Im Spannungsverhältnis zwischen Kapitalbedarf und Risiko die richtigen Steuerungsimpulse im Kundengeschäft setzen

by Gastbeitrag on 13. März 2013

Gastbeitrag von Mario H. Sladek, TriSolutions GmbH*

Die Folgen der Finanz- und der Schuldenkrise einiger EU-Staaten sind für kaum eine Bank ohne schmerzhafte Einschnitte geblieben. In vielen Häusern wurden zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Kapitalausstattung Programme zum Risikoabbau (De-Risking) beschlossen. Damit wird das Ziel verfolgt, das Eigenkapital zu entlasten und dennoch Spielraum für Geschäfts- und Ertragswachstum zu ermöglichen. Die Ertragssicherung ist eine entscheidende Voraussetzung für das Zahlen von Gehältern und das nachhaltige Aufbringen von Kapitalkosten und Dividenden.

Zusätzlich haben sich die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Qualität und Quantität des regulatorischen Eigenkapitals spürbar erhöht. Durch die als Basel III bekannt gewordenen Regelungen werden die derzeit mindestens geforderten Kernkapitalquoten (also das Verhältnis von Kapital und Risikoaktiva) bis 2019 schrittweise auf nahezu das Dreifache angehoben, um die Banken gegenüber Risiken und Krisen widerstandsfähiger zu machen. Einige Häuser werden darüber hinaus aufgrund ihrer Größe und Bedeutung als systemrelevante Institute eingestuft, wofür in Zukunft besonders hohe Maßstäbe bei der Kapitalausstattung und im Risikomanagement gelten.

Wer mehr als die ohnehin obligatorischen Mindestanforderungen erfüllen möchte, muss die Messlatte bewusst höher legen, um über genügend Spielraum bzw. Risikopuffer zu verfügen und um Investoren, Gläubigern und Kunden – auch in Krisenzeiten bzw. unter Stressszenarien – ein starker und leistungsfähiger Partner zu sein.

Zwischen Ertrag, Risiko und Kapital besteht ein enger Zusammenhang, dessen Balance nicht nur im Vorstand, beim Risikomanagement oder im Rahmen der Risikostrategie, sondern von jedem einzelnen Mitarbeiter im Vertrieb, Geschäftsabwicklung und Produktmanagement verstanden werden muss. Am besten lässt sich das an einem praktischen Beispiel verdeutlichen:

Der Vertrieb akquiriert beispielsweise eine Spareinlage. Der Kunde erhält hierfür in aller Regel einen Zinssatz auf Basis des aktuellen Konditionsangebotes. Damit die Bank einen Ertrag erwirtschaften kann, müssen die Kundengelder – beispielsweise als Kredit – zu einem Zinssatz angelegt werden, der abzüglich des Einstandssatzes (strukturkongruenter Marktzins und Funding-Spread) mindestens auch die Verwaltungs-, Risiko- und Eigenkapitalkosten abdeckt. Die Menge des erforderlichen Eigenkapitals und die Höhe der Risikokosten im Rahmen des Kreditgeschäfts hängen dabei maßgeblich von der Bonität des Kreditnehmers und der Werthaltigkeit gestellter Sicherheiten ab. Je höher das in Abhängigkeit von der Bonität ermittelte Kreditrisiko ist, desto mehr regulatorisches Eigenkapital wird zur Unterlegung der Risikoaktiva benötigt.

Da auch die Eigenkapitalkosten verdient werden müssen, stellen sie für die Bank einen wichtigen Erfolgsfaktor dar.

Eine Deckung der Risiko(kapital)kosten wird entweder durch entsprechend am Markt erzielbare Preise, die Senkung von Verwaltungskosten oder die Reduzierung von Risiken erreicht. Die richtige Planung und Verteilung des benötigten Eigenkapitals ist das Ergebnis eines umfassenden Gesamtbanksteuerungsprozesses.

Praktische Bedeutung erlangt dies beispielsweise bei der Baufinanzierung. Eine erstklassige Bonität in Verbindung mit einem zuverlässig ermittelten, hohen Beleihungswert reduziert die anzurechnenden Risikoaktiva und mithin den Eigenkapitalbedarf zur Unterlegung der Risiken.

Ein weiterer Aspekt ist die Effektivität und die Effizienz der Abwicklungsprozesse. Es hängt beispielsweise von der Qualität der Kreditbearbeitung und der Beleihungswertermittlung bei der Immobilienfinanzierung ab, ob die Bank die Voraussetzungen für die Zuführung dieser Kredite zum Deckungsregister erfüllt und ihren langfristigen Liquiditätsbedarf kostengünstig über die Emission von Pfandbriefen decken und das Refinanzierungsrisiko reduzieren kann.

Das Spannungsfeld zwischen Ertrag und Risiko hat im Rahmen der integrierten Gesamtbanksteuerung auch praktische Auswirkungen auf die Produkt- und Vertriebsstrategie.

Aus Sicht der Gesamtbanksteuerung sollten je nach Markt-, Kapital-, Risiko- und Ertragssituation Steuerungsimpulse initiiert werden, die zu einem taktischen oder strukturellen Wechsel im Produktportfolio und in der Preisgestaltung beim Vertrieb von Bankprodukten und Dienstleistungen führen können und müssen, um möglichst flexibel und gezielt auf aktuelle Anforderungen reagieren zu können.

Der Erfolg aus Gesamtbankperspektive wird sich künftig noch stärker an der Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Mitarbeiters bei der Umsetzung der jeweiligen Produktstrategie und Vertriebsziele orientieren, um die Wettbewerbsfähig erhöhen und einen hohen Kundennutzen auf Basis attraktiver Konditionen bieten zu können. Eine zielorientierte Umsetzung der Vertriebsstrategie mithin eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der Risikostrategie.

Glossar:

Basel III

Der in Basel (Schweiz) ansässige Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision – BCBS) hat am 16. Dezember 2010 die Regelungstexte der künftigen internationalen Eigenkapital- und Liquiditätsstandards (Basel III) veröffentlicht. Im Kern geht es darum, die gem. Kreditwesengesetz (KWG) und Solvabilitätsverordnung (SolvV) definierten Kapitalquoten (also das Verhältnis von Eigenkapital und Risikoaktiva) von 2013 bis 2019 schrittweise anzuheben. Zudem werden die qualitativen Anforderungen an das Kernkapital spürbar erhöht. Darüberhinausgehende Anforderungen ergeben sich insbesondere für sogenannte systemrelevante Banken. Neben schärferen Eigenkapitalbedingungen erhöht sich auch der Druck auf die Liquiditätsvorsorge mit der Einführung von Liquiditätskennzahlen (LCR und NSFR).

Regulatorisches Eigenkapital

Das Kreditwesengesetz (KWG) definiert, welche Eigenkapitalformen als haftendes Eigenkapital zur Unterlegung von Risikoaktiva verwendet werden dürfen. Hierzu zählen das Kernkapital und das Ergänzungskapital. Beim Kernkapital wird zwischen sogenannten hartem Kernkapital und hybriden Kernkapital unterschieden. Diese Unterscheidung ist wichtig, da es für bestimmte bankgeschäftliche Risiken insbesondere auf das harte Kernkapital (Core Tier 1 Capital) ankommt. Die Anerkennung und Zusammensetzung des regulatorischen Eigenkapitals wird mit Basel III grundlegend überarbeitet. Der aufsichtsrechtliche Grundsatz, nach dem allen bankgeschäftlichen Risiken eine angemessene und auch unter Stressszenarien ausreichende Kapitalbasis zu Grunde zu legen ist, wird durch Basel III fortgeführt. Der Bedeutungsanteil des harten Kernkapitals steigt erheblich, welches einen besonders sorgsamen Umgang mit dieser wertvollen Ressource notwendig macht.

Risikoaktiva

Als Risikoaktiva werden unter regulatorischen Gesichtspunkten sämtliche Risiken verstanden, die mit regulatorischem Eigenkapital zu unterlegen sind. Zur Risikoaktiva zählen Kredit- bzw. Adressenausfallrisiken, Marktpreisrisiken (Zins-, Fremdwährungs-, Aktien- und Optionsrisiken) sowie operationelle Risiken. Die Menge und Qualität des benötigten Kapitals hängt maßgeblich von der Bonität des jeweiligen Kreditnehmers bzw. dem Wert der gestellten Sicherheiten ab (gewichtete Risikoaktiva). Die Darlehensgewährung an einen Kreditnehmer mit guter Bonität bindet weniger Eigenkapital als dies gegenüber einer Adresse mit geringerer Bonität der Fall wäre.

Risikomanagement

In der Praxis verantwortet der CRO das Risikomanagement. Hier werden alle bankgeschäftlichen Risiken identifiziert, gemessen, bewertet und gesteuert. Eine herausragende Bedeutung im Rahmen der Gesamtbankrisikosteuerung kommt dem Thema Risikotragfähigkeit zu. Das Risikomanagement legt fest, in welchem Umfang Risiken eingegangen werden können und überwacht das zur Verfügung stehende Risikokapital (Limit) auch unter Stressbedingungen.

Risikostrategie

Der Gesamtvorstand verabschiedet die für alle Geschäftsbereiche verbindliche Risikostrategie. Im Rahmen des Strategieprozesses wird auf Basis der vorhandenen Risikokapitalbasis und des Risikokapitalbedarfs sowie der geschäftsspezifischen Ertragsziele über Art und Umfang der Risiken entschieden und die jeweilige Risikomenge limitiert.

Gesamtbanksteuerung

Alle Bankgeschäfte und Produkte werden bezüglich ihres Risiko- und Ertragsprofils beurteilt. Das Risiko eines jeden Geschäftsabschlusses wird gemessen und dem Ertrag (in der Regel ist das der Zinsertrag abzüglich Kosten) gegenübergestellt. Um die risikoabhängige Rentabilität (Risk/Return) zwischen Produkten und Geschäftsbereichen vergleichen und steuern zu können, wird das Verhältnis von Ertrag und Risiko über Kennzahlen (z.B. RORAC und ROREC) abgebildet. Ein (Kredit-)Geschäft ist dann profitabel, wenn nach Abzug des Einstandszinssatzes, der Verwaltungs- und Risikokosten auch die Kosten für das zur Unterlegung der Risiken benötigte Eigenkapital (Eigenkapitalverzinsung) erwirtschaftet werden. Je mehr Risikokapital ein Geschäft bindet, desto höher ist der Ertragsanspruch. Je nach Gesamtbankrisiko- und Ertragssituation werden Steuerungsimpulse abgeleitet, welche sich auf die Preis- und Konditionsgestaltung im Rahmen der Produkt- und Vertriebsstrategie auswirken können und von den Vertriebs- und Markteinheiten ergebnis- und risikoorientiert umgesetzt werden.

Deckungsregister

Banken die über das das Pfandbriefprivileg verfügen, ist die Emission von Pfandbriefen als besonders attraktive Form der langfristigen Refinanzierung gestattet. Pfandbriefbanken sind gemäß Pfandbriefgesetz zur Führung eines Deckungsregisters verpflichtet, das durch einen Treuhänder zu überwachen ist. Das Deckungsregister enthält die Deckungswerte, also jene Vermögenswerte aus grundpfandrechtlich gesicherten Krediten, die das Pfandbriefgesetzt im Einzelnen zur Deckung dieser Pfandbriefe zulässt. In Deutschland gelten Pfandbriefe als besonders sicheres Investment und werden zum Beispiel von anderen Banken und Versicherungen gern als Anlageinstrument nachgefragt. Für die emittierende Pfandbriefbank resultiert der Vorteil gegenüber anderen Refinanzierungsformen aus niedrigeren Refinanzierungssätzen.

Der Autor:

Mario H. Sladek ist Berater bei der TriSolutions GmbH, einer auf Risikomanagement und Gesamtbanksteuerung spezialisierten Unternehmensberatung. Die Schwerpunkte seiner Beratertätigkeit liegen in der strategischen Gesamtbank- und Risikosteuerung (ICAAP) und bei der ganzheitlichen Umsetzung von regulatorischen Anforderungen (u.a. MaRisk, Basel II/III). Davor arbeitete Herr Sladek viele Jahre im Risiko- und Auditmanagement international tätiger Groß- und Investmentbanken im In- und Ausland. Sein Betriebswirtschaftsstudium absolvierte er an der Fachhochschule der Deutschen Bundesbank.

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