Kahneman zu falschen Begründungen und Vorhersagen

by Dirk Elsner on 8. Mai 2013

Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman ist ja häufig Thema hier im Blog, u.a. weil er die Sichtweise auf Informationen und das Verstehen und Verarbeiten von Informationen deutlich erweitert. Ich hatte dazu bereits im Januar dem Beitrag “Die Illusion des Verstehens” geschrieben” geschrieben:

“Viele Berichte, etwa von Journalisten, Bloggern und Unternehmensberatern, vermitteln z.B. im Nachhinein genaues Wissen darüber, wieso ein Unternehmen (er macht das am Beispiel Google fest) erfolgreich war oder etwas aus ganz bestimmten Gründen genau so passieren musste. Sie geben somit den Lesern ein Gefühl dafür, selbst genau zu verstehen, was z.B. Unternehmen zum Erfolg führen. Leider spricht aus Sicht von Kahneman vieles dafür, dass wir einer Illusion unterliegen, wenn wir glauben, etwas verstanden zu haben.”

In der aktuellen Ausgabe des Philosophie Magazin ist ein großes Interview mit dem Nobelpreisträger Kahneman. Dort gibt er ein Beispiel, wie verzerrt wir Informationen interpretieren und Zusammenhänge suchen, wo es eigentlich keine Zusammenhänge gibt.  Auf die Frage “Kommt es also deshalb oft zu falschen Begründungen, weil wir von lückenhaften Tatsachen ausgehen?” antwortet er:

“Kommen wir noch einmal auf unseren Widerstand gegen Logik der Statistik zurück. Eine Studie zu den 3141 amerikanischen Counties sagt uns, dass die niedrigste Nierenkrebsrate in den ländlichen Counties zu finden ist, die dünn besiedelt sind und in Staaten liegen, die traditi­onell republikanisch wählen. Sie denken ein paar Sekun­den nach, schließen einen Einfluss des republikanischen Faktors aus, lenken den Fokus auf die ländliche Dimen­sion dieser Counties und ziehen daraus den Schluss, dass in der Tat ein gesünderer Lebensstil, ohne Umweltverschmutzung und chemisch veränderte Nahrung erklärt, dass es weniger Krebsfälle gibt.

Allerdings zeigt dieselbe Studie, dass die Counties mit der höchsten Nierenkrebs­rate ebenfalls ländlich und dünn besiedelt sind und sich in Staaten befinden, die traditionell republikanisch wäh­len! Logisch, werden Sie mir antworten: Armut und der erschwerte Zugang zu Kliniken erklären dieses Ergebnis völlig! Jedes Mal haben Sie aus ihrer assoziativen Erinne­rung geschöpft, um die kohärenteste Erklärung zu finden. Aber die Wahrheit ist einfach nur, dass kleine Stichproben statistisch gesehen immer extreme Ergebnisse aufweisen: Sie sind schlichtweg nicht repräsentativ.”

Nach Kahneman sind wir nicht auf der Suche nach Zusammenhängen sondern nach Kohärenz. Er sagt dazu an anderer Stelle in dem Interview

“Nun hängt die Kohärenz nicht von der Menge der Erkenntnisse und der Beweise ab, die man zu einem Thema hat: Wir können sehr starke Schlussfolgerungen ausgehend von sehr wenigen Details ziehen. Das nenne ich „WYSIATI“ – „What you see is all there is“ (dt.: Allein die verfügbare Information zählt) -, es , leitet die meisten unserer Wahrnehmungen.”

Ich halte Kahnemans Spätwerk “Schnelles Denken, langsames Handeln”, das eine Zusammenfassung seiner vor allem gemeinsam mit  Amos Tversky entstandenen Forschungserkenntnisse ist, für eines der wichtigsten Wirtschaftsbücher der letzten Jahre.

Übrigens ein interessantes Beispiel, wie man seine Erkenntnisse anwendet, offenbart ein Interview in der April Ausgabe von 11 Freunde mit dem Profiwettunternehmen Matthew Benham über Ökonomie und Psychologie von Wetten. Er sagt, Menschen neigen dazu, sich selbst zu täuschen:

“Deshalb würde ich auch jedem, der systematisch wetten möchte, eines meiner absoluten Lieblingsbücher empfehlen: »Schnelles Denken, langsames Denken« von Daniel Kahneman. Ein Kapitel darin heißt »Die Illusion der Gültigkeit« und erklärt sehr genau, wie lächerlich überoptimistisch Menschen im Bezug auf ihre Voraussagefähigkeit sind. Selbst bei höchst fadenscheinigen Belegen ziehen wir voller Überzeugung unsere Schlussfolgerungen. Wir mögen nämlich keine Zweifel. Das ist auch der Grund dafür, weshalb selbst bei Experten, etwa auf den Finanzmärkten, die Quote richtiger Voraussagen im Schnitt nicht weit von einer puren Zufallsverteilung entfernt ist. … Im Kapitel »Intuitionen und Formeln« belegt Kahneman, dass selbst Experten mit langjähriger Erfahrung bei Vor­aussagen schlechter abschneiden als eine äußerst simple Formel. ”

christian Mai 14, 2013 um 09:30 Uhr

Ein kleiner Fehler ist im Artikel drin, das Buch heißt „Schnelles Denken, langsames Denken“.

Ansonsten sehr guter Artikel. Das Buch werde ich auch ordern 🙂

FDominicus Mai 8, 2013 um 13:57 Uhr

Danke für den Tip mit dem Buch, ich habe es mir gleich mal bestellt…

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