Finanzblogs auf der #rp13: Intellektuelle Elite oder verständliches Massenmedium?

by Dirk Elsner on 6. Mai 2013

Heute startet die 13. re:publica in Berlin. Ich freue mich sehr auf dieses Event und vor allem auf den heutigen Tag für die Finanz- und Wirtschaftsblogger. Heute wird nämlich wieder der gut dotierte Finanzblog Award 2013 der comdirect verliehen, ein Preis, der mir im letzten Jahr sehr viel Freude gemacht hat. Bevor es zu dem spannenden Moment kommt gibt es eine Podiumsdiskussion, an der Franziska Bluhm, Thomas Knüwer, Ulrich Hegge und ich teilnehmen. werden. Moderiert wird die Session durch Jeannine Michaelsen. Das Thema ist: “Finanzblogs: Intellektuelle Elite oder verständliches Massenmedium?”

In meiner Mindmap deutscher Wirtschaftsblogs zähle ich mittlerweile 253 Webseiten, wobei die Übersicht sicher nicht umfassend ist.

Dort findet man eine sehr breites Spektrum von Themen: Das beginnt bei Anlagehinweisen oder Erklärstücken über die Wirtschaft, geht über tagesaktuelle finanz- und wirtschaftspolitische Ereignisse und reicht bis hin zu anspruchsvollen Debatten über ökonomische Forschungsberichte.

Viele Blogs tragen dazu bei, die “narrativen Verzerrungen” zu reduzieren, mit denen wir es täglich zu tun haben. Wir Menschen lieben narrative Verzerrungen, weil sie uns eine komplizierte Welt einfach machen. Dabei geht es um fehlerhafte und unvollständige Erklärungen etwa aktueller  Ereignisse, für die auf die Schnelle Ursachenanalysen konstruiert werden. Viele Berichte vermitteln z.B. im Nachhinein genaues Wissen darüber, wieso ein Unternehmen erfolgreich war oder etwas (z.B. ein Börsencrash) aus ganz bestimmten Gründen genauso passieren musste. Hier unterliegen wir oft der Illusion, zu  glauben, etwas verstanden zu haben, weil Erklärungen so konstruiert sind, dass sie in unseren Wissenshorizont passen. Gerade in der Ökonomie ist das oft nicht so. Blogs können hier gängige Erklärungsklischees in Frage stellen. Das bedeutet aber nicht, dass sie damit automatisch bessere Erklärungen bieten, denn viele Ereignisse lassen sich nicht durch eine vereinfachte deterministische Zusammenhänge erklären.

Einige Blogs mag man vielleicht einer “intellektuellen Elite” zurechnen, ich mag allerdings den Ausdruck “Elite” nicht. Der Begriff ist mittlerweile zu negativ besetzt (siehe dazu Ist Fairness nur für Muppets (Teil 5)? Elite demontiert sich selbst), und ich setze ihn häufig in Anführungszeichen. Klar ist aber, dass sich viele Blogs eher an ein Spezialistenpublikum richten und gar nicht Massenmedium sein wollen oder können. Wir haben den Luxus, den sich viele auf Reichweite zielende Medien nicht erlauben können, wir können in die Tiefe bohren, wenn wir dazu Lust haben und das Thema kennen.

Der Anspruch auf Massenmedium steht auch meist aus ganz pragmatischen Gründen nicht auf der Agenda der Wirtschaftsblogs. Bis auf ganz wenige Ausnahmen werden die Blogs nebenbei betrieben aus Leidenschaft und weniger aus kommerziellem Interesse. Die meisten Blogger verdienen mit irgendetwas Geld. Oft hat dies nichts mit dem Blog oder Journalismus zu tun. Die Blogger können also, selbst wenn sie wollten, nicht so einfach massentauglich werden. Dazu müsste es geeignete Geschäftsmodelle geben, die zwar möglich sind, jedoch Investitions- und Risikobereitschaft voraussetzen.

Nimmt man heute das Gesamtuniversum an online (meist sogar frei) verfügbaren Wirtschaftsinformationen aus Presse, Blogs und Wissenschaft, dann gibt es heute kaum noch nicht abgedeckte Themenfelder. Dennoch höre ich immer wieder Klagen, über zu wenige Informationen zu bestimmten Themen. Analysiert man diese Klagen, dann stellt man schnell fest, dass es eher ein Verfügbarkeits- oder Präsentationsproblem gibt (Medienprofis kennen dafür sicher einen Fachbegriff). Es geht darum (und das wäre auch eine Herausforderung für professionelle Anbieter), zu aktuell angesagten Wirtschaftsthemen die im Web in verschiedensten Tiefen verfügbaren Informationen schnell und gut aufzubereiten und anzureichern. Genau das funktioniert nicht mit automatischen Newsaggregatoren. Und die klassischen Medien verweisen in Specials meist auf eigenen Content. Hier gibt es in Deutschland eine große Lücke und eine Chance für von Fach- und Medienleuten gemachten Aggregator zwischen Blogs und Medien. Beispielhaft kann ich hier nur noch einmal auf die US-Webseite Business-Insider verweisen, die genau das schafft und damit auch noch kommerziell erfolgreich sein soll.

In einem gerade erschienen Interview mit der Börsen-Zeitung (leider kostenpflichtig) habe ich gesagt, dass Deutschland noch nicht so weit ist.

“Man guckt sich Neues erst einmal an, möchte wissen, wie Andere Dinge angehen und ob man etwas falsch machen kann. Ich merke allerdings seit zwei Jahren, dass sich bei den Unternehmen – auch im Finanzbereich – eine ganze Menge tut. Da wird die Distanz abgelegt und über neue Medien wie Twitter, Facebook oder auch Blogs der Dialog mit der Öffentlichkeit gesucht. Von der Idee, diese Medien als Verteilungsschiene für PR zu nutzen, ist man inzwischen abgekommen. Viele Unternehmen haben gemerkt, dass klassische PR-Arbeit nicht mehr so gut funktioniert. Es interessiert einfach niemanden, weil es nicht authentisch ist. Unternehmen und auch der Finanzsektor suchen neue Wege, glaubwürdig zu sein.”

Trotz dieser Entwicklung besteht die Blogszene vorwiegend aus Einzelkämpfern, die sich zwar gern austauschen, trotzdem aber ihre eigenen Seite hegen und pflegen. Eine tiefere Zusammenarbeit scheitert oft aus Zeitgründen.

Interessant dürfte die Frage sein, ob sich mit dem Start der Huffington Post in Deutschland etwas ändert. Die Webseite ist in den USA sehr erfolgreich und betreibt genau diese Mischung aus “Blog, Nachrichtenseite und Plattform” (TAZ). Ob das Modell in Deutschland Erfolg haben wird, wird man sehen. Das angebliche Win-Win-Modell erscheint mir freilich sehr einseitig zu sein. Bezahlt wird den Blogs nichts, sie sollen mit der Popularität, also der Gnade eines Links auf ihre Webseite bezahlt werden.

Wie auch immer sie aussieht, wir werden eine weitere Professionalisierung der Wirtschaftsblogosphäre erleben. In den USA gibt sind schon länger Ansätze zu beobachten mit Finanzblogs auch kommerziell erfolgreich zu bestehen. Eine Alternative könnten auch stiftungsbasierte Angebote sein, wenn sie sich auf die Vermittlung von Wirtschafts- und Finanzwissen konzentrieren.

Was ich abschließend sehr positiv finde ist,  dass Medien und Blogs sich nicht mehr als Konkurrenten sehen, sondern sich zunehmend als Ergänzung verstehen. Ich möchte hier noch einmal das betonen, was ich dazu an anderer Stelle bereits einmal gesagt habe: Wir Blogs brauchen die professionellen Medien.

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