Wie geht es in der Eurokrise weiter?

by Karl-Heinz Thielmann on 11. Januar 2013

Von Karl-Heinz Thielmann*

 

Auch wenn viele der derzeitigen Pressekommentare etwas anderes vermuten lassen: Die Euro-Krise ist nicht die erste und nicht die schwerste Wirtschaftskrise auf dieser Welt. Insbesondere einige Parallelen zur Krise des Europäischen Währungssystems 1992 sind offensichtlich. Die Währungsstabilität innerhalb des europäi­schen Interventionssystems hatte in Ländern wie Großbritannien, Spanien und Italien die wirtschaftlichen Schwächen verstärkt. Italien litt unter den Folgen langjähriger korrupter Regierungen, in Spanien gab es eine Immobilienkrise. Vor 20 Jahren konnten die damaligen Krisenstaaten ihre Probleme allerdings durch Abwertun­gen mildern. Diese Möglichkeit besteht nicht mehr. Deswegen schleppt sich die Krise auch auf entnervende Weise von Station zu Station, die schnelle Lösung kommt nicht.

Wahrscheinlich kann sie auch gar nicht kommen. Denn die Euro-Krise ist nur oberflächlich betrachtet eine Staatsschuldenkrise. Unsolide Staatsfinanzen waren nur in Italien die primäre Ursache der derzeitigen Schwierigkeiten. In Griechenland und Portugal sind sie nur eines von vielen Problemen. In Spanien und Irland hingegen sind die außer Kontrolle geratenen Budgetdefizite Resul­tat der Tatsache, dass der Staat in diesen Ländern einen durch Immobilienspekulationen überschuldeten Privatsektor auffangen muss.

Allen Krisenländern gemeinsam ist, dass sie sich in den ersten 10 Jahren des Euros von ausländischen Kapitalzuflüs­sen abhängig gemacht haben. Wenn das ausländische Kapital nicht mehr fließt oder sogar abgezo­gen wird, haben diese Länder ein Problem. Derzeit gleicht die EZB die Kapitalflüsse aus, doch sie fühlt sich in dieser Rolle zunehmend unwohl.

imageEine weitere Gemeinsamkeit aller Krisenländer ist, dass sie in den vergangenen Jahren relativ zu stärkeren Euroländern wie Deutschland, den Niederlanden oder Österreich kontinuier­lich an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben. Dies wird insbe­sondere deutlich, wenn man sich die Entwicklung der Leistungsbilanzsalden in den europäischen Ländern vor und nach der Einführung des Euros ansieht.

Frankreich, Italien und Irland sind von Überschussnationen zu Defizitnationen geworden. Die Abhängigkeit vom Ausland hat sich also verschlechtert. Allerdings erscheint diese Entwick­lung nicht so dramatisch, dass sie nicht umgekehrt werden könnte.

Die Ausgangsposition von Österreich und Spanien war vor der Einführung des € ähnlich. Beide Nationen hatten Probleme im Außenhandel. Nach der Einführung des € hat sich das Bild eindeutig gewandelt. Während Österreich sich in den Folgejah­ren stark verbessern konnte; stieg die Abhängigkeit Spaniens von ausländischen Importen dramatisch an.

Portugal und Griechenland waren schon vor der Einführung des € international nicht wettbewerbsfähig; ihre Situation hat sich in den vergangenen 10 Jahren noch einmal deutlich verschlechtert.

In allen südeuropäischen Ländern hat zudem eine ausufernde Bürokratie unternehmerische Initiativen behin­dert und den Verfall der Wettbewerbsfähigkeit beschleunigt. Insbesondere in Griechenland hat es einen dramati­schen Verfall der industriellen Basis gegeben.

Der Schlüssel für eine Lösung der Eurokrise liegt deshalb nicht nur in Sparprogrammen. Die strukturellen Unter­schiede zwischen den Euroländern müssen durch eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit vermin­dert werden. Sonst nehmen die Ungleichgewichte weiter zu und sprengen trotz aller Stabilisierungsbemühun­gen irgendwann einmal zwangsläufig die Gemeinschaftswährung.

Doch wie stehen die Chancen in den einzelnen Problemstaaten auf eine Verbesserung ihrer Situation?

 

Griechenland und Portugal haben eine extrem niedrige Arbeitsproduktivität (ca. 50% bzw. 45% des deutschen Niveaus) und sind auf massive Kapitalimporte angewiesen (bei beiden Ländern ca. 10% des Bruttoinlandspro­dukts jährlich). Sie waren nie reif für den Euro und werden es wahrscheinlich auf absehbare Zukunft nicht sein. Sie im Euro zu belassen, heißt für das übrige Europa, diese Länder dauerhaft mit Transfers zu subventionie­ren. Allerdings sind beide Länder im Vergleich zum restlichen Kontinent wirtschaftlich nicht so bedeutsam, dass dies zu dramatischen Belastungen für den Rest der europäischen Wirtschaft führen muss. Beide Länder brauchen vor allem eine Politik, die darauf abzielt, den Abstand den anderen europäischen Län­dern nicht noch größer werden zu lassen. Portugal hat sich hierauf eingelassen und die Vorgaben von EU, IWF und EZB zur Sanierung gewissenhaft umgesetzt. In den jüngsten Außenhandelszahlen zeigt sich auch schon eine gewisse Besserung. Griechenland hingegen scheint im Chaos zu versinken.

Italien hat eine sehr hohe Staatsverschuldung und schwaches Wirtschaftswachstum. Darüber hinaus hat sich die Arbeitsproduktivität in den letzten Jahren graduell verschlechtert und liegt nur noch bei 77% des deut­schen Niveaus. Andererseits hat Italien kein ausuferndes Sozialsystem und eine grundsätzlich gesunde indus­trielle Basis in Norditalien. Die Verschuldung der privaten Haushalte und des Unternehmenssektors sind im internationa­len Vergleich sehr gering. Darüber hinaus hat die Konsolidierung der Staatsfinanzen schon unter Berlusconi begonnen. Ohne Zinszahlungen hätte der italienische Staatshaushalt einen deutlichen Überschuss. Im Jahr 2012 war Italien zudem schon wieder in der Lage, Außenhandelsüberschüsse zu erwirtschaften und sich damit von ausländischen Kapitalimporten wieder unabhängiger zu machen.

Das Hauptproblem von Italien sind derzeit fehlende interne Wachstumsimpulse. Die Sanierung des Staatshaushaltes musste primär durch eine Erhöhung der Einnahmen geschehen; d. h. Steuererhöhungen bzw. eine Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Der Fokus der im Dezember 2011 von der Regierung Monti verkündeten Maßnahmen zu Haushaltssanierung liegt daher auch auf einer Verbesserung der Staatseinnah­men und der Wirtschaftsförderung. Meiner Einschätzung nach hat Italien damit den richtigen Weg eingeschla­gen, wenn auch in Hinblick auf Bürokratieabbau und Wachstumsförderung noch mehr passieren muss, damit das Land den Anschluss an das übrige Europa nicht noch weiter verliert. Auch darf Italien nach Montis Rückzug nicht wieder in die politische Anarchie zurückfallen.

Vor der Einführung des Euro galt Irland als der „keltische Tiger“, eine dynamische Wachstumsnation mit gro­ßer Zukunft. Mit dem Euro wurde der Tiger allerdings fett und überheblich, das „Financial Engineering“ des Finanzplatzes Dublin wurde zunehmend zum Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Exportnation Irland wurde zur Importnation und erhielt massive Zuflüsse spekulativen Kapitals. Das Kartenhaus einer finanzgetriebe­nen Volkswirtschaft brach mit der Krise 2008 zusammen. Die Banken gerieten in Schwierigkei­ten und mussten in der Folge 2010 vom Staat gerettet werden. Dies wiederum hatte zur Folge, dass wiederum der irische Staat mit so hohen Verbindlichkeiten konfrontiert war, dass er ohne ein Hilfspaket der Eurostaaten nicht mehr zahlungsfähig gewesen wäre.

In der Zwischenzeit sind die Exporte wieder erstarkt, die Arbeitsproduktivität hat sich deutlich erhöht. Aller­dings haben sowohl irischer Staat wie auch Privatpersonen und Unternehmen eine im internationalen Ver­gleich immer sehr noch hohe Gesamtverschuldung. Der Abbau dieser Altlast wird eine lange Zeit in Anspruch nehmen, ist aber nicht unmöglich.

Spanien ist derzeit Problemfall Nummer eins in der Eurozone. Und dies, obwohl die Zahlen für das staatliche Haushaltsdefizit im europäischen Vergleich vor kurzem noch relativ gut aussahen und das Land über einige sehr erfolgrei­che multinationale Konzerne verfügt. Kern der Misere ist eine im internationalen Vergleich sehr hohe Verschul­dung des privaten Sektors, die in den vergangenen Jahren zunehmend von ausländischen Kapitalzuflüs­sen finanziert wurde. Spanien ist deshalb wie kein anderes großes Land der Eurozone von Kapitalimpor­ten abhängig. Denn die erfolgreichen spanischen Unternehmen haben in den vergangenen Jahren vor allem im Ausland inves­tiert und dort Arbeitsplätze geschaffen, während sich die Wettbewerbsfähigkeit ihres Heimatlandes während der Eurozeit deutlich verschlechtert hat.

Ähnlich wie Italien hat Spanien im Herbst 2011 eine neue Regierung bekommen. Im Gegensatz zu Italien agierte die konservative Regierung in Madrid aber zunächst relativ zögerlich und ungeschickt. Die zu Beginn ihrer Amtszeit beschlosse­nen Maßnahmen zur Budgetsanierung hatten zunächst nur ungefähr das halbe Volumen wie in Italien, was dann dazu führte, dass weitere Sanierungsmaßnahmen nachgeschoben werden mussten. Des weiteren wurde zu stark auf Einsparungen und zu wenig auf Einnahmeverbesserungen gesetzt, was sich verstärkend auf den Konjunkturabschwung auswirkte.

Beim dringenden Problemfeld Bankensanierung fehlte lange ein überzeugen­des Konzept. Schätzungs­weise 1/3 des Bankensektors ist praktisch bankrott. Vor allem lokale Sparkassen sind hiervon betroffen, weil sie auf maroden Immobilienkrediten sitzen. Diese Tatsache wurde zu lange geleugnet. Erst durch den Druck der Finanzmärkte und unter Zuhilfenahme von EU-Mitteln kann jetzt die dringend benötigte Rekapitalisie­rung des der maroden Banken zustande kommen.

Darüber hinaus wird die Sanierungspolitik durch den spanischen Föderalismus erschwert. Das Ausgabenverhalten der spanischen Regionalregierungen, die ca. 50% aller Staatsausgaben ausmachen, hat sich als intransparent und schwer zu kontrollieren erwiesen. Zwar hat die Zentralregierung reagiert und Verschuldungsgrenzen sowie Sanktionen bei Zielabweichungen eingeführt, dennoch muss sich erst erweisen, ob dies ausreicht.

Das seit Jahrzehnten schwer wiegendste strukturelle Problem Spaniens ist die Regierung Rajoy inzwischen angegangen. Aufgrund eines sehr restriktiven Kündigungsschutzes war der Arbeitsmarkt bisher äußerst unflexi­bel. Während Inhaber eines Arbeitsplatzes auch bei mangelnder Leistung kaum von ihm zu entfernen waren, wurde es zunehmend selbst für hoch qualifizierte Berufsanfänger unmöglich, einen angemessenen Job zu fin­den. Konsequenzen waren eine im internationalen Vergleich immer stärker zurückgehende Arbeitsproduktivi­tät und damit ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, eine Zunahme der Schwarzarbeit und eine sehr hohe Jugend­arbeitslosigkeit (bei unter 25jährigen derzeit ca. 50%). Mit der Senkung von Anforderungen für Abfindun­gen sowie Fördermaßnahmen für die Neueinstellung und die Qualifikation von Jugendlichen geht die Regierung den richtigen Weg. Allerdings wurden die Reformen vor ihrer Verabschiedung verwässert, insbeson­dere, was die Privilegien von Staatsbediensteten betraf. Zudem sind keine schnellen Erfolge zu erwar­ten, die positiven Effekte werden sich erst in einigen Jahren bemerkbar machen.

Angesichts der wirtschaftspolitischen Fehler steckt Spanien auch sehr viel tiefer in der Krise als Italien. Allerdings sind die Schwierigkeiten nicht unlösbar. Das Land leidet derzeit vor allem darunter, dass Politiker beider Lager sich bis vor Kurzem an einer ehrlichen Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Situation vorbeigedrückt haben und schmerzhafte Eingriffe vermieden haben. Jetzt kommen alle Probleme gleichzeitig hoch und müssen von Leuten gelöst werden, die sich völlig unglaubwürdig gemacht haben. Deshalb wird das Land auch mittelfristig von Kapitalimporten abhängig bleiben und damit praktisch auch von der Bereit­schaft europäischer Institutionen, sei es die EZB oder sei es der Rettungsfonds, das Land zu finanzieren.

Wie kann es also in der Eurokrise weitergehen?

 

  • Bei Griechenland und Portugal muss klar sein, dass sie auf Dauer von Transfers aus dem Rest von Europa angewiesen sein werden. Zwei Grundvoraussetzungen hierfür müssen aber gegeben sein: der politi­sche Wille der Geberländer und die Bereitschaft der Nehmerländer zu Strukturreformen, damit die Probleme zumin­dest nicht ausufern. Bei Portugal scheint dies relativ unproblematisch. Bei Griechenland hingegen muss man sich darauf einstellen, dass dieses Land für Hilfszahlungen ein Fass ohne Boden wird.
  • In Italien ist bereits sehr Vieles auf den Weg gebracht worden. Erst bei einer konjunkturellen Erholung wird das Land aber erst wieder den Anschluss an das übrige Europa finden können. Es ist daher unbedingt notwen­dig, dass sich das Augenmerk der Politik von der Haushaltssanierung hin zur Wirtschaftsförderung verschiebt.
  • Irland ist auf dem richtigen Weg, wird allerdings noch lange benötigen, um die Gesamtverschuldung der Volkswirtschaft in den Griff zu bekommen.
  • Spanien braucht vor allem Zeit und Geld, um seine strukturellen Probleme endlich umfassend anzugehen. Dann kann das Land wieder ein vollwertiges Mit­glied der Eurozone zu werden. Dies ist möglich, wird aber mehrere Jahre in Anspruch nehmen und erfor­dert ein konsequentes Vorgehen der spanischen Regierung. Indem sie selbst auf offensichtliche Probleme im Bankensektor und bei den Regionalregierungen nur spät und halbherzig reagierte, hat sie viel Vertrauen ver­spielt. Insbesondere muss endlich ehrlich eingestanden werden, dass die bisherigen Defizitziele zumin­dest unrealistisch sind. Auch Finanzhilfen der europäischen Partner – sei es durch Garantien, EZB-Anleihekäufe oder durch den Rettungsschirm – sind wahrscheinlich notwendig, solange Spanien so stark von Kapitalimporten abhängig ist.
  • Die starken Länder der Eurozone können eine Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit beschleunigen, in dem sie ihre eigene Kostenbasis schwächen, z. B. durch massive Lohnerhöhungen. Auch wenn dies offiziell kategorisch bestritten wird, so zeigt die Unterstützung der Politik für die jüngsten Lohnerhöhungen, dass zumindest in Deutschland dieser Weg jetzt beschritten wird.
  • Eine vielfach unterschätzte Gefahr liegt derzeit darin, dass es in bisher als stabil geltenden Ländern der Eurozone zu ähnlichen Entwicklungen kommt wie in Südeuropa. Frankreich wurde vor einigen Wochen vom Economist zur „Zeitbombe im Herzen von Europa“ erklärt. Wahrscheinlich hat die britische Wirtschaftszeitung mit ihrer Einschätzung vielleicht etwas übertrieben. Fakt ist aber, dass die neu gewählte Regierung Hollande bisher keine sehr glückliche Figur macht und bei vielen Entscheidungen ein grundlegendes Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge vermissen lässt. Noch ist nicht ganz klar, ob der Weg eines destruktiven Populismus weiter beschritten wird oder man sich in Frankreich – wie so häufig in der Vergangenheit – dann doch wieder eher pragmatischen Lösungen zuwendet. Für Verunsicherung sorgt der aktuelle wirtschaftspolitische Kurs allemal. In der Öffentlichkeit fast völlig übersehen werden hingegen die wachsenden Schwierigkeiten eines anderen Euro-Kernlandes. Die Niederlande befinden sich seit dem 4. Quartal 2011 in der Rezession, die Preise am Immobilienmarkt sind nach 15jährigem Boom seit 2008 rückläufig. Auch hier ist abzuwarten, wie sich dies auf die Banken auswirkt, allerdings hat man in Spanien und Irland gesehen, wie eine Immobilienkrise und dann folgende staatliche Auffangmaßnahmen zu einer Explosion bei Staatsschulden führen können.
  • Eine Abwertung des Euro gegenüber US$ und chinesischem Renminbi könnte insbesondere der Exportindustrie in Irland, Spanien und Italien helfen, würde allerdings die inflationären Tendenzen in Deutsch­land noch weiter verstärken.

Ein Fortbestand des Euro ist nur möglich, wenn die Ungleichgewichte zwischen den einzelnen Volkswirtschaf­ten durch Strukturreformen in den Krisenländern vermindert werden. Die Anpassungslast kann dabei aber nicht nur bei den Problemstaaten liegen. Auch wenn kein Politiker dies öffentlich zugeben wird, Deutschland wird sehr wahrscheinlich eine Inflationie­rung hinnehmen müssen.

Will ein kleines Mitgliedsland, wie z. B. Griechenland, die Belastungen nicht tragen, ist seine Beteiligung we­der für den Bestand noch den Erfolg des Euro zwingend notwendig. Angesichts der in Zukunft zu erwartenden Transferzahlungen an Griechenland ist auch fraglich, ob die derzeit von vielen Politikern beschworenen Kos­ten eines Ausstiegs im Vergleich zu den Kosten eines Verbleibs Griechenlands wirklich so hoch sind.

Die Euro-Krise ist für Südeuropa nicht nur sehr schmerzhaft, sie ist auch eine Chance für die Zukunft. Vor 14 Jahren wurde Südostasien von einer weit schweren Schuldenkrise durchgeschüttelt. Vom Aufschwung der Weltwirtschaft in den 80er und 90er Jahren hatten die Länder in dieser Region besonders profitiert, nach Jah­ren stürmischen Wachstums hatten sie aber an Wettbewerbsfähigkeit verloren und ihre Auslandsverschul­dung erhöht. Ähnlich wie in Europa wurde ein Land nach dem anderen von der Krise erfasst, Sparprogramme wurden verabschiedet und scheiterten, IWF-Hilfspakete wurden gegeben, Banken verstaatlicht und rekapitali­siert. Die internationale Presse berichtete über soziale Unruhen und beschwor die Gefahren eines Kollaps für die gesamte Weltwirtschaft. Irgendwann stabilisierte sich die Situation aber wieder, und die betroffe­nen Län­der konnten sich nicht nur erholen, sie wuchsen teilweise stärker als je zuvor. Insbesondere stark betroffene Länder wie Südkorea, Thailand oder Indonesien profitierten im Nachhinein beson­ders von den Reformen. Südkorea hat vom Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt inzwischen das Niveau eines durch­schnittlichen EU-Staates erreicht und schickt sich an, zu den wohlhabendsten Nationen der Welt aufzustei­gen.

Insofern sind auch die Perspektiven für die Euroländer und die Gemeinschaftswährung langfristig besser, als derzeit vielfach vermutet wird. Zumindest in Irland, Italien, Spanien und Portugal hat die Krise die richtigen Anpassungsprozesse in Gang gesetzt. In einigen Jahren können diese Länder wieder erfolgreiche Mitglieder einer wiedererstarkten Eurozone sein. Der Weg dahin wird allerdings nicht einfach.

Der Text ist die aktualisierte und stark überarbeitete Version des Beitrags: „Ist der Euro noch zu retten?“, der am 2.6.2012 in „Mit ruhiger Hand Nr. 2“ (www.mit-ruhiger-hand.de) erschienen ist.

Marunin März 9, 2013 um 12:23 Uhr

Das Lieblingsthema, die so genannte Krise, wird auch hier mal wieder beschrieben. Und das ziemlich einseitig. Lange Rede kurzer Sinn.

Seit wann MUSS denn ein Staat eine Bank retten? Seit wann dürfen Staaten denn nicht insolvent werden? Warum müssen den Verluste sozialisiert werden? Und was soll das bitte mit Marktwirtschaft zu tun haben?

Es wird hier viel über Strukturanpassungsprogramme geschwafelt ohne konkret zu benennen wie denn solche in den unterschiedlichen Ländern aussehen.
Vielseitiger Blog Beitrag der ohne eine einzige Quelle auskommt, ohne wirklich Zahlen zu vergleichen und Zeiträume einzugrenzen und zu benennen. Und das wird dann auch noch hoch gelobt?
@Vorwurf Text sei neoliberal: Ich hab schon schlimmeres gelesen und gehört in diese Richtung. Dennoch konnte der Vorwurf nicht wirklich entkräftet werden. Denn wer offen gegen Arbeitsplatzsicherheit fabuliert, der muss sich auch den Vorwurf neoliberaler Phrasendrescherei gefallen lassen.

Man sollte sich doch mal die Frage beantworten, warum „wir“ Europäer denn alle so wild auf die gemeinsame Währung waren. Und eben auch warum Deutschland zu den führenden Wirtschaften in der Welt gehört.
Das Troika Kürzungsprogramm geht zu Lasten der kleinen Leute, die nicht über ihren Verhältnissen gelebt haben, wie man gerne suggeriert.
Die Defizite der PIIGS, wie sie gerne genannt werden, sind jahrelang unsere Überschüsse gewesen – und da hat keiner groß gejammert.

Hier ein Faß aufzumachen, Deutschland und Italien oder gar Griechenland miteinander vergleichen zu wollen, ohne sich den Vermögen und Sicherheiten zu widmen, der kann sich das abschreiben alt bekannter „Weisheiten“ auch sparen äh kürzen.

Das sich allerdings alle Staaten von den Finanzinstituten erpressen lassen, das lässt mich nicht nur an der proklamierten Marktwirtschaft, sondern auch vehement an unserer Ausprägung der Demokratie zweifeln.

Wer glaubt mit einer solch dummen Wirtschaftspolitik noch Kasse zu machen, der hat immer noch nicht gelernt in der langen Frist zu denken. Das wird noch eine hübsche Katastrophe geben – vor allem für Deutschland. Wer anderen eine Grube…

Guenni7 Januar 14, 2013 um 01:39 Uhr

@Popper
Wenn das, was der Author schreibt „neoliberal“ ist, muß man ihre Schreibweise wohl als „neosozialistisch“ bezeichnen? Ich bin nicht sicher, wer hier einer Ideologie anhängt, ihr agressiver Schreibstil deutet da aber mehr in ihre Richtung.

Das „saldenmechanische Grundprinzip der Ökonomie“ (hört sich toll an…) wurde m.E. sehr wohl vom Author beachtet, denn er ist für die Arbeitskostenabsenkung in den Problemländern, schreibt jedoch auch:

„Die starken Länder der Eurozone können eine Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit beschleunigen, in dem sie ihre eigene Kostenbasis schwächen, z. B. durch massive Lohnerhöhungen. Auch wenn dies offiziell kategorisch bestritten wird, so zeigt die Unterstützung der Politik für die jüngsten Lohnerhöhungen, dass zumindest in Deutschland dieser Weg jetzt beschritten wird.“

Man wird sich in Europa wohl irgendwo in der Mitte zwischen den beiden Extremen treffen.

Häschen Januar 13, 2013 um 14:08 Uhr

Ich finde es sehr schade, dass sich die Welt so seltsam entwickelt.

Der simple Grund für all diese Maßnahmen ist genau der selbe wie zu Beginn des Euros. Billiges Geld. Was war die Vorbedingung
a) Keine Abwertung
b) Kein Default
Darum geht es und sonst gar nichts. Die sog. Neoliberalen brauchen billiges Geld sonst sind sie mit ihrem Latein am Ende, denke aber nicht dass die jemals eine Humanistische Ausbildung haben genossen.

Ich mache ihnen soweit nicht den ‚Vorwurf‘, der bei Herrn Popper durchschien zwischen den Zeilen ganz blass aber doch, blind oder mit Vorsatz Neoliberales Gedankengut in einem Artikel strukturiert zusammenzufassen. Der Verführung und Propaganda lauert an jeder Ecke, es ist schwierig den Überblick zu behalten.

Ich bin kein Ökonom – ein wenig informiert habe ich mich mich wohl, sei es die ersten Schritte mit Vorträgen auf Videos von Bernd Senf bis hin zu Betrachtungen aus U.K. von einer ehem BankerIn Frances Coppola. Die hat just diesen Moment einen Beitrag verfasst, der auch mit diesem Thema anverwandt ist, aber nicht den Euro Raum beleuchtet.

http://coppolacomment.blogspot.co.at/2013/01/consumption-booms-and-austerity.html

Exkurs Europa:

Ich denke es ist egal und es soll sowohl .de als auch .at egal sein können wie sich die südeuropäischen Länder entwickeln und umgekehrt. Sollen diese abwerten, wie sie wollen und sollen. Jeder soll mit seiner Geschwindigkeit voranschreiten.

Sie können sowieso nicht mehr mit der Ausweitung der Geldmenge schritthalten, keiner.

Anstatt Scheinregelungen zu erfinden und die netten Fischer in Spanien dem Wettbewerb auszusetzen könnte man ja eine Europäische U-Petticoat Staffel bilden und die großen schwimmenden Fischfabriken, nachdem die Mannschaft evakuiert und der Treibstoff abgepumpt wurde, einfach versenken, damit die Fischer wieder ruhig ihrem Tagwerk nachgehen können auf der ganzen Welt. Aber von Gemeinschaftssinn ist die EU weit entfernt.

Zusammenzuarbeiten um die Artenvielfalt zu erhalten sei es bei Tieren oder bei Berufen und Unternehmen zu schützen die Regional wertvolle Beiträge leisten. Die Fischerei zu subventionieren macht wenig Sinn, den Fisch zu transportieren nach Westeuropa noch weniger.

Das Beispiel mutet etwas seltsam an und ist auch nicht als Vorbild gedacht. Es geht mir eher darum ein Verständnis für eine friedvolles Zusammenleben in Europa zu entwickeln und dafür zu werben regionale Strukturen aufrecht zu erhalten. Das sehe ich als Chance.

Der aktuell beschrittene und geplant zu beschreitende Weg führt zu keinem Ziel. Die Geldmenge über Staatsverschuldung zu finanzieren führt zu genau dem Ergebnis, das man wollte dadurch vermeiden die Geldmenge über Kredite auf der Privatebene zu verhindern.

.de als Vorbild für Europa, macht keinen Sinn. Die Deutsche Bundesregierung soll schauen, dass es den Deutschen bis Ende der Dekade wieder halbwegs im Rahmen des möglichen besser geht.

Danke, interessanter Artikel.

Karl-Heinz Thielmann Januar 13, 2013 um 08:10 Uhr

Zunächst vielen Dank für die lobenden Worte. Da mein Artikel jedoch anscheinend – wie die Kommentare von „popper“ zeigen – auch gründlich missverstanden wurde, möchte ich doch noch einmal kurz auf das Thema „Sparprogramme“ eingehen. Diese haben in der Tat in der Eurokrise ihre Problematik erwiesen. Zum einen wird der Begriff oft irreführend verwendet, da er sowohl Programme mit Ausgabensenkungen wie Steuererhöhungen umfasst, die jedoch sehr unterschiedlich einzuschätzen sind. Italien hat ein strukturelles Budgetproblem und ist dies mit einem Sparprogramm angegangen, das vor allem auf Einnahmeverbesserungen abzielte. Dies war bisher – soweit ich erkennen kann – relativ erfolgreich. In Spanien ist das Budgetdefizit nicht Grund, sondern Resultat der Krise. Hier haben die Sparmaßnahmen eher wie ein Brandbeschleuniger gewirkt. Auch in Griechenland erscheint es kontraproduktiv, Probleme auf der Einnahmenseite vor allem mit Ausgabensenkungen zu bekämpfen.

Till Januar 12, 2013 um 15:21 Uhr

Ich denke sowohl der Autor als auch „popper“ haben recht. Während der Autor sachlich richtig feststellt, dass das Problem in der Wettbewerbsfähigkeit liegt. Ist seine Schlussfolgerung nur eine Seite der Medaille. Wettbewerbsfähigkeit ist immer relativ. Wir reden von einer hohen Wettbewerbsfähigkeit des Nordens (insbesondere: Deutschland) gegenüber einer niedrigen Wettbewerbsfähigkeit des Südens. Um die Wettbewerbsfähigkeit des Südens zu steigern, muss der Norden Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Dies geht einmal, indem der Süden viel effizienter wird als Deutschland, wie der Artikel nahelegt. Insbesondere durch Lohn- und Rentenkürzungen. Steuererhöhungen sind kontraproduktiv. Auf der anderen Seite und das halte ich für langfristig gesünder und da muss ich „Popper“ zustimmen, indem Deutschland weniger effizient wird. Insbesondere durch Lohn- und Rentenanhebungen. Möglich sind aber auch Steueranhebungen in Deutschland. Erstes würde den deutschen und damit europäischen Binnenmarkt ankurbeln und zusätzlich den Südländern helfen. Mehr dazu unter Die Eurokrise, alles eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit?

Joachim Rybol Juni 13, 2013 um 12:39 Uhr

Das ist ja nun schon alles Monate her, aber dennoch … ich finde dass hier viele Autoren und Kommentatoren zu tun, als gäbe es nur Europa und keinen Rest der Welt. Wenn der „Norden“ Europas, und insbesondere Deutschland Wettbewerbsfähigkeit aufgäbe, dann käme das ja nicht nur dem „Süden“ Europas zugute, sondern vor allem auch anderen Wirtschaftsräumen ( Asien, USA, Südamerika) Per Saldo wäre Europa damit kaum geholfen, ganz im Gegenteil. Den Chinesen wird man sog. „neoliberales“ Wirtschaften wohl kaum ausreden können, nicht mal der Kommentator , der sich ironischerweise das Pseudonym „Popper“ zugelegt hat ( Sir Karl wird sich im Grabe umdrehen vermute ich ).

Dennis Januar 11, 2013 um 02:29 Uhr

Chapeau! Ein Hoch auf den Autoren!
Endlich Mal einer, der nicht allen nach dem Mund redet und sich Mal mit eigenen bzw. anderen Gedanken an die Sache herantraut und einfach Mal logisch analysiert!
Bitte weiter so! Ich werde noch ein richtiger Fan, dieses Blogs!

popper Januar 11, 2013 um 10:14 Uhr

Das, was Sie logische Analyse nennen, ist ein Sammelsurium neoliberaler Weisheiten, die vor lauter marktgläubigen Bäumen den Wald ökonomischer Kern-Realitäten nicht mehr sehen. Wettbewerbsfähigkeit wird in neoliberaler Manier als Wunderheilmittel verkauft, ohne darauf hinzuweisen, dass in einem Wirtschaftsraum mit einheitlicher Währung nur der wettbewerbsfähiger sein kann, der am meisten seine Kosten senkt. Tun das alle, wie derzeit in Europa, verschwindet die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Staten hinter einem statistischen Mittel auf niedrigstem Niveau. Was dann dazu führt, dass die Nachfrage untereinander wegbricht und außereuropäisch gesucht werden muss. Dort gelingt dieses Spielchen des Kostendumpings nicht, weil andere Währungen sich mit Abwertung schützen. D Insoweit kann man den Artikel unter neoliberaler Propaganda abhaken. Sinnstiftendes hat er entgegen ihrer Meinung nicht zu bieten.

Dennis Januar 11, 2013 um 10:27 Uhr

Hm… entweder bin ich jetzt zu blöd oder Sie haben den Artikel gar nicht komplett und aufmerksam genug gelesen. Kann natürlich beides sein. Ich kenne die Wahrheit halt auch nicht. Ich finde nicht, dass der Artikel dem widerspricht, was Sie behaupten bzw. der Autor des Artikels sieht es etwas sachlicher 😉

popper Januar 11, 2013 um 12:21 Uhr

Sachlich falsch ist, dass die „Sparprogramme“: „die richtigen Anpassungsprozesse in Gang gesetzt“ haben. Das sieht inzwischen sogar der Chefvolkswirt des IWF. Zudem ist der Begriff Sparprogramm irreführend. Es handelt sich nicht um Sparen, sondern um ein Kürzen von Löhnen, Renten etc. Das Zurückfahren der Primärverschuldung wird erkauft durch eine Absenkung der Wirtschaftsleistung und weitere Erhöhung der Staatsschuld. Das ist bei Betrachtung der wirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht zielführend, sondern kontraproduktiv. Gerettet werden nicht Volkswirtschaften, sondern deren Gläubiger, die tendenziell den Schaden/Schulden mit verursacht haben. Und wenn der Autor Südostasien als Beispiel anführt, dann redet er von Äpfeln und Birnen. Dort bestand kein einheitlicher Währungsraum, der eine relativ schnelle Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit durch ein Abwerten unterschiedlicher Währungen möglich machte. Der Kern der Problematik wird vom Autor gar nicht berührt. Er bedient sich einer Argumentation, die das saldenmechanische Grundprinzip der Ökonomik, dass die Gewinne des einen immer die Schulden des anderen sind, unberücksichtigt lässt und in neoliberaler Ideologie schwelgt.

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