Sollten die Banken sich an Softwareunternehmen orientieren?

by RalfKeuper on 12. Dezember 2013

Keine Frage: Die Idee besitzt Charme – Banken, die wie Softwareunternehmen am Markt agieren. Kurze Reaktionszeiten, Orientierung an Kundenbedürfnissen, Mitwirkung an der Produktgestaltung (Open Source) – die Liste der Vorzüge ließe sich fortsetzen.

Verglichen damit erscheinen Banken als Relikte einer fernen Vergangenheit: Hierarchisch nach dem Bürokratiemodell Max Webers gegliedert, angereichert um einige Elemente der Prozessorganisation, versuchen sie, in einem Umfeld, das mehr denn je von technologischen Neuerungen bestimmt ist, zu bestehen.

Insofern hat der Ruf, Banken mögen sich an Softwareunternehmen orientieren, seine Berechtigung – wenn, ja wenn Softwareunternehmen wirklich so anders wären. Nur sind sie das wirklich?

Auch hier liegt die Wahrheit in der Mitte.

Pro

Die Forderung, dem Beispiel der Softwarebranche zu folgen, ist nicht nur von eigenen Interessen der Vertreter aus der IT- und Beratungsbranche geleitet. Sie gründet auf dem Wesen des Bankgeschäfts, das in seinem Kern aus reiner Informationsverarbeitung besteht. Produktion und Vertrieb fallen zeitlich zusammen. Die Informationsintensität des Leistungsangebots ist entsprechend hoch. IT und Organisationsstruktur sind nahezu deckungsgleich, die "Fertigungstechnologie" und die Informationskanäle, selbst die informellen, sind eng miteinander verwoben – die IT-Landschaft einer Bank gibt daher einen guten Einblick in das Geschäftsmodell. Gut Gründe also, um eine Bank ähnlich einem Softwareunternehmen zu führen.

James Brian Quinn, Vordenker des "Intelligent Enterprise," hält Banken, Medien- und Kommunikationsunternehmen daher auch für besonders prädestiniert, um durch den gezielten Einsatz von Software Wachstum generieren zu können:

“In some service industries – like banking, publishing, communications or entertainment – it soon became possible to disaggregate the critical units of service activity into digitized sequences, electronic packets, data blocks, or bytes of information that could be endlessly combined or manipulated for new effects or to satisfy individual customer and operating needs. In manufacturing, the capacity to measure and control to ever more refined levels led to the era of mass customization. In all industries seeking out such micro-units enables the highest possible degree of segmentation, strategic fine-tuning, value-added definition, and cost control to help connect and target new innovations in the marketplace. Interestingly, the larger the organization is, the more refined can these replicability units be, and the greater their leverage is for creating value-added. (in: Innovation Explosion. Using Intellect and Software  to Revolutionize Growth Strategies).”

Es fällt auf, dass in seiner Aufzählung die Softwareunternehmen fehlen. Das Buch erschien allerdings 1997. Trotzdem erscheinen mir die Parallelen zu den Medien- und Kommunikationsunternehmen plausibler. Banken als Finanzintermediäre ebenso wie die Medienunternehmen produzieren Informationen, wenn auch in einem anderen Kontext.

Quinn widmet der Software Based Innovation ein nach wie vor lesenswertes Kapitel – wie das Buch überhaupt die Lektüre lohnt.

Warum er der Software eine so große Bedeutung für die Innovation eines Unternehmens, über alle Branchen hinweg, beimisst, erläutert Quinn wie folgt:

“Well designed software can compress and facilitate all aspects of the innovation cycle. Through properly developed software, managers can change their entire innovation process, throughly integrating, completely eliminating, or merging many formerly discrete innovation steps. Simultaneously, they can dramatically lower innovation costs, decrease risks, shorten design and introductions cycle times, and increase the value of their innovations to customers. (ebd.)”

Das liest sich aus heutiger Sicht wie ein Plädoyer für den Einsatz von Social Software. Allerdings sind die meisten Social Sofware – Tools noch nicht in der Lage, die gewünschten Beziehungen herzustellen, da sie noch nicht auf der semantischen Ebene agieren.

Angesichts der Tatsache, dass Software wettbewerbskritisch geworden ist, erscheint es plausibel, wenn Banken einen Blick über den Zaun werfen, um aus den Erfahrungen der Sofwareunternehmen zu lernen und diese zu adaptieren.

Contra

Obschon einige Softwareunternehmen es über die Jahre verstanden haben, den Geist aus der Gründerzeit wenigstens in Teilen zu erhalten, so kann doch nichts darüber hinweg täuschen, dass auch sie denselben Regeln unterworfen sind, die für alle Organisationen gelten, die in die Jahre gekommen sind. Exemplarisch dafür ist Googles umstrittene Abkehr von der 20-Prozent-Regel. Auch Softwareunternehmen sind Wirtschaftsunternehmen. Wer schon einmal in einem Softwareunternehmen gearbeitet hat, konnte in der Regel die Erfahrung machen, dass ab einer bestimmten Größe, ab 100 – spätestens jedoch ab 150 Mitarbeitern, die Bürokratie exponentiell wächst und die Einhaltung von Prozessen zum obersten Gebot erhoben wird. Statt auf Zuruf geht es fortan nur noch über interne Prozesse und Verfahren, die kein Abweichen zulassen. An der Spitze übernehmen häufig Technokraten das Ruder. Der Umstand, dass die meisten Softwareunternehmen über diese Phase nicht hinauskommen und früher oder später aus dem Markt ausscheiden oder übernommen werden, erklärt sich (neben der Frage der Nachfolge) auch daraus.

Insofern ist der Lerneffekt aus Sicht der Banken überschaubar. Einen nach wie vor guten Überblick über die Höhen und Tiefen der Softwarebranche liefert Strategiebildung im Softwaregeschäft: Entwurf eines integrierten, ressourcen- und kompetenzbasierten Planungsprozesses von Gerd Adam Schwandner.

Den Sprung zu einer agilen Organisation schaffen auch Softwareunternehmen eher selten.

Ein Sonderfall sind m.E. derzeit die diversen FinTech-Startups, die seit einiger Zeit für frischen Wind in der Bankenbranche sorgen. Hier ist für die Banken der direkte Bezug zum eigenen Geschäftsmodell gegeben. Außerdem agieren die FinTech Startups selber als Anbieter von Finanzdienstleistungen. Damit sind sie schon alleine als Mitbewerber eine intensivere Auseinandersetzung wert, erinnert sei nur an Kabbage, Holvi, Licuos und Movenbank. (Vgl. dazu: Bankless Banking mit Holvi, Wonga und Xoom, Bankless Banking mit Kabbage, Xendpay, Kantox und Ezbob, Licuos – Inhouse Banking weiter gedacht)

Die entscheidende Hürde aller technologiegetriebenen Initiativen in den Banken sind, mehr als in jeder anderen Branche, bis auf weiteres die nicht-funktionalen Anforderungen (Verfügbarkeit, Ausfallsicherheit, Sicherheit, Bedienbarkeit etc.).

Kurzum: Von einigen Ausnahmen abgesehen, tun die Banken gut daran, ihren Horizont nicht auf die Softwarebranche zu begrenzen. Mindestens ebenso interessant sind Unternehmen aus der Telekommunikations- und der Medienbranche, aber auch Design-Unternehmen wie frog oder Ideo. Ganz zu schweigen von Unternehmen, deren Branche und Geschäftsmodell erst auf den zweiten oder dritten Blick wichtige Anregungen liefern können, wie z.B. Taxiunternehmen.

Fazit

Dafür, dass die Banken die Bedeutung der Software für ihren langfristigen Geschäftserfolg erkannt haben, spricht einiges: Die Zahl der Softwareentwickler in Diensten der Banken ist dafür ein Beleg.

Die weitaus größere Herausforderung liegt, neben der Fähigkeit zur Geschäftsmodellinnovation,  in der Transformation in eine Netzwerkorganisation.

Das gilt übrigens nicht nur für die Banken.

Weitere Informationen:

Wie FinTech Startups das Banking verändern – Leumi, Elevator, Innovation Lab, SixThirty u.a.

Deutsche FinTech Startups


Dieser Beitrag ist ein erlaubter Crosspost von Ralf Keupers Blog Bankstil

Hansjörg Leichsenring Dezember 12, 2013 um 09:16 Uhr

Wenn nur die doofe Regulierung nicht wäre ….

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