What(s) A(pp) Deal: Facebook saugt WhatsApp für 19 Mrd. auf

by Dirk Elsner on 21. Februar 2014

Seit der Beruhigung der Finanz- und Eurokrise ist es ja selten geworden, dass mich Wirtschaftsnachrichten am Morgen elektrisieren. Aber gestern war es mal wieder soweit, als ich zunächst im Deutschlandfunk hörte, dass das soziale Netzwerk Facebook den Kurznachrichtendienst WhatsApp für schlappe 19 Mrd. Dollar erwerben will, war ich richtig munter. Mittlerweile ist ja schon fast alles und von jedem zu dem Thema gesagt und geschrieben. Kann ich noch etwas Neues hinzufügen? Ja ich kann.

Hier aber erst einmal die zentralen Originalnachrichtenquellen.

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Und dann die Reaktion der Märkte auf die Transaktion am Kurse der Aktie von Facebook:

 

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Quelle: Wall Street Journal

In einer Pflichtmitteilung an die Börsenaufsicht erklärte Facebook also, dass „es sämtliche ausstehenden Aktien und Optionen auf Whatsapp kaufen und dafür rund 183,9 Millionen eigene Aktien im Wert von etwa 12 Milliarden Dollar hergeben werde. Hinzu kommt eine Barzahlung von 4 Milliarden Dollar sowie noch einmal 3 Mrd. Dollar an Aktien mit Haltepflichten für die Gründer und Mitarbeiter von WhatsApp.“  (zitiert nach  Wall Street Journal). Die Aktien kommen aus den eigenen Beständen von Facebook und nicht aus einer Kapitalerhöhung. Ob Barmittel von 4 Mrd.  Dollar frei verfügbar in der Portokasse von Zuckerberg liegen. Aber wer mag sich in solchen Goldgräberzeiten schon um so unwichtige Details kümmern.

Bereits gestern wurden und in den nächsten Tagen und Wochen wird die Geschichte über DAS Geschäft hundertfach erzählt (hier vom Dealbook in Langform, hier vom Manager Magazin in deutscher Sprache). Daneben wird in allen Facetten analysiert, was dieser Deal Facebook bringen soll. Henry Blodget wusste natürlich bereits kurz nach der Bekanntgabe, warum das ein gutes Geschäft ist. Ob auch jemand geschrieben hat, dass Zuckerberg nur auf die Legende herein gefallen ist, dass WhatsApp schneller wachse als Facebook und deswegen eine Gefahr darstelle, kann ich nicht sagen. Aber irgendwie schwirrte dieses wirre Argument schon seit Monaten durch die Welt. Warum das schnellere Wachstum von WhatsApp schlimm für Facebook sein soll, hat bisher niemand plausibel erklären können. Die Dienste bewegen sich in anderen Feldern und haben ebenso viel gemeinsam wie Facebook und Instagram, nämlich nichts.

Sinn macht der das Geschäft in jedem Fall für die Gründer bzw. derzeitigen Eigentümer von Whatsapp. Die bisherigen Eigentumsverhältnisse hat Thomas Knüwer für das Internet Magazin beleuchtet:

„Wer das Geld bekommt bleibt dabei so nebulös, wie die Struktur von Whatsapp. Gegründet wurde der Dienst … 2009 von den Ex-Yahoo-Mitarbeitern Brian Acton und Jan Koum.  … Sie zeigten sich für Silicon Valley-Verhältnisse eher öffentlichkeitsscheu. So ist auch wenig über die Finanzierung von Whatsapp bekannt. Die gut gefütterte Crunchbase-Datenbank führt eine einzige Investmentrunde über mikrige 8 Millionen Dollar auf, durchgeführt vom Star-Investor Sequoia.“

Das Wall Street Journal berichtete unter Bezug auf eine mit den „Verhandlungen vertraute Person“, Sequoia habe etwa 60 Millionen Dollar in einen Anteil an Whatsapp gesteckt. Dieser Anteil sei jetzt mit bis zu drei Milliarden Dollar bewertet. Puh, da wird einem schwindelig. Und ich möchte dafür wetten, dass die Profis von Sequoia auch die Fäden bei der Transaktion gezogen haben.

Der gebürtige Ukrainer Jan Koum (ein Porträt von ihm hier)  soll nach Schätzungen 45% der Aktien halten, Acton über 20%. Die Mitarbeiterzahl wird auf ca. 55 beziffert (Wall Street Journal), darunter 32 Entwickler. Für Marketing und Verwaltung gibt das Unternehmen nicht viel aus. Und das finde ich bewundernswert, denn 450 Millionen Nutzer sollen den Dienst weltweit nutzen.  Angeblich hat sich die Zahl in den vergangenen neun Monaten verdoppelt. Die Nutzer zahlen nach einem kostenfreien Jahr 0,99 Cent pro Jahr. Das ist ein Klacks im Vergleich zu den Kosten, die manch einer mit SMS erzeugt hat. WhatsApp ist mit dem I- und Smartphone groß geworden und benötigte nicht einen Werbedollar, um zu wachsen. Es ist damit DAS Unternehmen der mobilen Welt.

WhatsApp ist tatsächlich die viel bessere SMS. Unsere Familie ist Dauernutzer und wir mögen es, Nachrichten, Bilder und Audionotizen in unsere Familiengruppe zu sammeln. Technisch hätten das auch die Telekommunikationskonzerne schaffen können mit der S/MMS oder dem Nachfolger Joyn. Sie waren aber zu träge und zu sehr fixiert auf die Einnahmen, die die Cashcow SMS ihnen bescherte. er Messenger macht vor, wie hoch effizient kleine Einheiten sein können.

Das allein erklärt freilich nicht den Erfolg dieses Startups, denn es gibt tausende, ja hunderttausende, die Apps in der Erwartung entwickeln, irgendwann den ganz großen Deal zu machen. Für 99,99% wird sich dieser Traum nie erfüllen, 0,01% dürfen aus vollem Herzen jubeln. Keine Angst, ich werde hier jetzt nicht schreiben, was das Erfolgsrezept von Acton und Koum ist. Bis gestern kannte ich nicht einmal ihre Namen. Ich weiß aber, dass ihre Geschichte nun tausende Mal erzählt wird und dabei der Eindruck erweckt wird, man brauche es nur genau so machen und schon sei ein Unternehmen erfolgreich. Das ist natürlich Blödsinn.  Es wird niemanden gelingen, ein solchen Coup planvoll zu wiederholen.

Zurück zum Kauf. Rein rechnerisch, so kalkulierte das Handelsblatt, bewertet der Deal jeden aktuellen WhatsApp-Kunden mit 42 Dollar. Das klingt beim aktuellen Geschäftsmodell nach viel, wobei die Kostenstruktur nicht bekannt ist. Wie Facebook diese Investition rechnet, ist also nicht so klar. Die Anleger warten ja bekanntlich noch darauf, wie der vor zwei Jahren gekaufte Fotodienst Instagram Früchte trägt. Der wuchs ebenfalls sehr stark. Facebook hatte dafür eine Mrd. Dollar bezahlt. Im Gegensatz zu WhatsApp ist Instagram aber faktisch umsatzfrei. Nach Bekanntgabe waren die Anleger skeptisch und stießen Facebook-Aktien nachbörslich am Mittwoch erst einmal ab. Die Aktien sackten um 4,8 Prozent auf 64,80 Dollar ab, erholten sich aber gestern wieder. Damit sieht der Markt zumindest keine Nachteile für das soziale Netzwerk.

Eine Integration von Facebookdiensten in WhatsApp würde den sicheren Untergang dieser Anwendung bedeuten. Aber daran denkt wohl keiner. Angeblich soll sich bei dem Dienst gar nichts ändern. Das glaubt freilich auch niemand. Zumindest erhält Facebook ja Zugriff auf 450 Mio. Handynummern. Umgekehrt könnte die Integration des WhatsApp-Nachrichtenstroms in Facebook ein großer Gewinn sein, denn bisher lassen sich WhatsApp-Nachrichten nicht auf Desktop-PCs und Tablets anzeigen und versenden. Selbst ich würde dann mal wieder auf meine vernachlässigte Facebookseite schauen. Dazu müsste allerdings sichergestellt sein, dass niemand diese Nachrichten mitlesen kann.

Über eine besondere Option, die WhatsApp übrigens eröffnet, habe ich nichts gelesen. Dabei finde ich die besonders spannend: Peer2Peer-Bezahlung mit dieser App. Über Spekulationen so etwas in einen Messenger zu integrieren schrieb ich letztes Jahr im Wall Street Journal “Kommt die „Killer App“ für das mobile Bezahlen?“:

“Spannender klingen Ansätze, Zahlungsfunktionen in so genannte Instant-Messaging Systeme für Smartphones einzubauen. Im November berichtete das Wall Street Journal über Planungen der chinesischen Tencent Holding, 0700.HK -3,09% in den Chat Client und WhatsApp-Konkurrenten WeChat Zahlungsfunktionen einzufügen. Geschehen ist das bisher allerdings nicht. “ Mittlerweile verfügt Weixin, das chinesische Whatsapp über diese Funktion. Und Aaron Back weist im Wall Street Journal darauf hin, dass Weixin deutlich teurer bewertet wird als WhatsApp.

Die nach dem Deal diskutierten Alternativen zu WhatsApp müssen übrigens nicht unbedingt davon profitieren, denn die Gravitation des Netzwerkeffektes dürfte die meisten Nutzer an WhatsApp festhalten lassen. Selbst eine technisch bessere und datenschutzrechlich sicherere Anwendung, wie etwa das aus der Schweiz kommende Threema (laut Meedia Platz 1 im App Store-, Google-Play: Platz 5), wird sich nicht so schnell als Alternative positionieren können. Bei einem Wechsel reicht es bekanntlich nicht, wenn ich Threema oder Snapchat installiere, meine Frau, Familie, Freunde müssen es auch nutzen (wollen). Bevor die Kommunikation fragmentiert bleiben viele bei WhatsApp. Daneben scheint das Datenschutz-Thema selbst nach den NSA-Veröffentlichungen eher ein Thema der Medien, von Bürgerrechtlern und Politikern zu sein als für die Mehrheit der User. Viele haben längst registriert, dass andere mitlesen können und passen ihr Postingverhalten entsprechend an.

Einige Venture- und Beteiligungsgesellschaften werden sich nun sich auf die WhatsApp-Klone stürzen. Sie wollen das Erfolgserlebnis von Sequoia Capital nachahmen und werden mit der WhatsApp-Legende ordentlich Kapital bei Investoren einsammeln, um es dann in die Klone zu investieren. Sequoia selbst musste sich schon vorher keine Sorgen um die Akquise von Investoren machen, ihr Trackrecord ist rekordverdächtig und riecht nach Midas-Touch.

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