden-Informationen und Dokumente durch spezialisierte Dienstleister (Service).
  4. Datenlieferanten (die Banken heute auch einsetzen)
  5. professionelle Beratungstools, die Profis heute einsetzen, um fachlich richtige Entscheidungen zu fällen

Wir tragen so dazu bei, Informationen und Tools, die heute professionellen Beratern den Informationsvorsprung gegenüber Ihren Kunden sichern, für alle nutzbar zu machen. Unser Anspruch ist damit der, das Social Trading aus soziologischer Sicht den Begriff Beratung verdient – und natürlich auch dem Kommunikationstrend der Generation Facebook entgegenkommt.

zu 7: Die Zukunft gehört nicht den Massen-, sondern den Nischenprodukten

Wir haben diesen Satz so übersetzt: Die Zukunft gehört den Produkten, die den individuellen Ansprüchen der Konsumenten entsprechen. Der Automobilbau zeigt eine Möglichkeit, wie das gelingen kann: Plattformen und Teile-Gleichheit – daraus muss ein individuelles und neues Produkt entstehen, welches die Ansprüche der Kunden trifft. Permanente Innovation ist für uns in der Automobilindustrie selbstverständlich – auch wenn es uns manchmal nicht schnell genug geht, wenn wir Montags auf die Tankstellenpreise schauen.

Untersuchungen vor einigen Jahren bei Banken belegten, dass die Zahl der genutzten ISIN-Nummern in Kundendepots einige Tausend erreichten. Dies war aber wohl nicht (nur) Ausdruck der individuellen Ansprüche der Bankkunden, sondern der unregulierten Individualität der Bankberater. Spöttisch bemerkten Insider, dass jeder Anlageberater sich für Prof. Harry Markowitz hält. In der Folge entschied die Vertriebssteuerung einer Bank, welches Produkt sich für welche Zielgruppe eignet, welche Absatzmengen zu erreichen sind und abgesetzt werden sollen. Gleichzeitig bemühten sich Banken, das Kostenniveau insbesondere im Retailbereich zu senken und bildeten Berater nicht mehr wie gewohnt breit aus, sondern fokussierten auf die verkäuferischen Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter in Bezug auf die reduzierte Anzahl der Produkte. An der Ertragsschraube wurde gleichzeitig gedreht. Die Folge: Dachfonds, strukturierte Produkte wie bestimmte Arten von Zertifikaten, geschlossene und stark geleveragte Produkte landeten unvermeidlich in den Beständen der Kunden.

Sicherlich vertrauten die Kunden Ihren Beratern auch in einem gegenüber heute paradiesischen Zustand – es ging ja nur aufwärts! Würde ein Profi ineffiziente Produkte in sein Depot nehmen? Hilmar Kopper’s Aussage 2008 war bezeichnend. In “Hart aber Fair” berichtete er, dass er kein einziges Zertifikat in seinem Depot habe. Wir laden Herrn Kopper ein, seine Anlagestruktur in moneymeets abzubilden. Wir sind sicher, dass er nicht nur die beiden Mitstreiter Rudolf Hickel und Anja Kohl als Follower gewinnen würde: “Kein Wunder, dass am Schluss seine beiden härtesten Gegenspieler in der Runde, der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel und die ARD-Bösenexpertin Anja Kohl, ausgerechnet ihm ihr Kapital anvertraut hätten, wenn es darum gehen sollte, es solide anzulegen. Die Frage ist nur: Warum handelten die Banken nicht so, wie es Kopper als eines ihrer Aushängeschilder tut?” schreibt die FAZ in Ihrem Onlineportal.”

Alleine aus diesem Kardinalfehler der (meisten) Banken und Sparkassen, der zu dem Vertrauensverlust führte, konnten sich Bank 2.0 Produkte schneller etablieren. Für Produkte wie P2P-Lending, Crowdfunding und Co. düngten die Banken den Boden mit immer weniger anfassbaren, weniger verstehbaren, teuren und immer weniger effizienten Produkten. Die neuen Bank 2.0 Produkte hätten sicherlich auch so eine Zielgruppe gefunden, weil sie die wichtige Anforderungen von Konsumenten an Bankprodukte erfüllen. Nach dem Zusammenbruch des Vertrauens gegenüber Banken und Bankberatung wuchsen sie jedenfalls erheblich schneller.

Wir glauben bei moneymeets an das Nebeneinander von Bank 1.0 und Bank 2.0 Produkten. Die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Mitgliedes auf moneymeets werden entscheiden, welches Nischen- und welches Massenprodukt gekauft werden. Girokonten und Zahlungsverkehr werden wohl sicher nicht durch Nischenprodukte ersetzt – sie werden sich aber weiter entwickeln und weiter individualisieren. “Links” wie Meniga und Jemstep oder andere werden die Nutzungstiefe der Massenprodukte verstärken, sie weiter individualisieren, Innovationen schaffen – sie aber nicht ablösen.

Fazit: Wir bieten mit moneymeets den Konsumenten von Finanzprodukten Funktionen, die eine Mischung aus Amazon, Facebook und Google-Vorgehensweisen darstellen. Garniert mit absoluter Transparenz sorgen wir dafür, dass

  1. unsere Kunden die Kontrolle haben
  2. wir eine Plattform für unsere Kunden sind
  3. wir der Weisheit der Vielen vertrauen
  4. Banking, Wertpapieren, Versicherung etc. immer noch einfacher wird
  5. wir das tun, was wir am besten können und für den Rest Links anbieten
  6. wir die Probleme erkennen und sie lösen
  7. die Finanzmärkte der Zukunft der Individualität der Konsumenten überlassen

Ich wünsche Ihnen eine gute Woche, bis zum nächsten Mal,

Johannes Cremer

Johannes Cremer ist Geschäftsführer und Gründer der moneymeets GmbH. moneymeets ist ein neues themenbezogenes soziales Netzwerk im Internet für Menschen, die die Qualität ihrer Finanzentscheidungen verbessern möchten. moneymeets wird im 3. Quartal 2012 online gehen. Cremer schreibt im Blog zur Gründung in loser Reihenfolge über Gedanken und Ideen zu Veränderungen im Finanzsektor und seinen Aktivitäten. Dort ist dieser Beitrag zuerst erschienen.

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