Auch diese Finanzmarktregulierung trifft Unternehmen: EMIR für OTC-Derivate

by Dirk Elsner on 18. Dezember 2012

In den letzten Wochen ist ja kurz vor Inkrafttreten von Basel III (geplant war der 1.1.2013) eine muntere Diskussion über den Sinn und Unsinn dieser Regulierung ausgebrochen. Auf die negativen Wirkungen dieser Regeln hatte ich vielfach hingewiesen. Im Schatten von Basel III wird derzeit an der Umsetzung eines anderen Regelwerks gearbeitet, das ebenfalls die Privatwirtschaft stärker trifft, als dies einige Unternehmen glauben. Neben SEPA ist dies das zweite große Thema, das Unternehmen zum Handlungsbedarf wegen Änderungen im Finanzsektor nötigt. Es geht um EMIR.

Das Akronym EMIR steht für European Market Infrastructure Regulation und ist die EU-Verordnung für OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister. Mit EMIR werden einige Kernelemente des G20-Gipfels im Jahr 2009 in Pittsburgh zum außerbörslichen Derivatehandel umgesetzt. Geschäfte in diesen Over-the-Counter-Produkten sollen dadurch transparenter und sicherer werden. Zur Erinnerung: Im September 2008 herrschte sowohl an den Märkten als auch bei Aufsichtsbehörden und Zentralbanken große Unsicherheiten über die offenen Risikopositionen von Banken und anderer Marktteilnehmer insbesondere bei denen von Lehman Brothers und dem Versicherungskonzern AIG (Details zum Hintergrund hier). Was sich in einem Gipfelbeschluss leicht und nachvollziehbar liest, führt in der Konkretisierung wiederum zu einem detailreichen Regelwerk. Dieser besteht aus:

Dabei handelt es sich im Kern um sehr konkrete Anweisungen, wie bestimmte Geschäfte durchzuführen, abzuwickeln und abzusichern sind und wie darüber berichtet werden soll. Mit EMIR wird für standardisierte OTC-Derivate eine Clearingpflicht über so genannte “Zentrale Kontrahenten” eingeführt. Hauptadressat sind zwar zunächst “finanzielle Gegenparteien” in der EU. Aber auch Unternehmen sind von EMIR als “nichtfinanzielle Gegenparteien” betroffen, wenn sie OTC-Derivate handeln und dabei bestimmte Schwellenwerte überschreiten. Sie werden zum Clearing über einen zentralen Kontrahenten verpflichtet, wenn sie in einem größeren Umfang Derivate einsetzen, die nicht zur Absicherung wirtschaftlicher Risiken ihrer Geschäftstätigkeit dienen.

Unabhängig vom Einsatzzweck und von der Schwellenwerten unterliegen aber auch Unternehmen neuen Berichtspflichten, damit sich die Aufsichtsbehörden einen Überblick über Risikopositionen und Vernetzungen bilden können. Alle OTC-Derivatgeschäfte müssen an zentrale Transaktionsregister gemeldet werden. Zusätzlich erhalten Unternehmen bestimmte Vorgaben für das Risikomanagement und bestimmte organisatorische Abläufe. Außerdem sollen Geschäftsbestätigungen möglichst elektronisch erfolgen. Es werden außerdem Fristen vorgegeben, bis zu denen die Geschäfte zu bestätigen sind. Ab August 2014 müssen Unternehmen, die  unterhalb der Schwellenwerte liegen, innerhalb von zwei Tagen bestätigen, überhalb innerhalb eines Tages. Bis dahin gelten Übergangsregelungen.

Zwar sind die Anforderungen an Unternehmen längst nicht so umfangreich, wie an Finanzinstitute. Dennoch können Unternehmen, die OTC-Geschäfte abschließen hier nicht einfach nichts tun. Einerseits machen viele Punkte der EMIR Sinn und sollten ohnehin im Interesse der beteiligten Unternehmen und Banken liegen. Andererseits führt der Detailierungsgrad der Vorgaben dazu, dass OTC-Geschäfte, mit denen Unternehmen etwa Zins-, Währungs- oder Rohstoffrisiken absichern wollen, teurer werden. Die gesetzliche Verankerung führt daneben zu zusätzlichen Compliance-Punkten, um die sich Vorstände und Aufsichtsräte kümmern müssen. Wirtschaftsprüfer werden insbesondere bei Unternehmen, die über den Schwellenwerten liegen, künftig die Einhaltung der neuen Regeln prüfen. Bei bestimmten Verstößen kann es sogar eine Meldung an die Finanzaufsicht geben.


Dieser Beitrag ist eine überarbeitete und aktualisierte Fassung eines Beitrags, den ich für die Webseite der CFOWorld geschrieben.

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