Die Angst der Banken vor dem Mobile Payment

by Dirk Elsner on 15. Februar 2013

Wenn man vor zwei Jahren Banker auf das Thema Mobile Payment ansprach, erntete man ein Schuldzuckern und selten interessiertes Nachfragen. Das scheint sich mittlerweile geändert zu haben, wenn man den Meldungen über eine leider unveröffentlichte Umfrage einer Unternehmensberatung glauben darf. “Banken fürchten „Paypal“ und Co”, hieß es diese Woche im Handelsblatt. Danach sehen klassische Banken, für Leser dieses Blogs keine Überraschung, ihr Kerngeschäft durch branchenfremde Angebote zur Zahlungsabwicklung und Kreditvergabe bedroht.

Wer das “Bedrohungspotenzial” wirklich verstehen will, der sollte aber eher auf eine Studie aus dem Bankensektor selbst zurück greifen. Thomas F. Dapp vom Research der Deutschen Bank hat nämlich erneut eine unbedingt empfehlenswerte Arbeit vorgelegt, in der er sich mit der Zukunft des (mobilen) Zahlungsverkehrs befasst. Die Studie, die übrigens weiter eine hohe Unabhängigkeit des Research der Deutschen Bank vom Kerngeschäft dokumentiert, gibt tiefe Einblicke in die Versäumnisse der Banken und die Potenziale neuer Wettbewerber.

Dapp, der mir schon vor eineinhalb Jahr durch eine Studie über die digitale Gesellschaft aufgefallen war, schreibt:

“Es ist nicht auszuschließen, dass potenzielle Wettbewerber wie Google, Apple, Amazon, PayPal oder Facebook ihr bisheriges Dienstleistungsangebot ausweiten, um z.B. in den Markt für standardisierte Finanzdienstleistungen einzutreten. Manche der neuen Wettbewerber bauen derzeit neue Geschäftsmodelle im Bereich der mobilen Bezahlsysteme auf. Viele der potenziellen Internetakteure können einen relativ loyalen Kundenstamm in dreistelliger Millionen-höhe (alle Alterskohorten vertreten) vorweisen, breiten sich rasant aus und bieten zunehmend webbasierte Finanzlösungen an – auch oder gerade für mobile Endgeräte. Den neuen Anbietern von mobilen, webbasierten Finanzdienstleistungen gelingt es außergewöhnlich gut, das sich wandelnde Konsummuster und Mediennutzungsverhalten insbesondere der netzaffinen Menschen in ihre Angebote zu integrieren. Sie könnten sich somit künftig als ernstzunehmende Konkurrenten im Markt für standardisierte Finanzdienstleistungen entwickeln. Banken sind daher gut beraten, den digitalen Strukturwandel in ihren jeweiligen Geschäftsmodellen zu berücksichtigen, um adäquate, vor allem aber vom Konsumenten gewünschte, sichere und bequeme mobile Finanzdienstleistungen anzubieten. Klassische Finanzinstitute haben aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung im Umgang mit Sicherheits- und Datenschutzaspekten gerade hier einen komparativen Vorteil, den sie für strategische Weichenstellungen im Wettbewerb um mobile Zahlungsverkehrslösungen nutzen können.

Dapp arbeitet gut heraus, warum der Zahlungsverkehr so wichtig ist und zeigt den Trend weg vom Bargeld. “Im Bereich der mobilen Zahlungen beispielsweise, in dem ein starkes Wachstum prognostiziert wird, haben Nichtbanken im Jahr 2010 bereits 6% der Transaktionen abgewickelt. Bis 2013 wird ein Anstieg auf fast 8% erwartet.”

Regelmäßige Leser dieses Blogs kennen zwar die folgenden Gedanken, aber es erfrischt, sie im Text eines Bankers zu finden:

 

“Mehrere Initiativen, mit denen neue Wettbewerber in den Zahlungsmarkt drängen, könnten die etablierten Geschäftsmodelle der Banken unter Druck bringen. Sie zielen auf den wachsenden digitalen Markt und verfolgen vielfach die Idee, eine integrierte Lösung für Zahlungen im Internet, über das Mobiltelefon und im stationären Handel zu entwickeln. Einige Beispiele: (1) Sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten haben Internetakteure wie PayPal beträchtliche Marktanteile im P2P-Zahlungsverkehr erobert. PayPal hat begonnen, seine Aktivitäten auf weitere Bereiche, wie mobile Zahlungen und Dienstleistungen im stationären Handel (Point of Sale, POS), auszudehnen. (2) Etablierte Wettbewerber wie Kreditkartengesellschaften drängen in den Markt für mobile und Internet-Zahlungen. (3) Große Internetunternehmen wie Google und Amazon, verschiedene Kreditkartengesellschaften und Mobilfunkanbieter entwickeln Angebote auf der Basis neuer Technologien wie NFC. Eine Szenarioanalyse der künftigen Entwicklung des Marktes für Zahlungs- und andere Finanzdienst-leistungen muss deshalb über die isolierte Betrachtung der mobilen Zahlungssysteme hinausgehen – was viele der aktuellen Studien außer Acht lassen.”

Dapp macht aber auch klar, dass man klassische Anbieter nicht abzuschreiben darf und sie weiter eine bedeutende Rolle spielen. Dazu zählt er vor allem die Kreditkartengesellschaften, die ihre Angebote auch auf mobile Bedürfnisse ausrichten. Nebenbei erfährt man übrigens, dass die britische Barclays Bank einst zu den Vorreitern der Kartentechnologie gehörte und hier unter den Banken weiter führend ist.

Dapp spricht seinen Kollegen eine klare Empfehlung aus:

“Vor dem Hintergrund der aufstrebenden digitalen Ökosysteme und deren erfolgreicher Walled-Garden-Strategien ist der Finanzsektor gut beraten, die großen Internetfirmen im Blick zu behalten, weil sie zunehmend ihre Fühler in branchenfremde Segmente (auch in das klassische Bankgeschäft) ausstrecken. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden digitale Ökosysteme vermehrt mit Kreditkartenanbietern und Telekommunikationsunternehmen kollaborieren und strategische Allianzen eingehen, um im Markt für digitales (mobiles) Bezahlen sowie standardisierte Finanzdienstleistungen Marktanteile zu gewinnen.

Als Konsequenz zeichnet er 4 Szenarien für Banken und empfiehlt den Kollegen, rasch zu handeln. Ich gehe davon aus, dass diese Studie in vielen Strategieabteilungen intensiv studiert wird. Ich bin gespannt auf die Reaktionen.

Ulrich KIpper Februar 22, 2013 um 10:56 Uhr

Die Bank gewinnt immer !
Wenn sie es versteht, rechtzeitig die Verfahren zu fördern die zukunftsfähig und skalierbar sind und die bestehenden Prozesse benutzen. Dazu gehört auch alte Zöpfe abzuschneiden. Über 10 Jahre „NFC Piloten“ zeigen doch: das System ist „Not For Commerce“. Es bringt dem Kunden keinen Mehrwert, der zur Akzeptanz führt. Den Focus weiter auf dem Thema zu halten, ist kontraproduktiv. Sie versperrt die Sicht und verunsichert den Handel.

Eine alternative Option bei der der die Bank gewinnt ist z.B. QR Code based payment. Dabei laufen im Hintergrund die normalen Kartenprozessen, d.h. alle (Ertrags-) Strukturen bleiben erhalten. Die Anbindung an Handelskassen braucht keine extra Hardware und verursacht daher beim Retail keine Akzeptanzthematik. Der Endkunde gewinnt die Möglichkeit ausser Instore Payment auch auf dem Flohmarkt, in der Pizzeria und beim Bäcker mit seinem Handy zu bezahlen. Zusätzlich öffnet sich die Option des „Window shopping“ auf allen denkbaren Kanälen, sei es Anzeigen, Kataloge, Schaufenster oder Screens. Die Option des Spontankaufs auch bei geschlossenem Geschäft erlaubt die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung und bietet damit einen echten Mehrwert. Diese Form des Einkaufens und Bezahlens bietet dem Handel die Möglichkeit neue Formate für einen New Urban Commerce zu entwickeln. Die Plattformen dafür existieren und funktionieren heute schon, z.B. GO4Q.

Leo Nauber Februar 21, 2013 um 11:06 Uhr

Ich nehme mal nicht an, dass meine kleine Hausbank meine Zahlungen – Empfänger und wofür ich zahle, Häufigkeit etc. – analysiert. Bei Google, Facebook etc. wäre ich mir da nicht so sicher und befürchte, dass ich dann noch besser profiliert und meine Adresse noch lukrativer vermarktet werden kann.

Andreas Bangemann Februar 16, 2013 um 13:43 Uhr

Das Transaktionsgeschäft ist das eine. Kreative „Geldschöpfungsprozesse“ sind ein noch ganz anderer Bereich von Möglichkeiten.
Fehlt es bei Projekten wie Bitcoin
http://www.humane-wirtschaft.de/digitale_bargeld-anarchisten/
noch einer nachhaltigen Strategie mit System-Relevanz, so zeigt das Beispiel dennoch, was alles möglich sein wird.
Besonders interessant werden leistungsgedeckte Systeme, die für die Emittenten umso attraktiver werden, je stärker das Vertrauen in den Euro sinkt. Derlei Systeme müssen natürlich von Beginn an den größten Wert auf Vertrauen legen und das erreicht man am besten durch klare Regeln und transparente Strukturen.
Voraussetzungen mit denen die Global Player bisher nicht gerade glänzen, was der Hoffnung Nahrung gibt, dass es zu guten dezentralen Lösungen mit völlig neuen Anbietern kommen kann.
Das Thema „Geld der Zukunft“ wird noch eines der spannendsten für Wirtschaftsinteressierte.

Johannes Cremer Februar 15, 2013 um 10:49 Uhr

Der Beitrag zeigt auch auf, wie hilflos die Banken in diesem Segment unterwegs sind. Das Thema Kooperation habe ich vor kurzem auch auf der DLD2013 gehört: http://www.youtube.com/watch?v=Bp6AxojwN60 (leider noch nicht komplett online)
Ich glaube nicht, dass die Banken in einer Kooperation eine Chance auf Erträge haben, weil der Wert, den sie einbringen nicht (also auch nicht „kaum“) vorhanden ist. Die entscheidende Frage ist, was man als Angreifer braucht, um mobiles zahlen zu ermöglichen. Aus meiner Sicht:

a) Akzeptanzstellen (die besitzen die Kreditkartenunternehmen)
b) ein Zahlungsmittel (ob App oder NFC ist egal, beides ist im Mobiltelefon)
c) ein Girokonto (das besitzt der Kunde)

Wo wäre also der Beitrag der Bank? Weder auf a, noch b, noch c hat die Bank einen wirklichen Einfluß. Heute beherrscht sie b) mit Bank- oder Kreditkarten. Ich glaube, dass ein Telecom genug zu tun hat, mit der App (Paypal) in Wettbewerb zu treten. Warum sollte sie dann der Bank einen Platz auf dem NFC-Chip einräumen?? Also außer, damit die Bank diesen Platz zahlt und das Telecom sofort Erlöse erhält, statt laufend aus Zahlungsvorgängen.
Heute teilen sich Banken und Kreditkartenunternehmen die Erlöse. Zukünftig werden sich Telecoms, App-Betreiber und Kreditkartenunternehmen die (geringeren) Erlöse teilen. Den Banken wir das kostenlos abgegebene Girokonto, das mit 50 € Kosten gewonnen wurde, bleiben.

Ok, sehr negativ..dieser Ausblick – also hier die positive Alternative: Die Banken nehmen den Vorteil „Sicherheit“ in die Hand, und entwickeln ein eigenes Verfahren – oder sie kaufen sich Technologie und Markt (Paypal oder ein Telecom)

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