Revolution Ukraine: Wie geht es nun weiter?

by Dirk Elsner on 24. Februar 2014

Zugegeben, ich hatte mich in den letzten Monaten an die Protestbilder und die Liveschalten im Morgenmagazin aus Kiew gewöhnt. Ich hatte keine wirkliche Erwartung zum Ausgang der Veränderungen, weil die Ukraine gedanklich zu weit weg für mich ist. Dabei liegt zwischen uns und dem Land gerade einmal Polen, und Kiew ist sogar dichter als Madrid.

Die nun doch sehr fixen Veränderungen faszinieren mich. Ich habe dazu keinen klugen Kommentar, sondern will für meinen Blog einfach ein paar Berichte dokumentieren. Nimmt man Twitter als Maßstab, dann fällt am Sonntagmorgen auf, dass das Interesse an der Ukraine schon wieder nachgelassen hat. Man befasst sich in Deutschland  lieber mit dem Blackout von Whatsapp sowie mit “Wetten Das”. Am Sonntag Nachmittag war die Ukraine komplett aus den Trends verschwunden.

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Versteht man unter einer Revolution eine schnelle, radikale Veränderung der gegebenen (politischen, sozialen, ökonomischen) Bedingungen, dann können wir wohl gerade eine solche in der Ukraine beobachten. Bisherige politische Führer werden abgelöst und ein Führungs- und Machtwechsel wird vorbereitet. Ziel ist es, mit einem politischen Neuanfang die bisherigen Probleme und Machtstrukturen zu beseitigen und radikal Neues an ihre Stelle zu setzen (z. B. neue Machtstrukturen, neue Eliten, neue Eigentumsverhältnisse, eine neue [Verfassungs-]Ordnung etc.).

Das Finale am Wochenende begann mit der Unterzeichnung einer Friedenserklärung. Danach ging es sehr fix und übrigens mit intensiver deutscher Unterstützung. Die Eckpunkte der Ereignisse zeichnen Handelsblatt und  Spiegel Online nach. Das Hamburger Nachrichtenmagazin und auch die FAZ haben Liveticker eingerichtet, die die Chronologie nachzeichnen.

Die nicht unumstrittene Julija Timoschenko ist frei, der Präsident Janukowitsch aus Kiew verschwunden oder geflohen. Auf  Janukowitschs Residenz tummeln sich bereits Bürger und Journalisten und verbreiten Fotostrecken (hier, hier und hier).

Die in der Überschrift zu diesem Beitrag gestellt Frage wie es nun weiter geht, ist natürlich rein rhetorisch. Ich habe keine Ahnung, was dort passieren wird. Wahrscheinlich werden uns aber in den nächsten Tagen viele Fachleute ungefragt erklären, was nun passiert. Ökonomen werden die Lage analysieren und wieder kluge Hinweise geben, wobei sich diese je nach ökonomischer Philosophie wieder diametral voneinander werden.

Ich habe aus den letzten Revolutionen des afrikanischen Frühlings gelernt, dass so gut wie gar nichts vorhersehbar ist. Insbesondere sollten wir, die wir weder Kultur noch ökonomische Lage kennen, uns zurückhalten mit Hinweisen. Ich weiß nicht einmal ob sich Julija Timoschenko, die früher auch mit Blick auf ihre eigenen Interessen nicht zimperlich gewesen sein soll,  und Oppositionspolitiker Vitali Klitschko verstehen. Viel wahrscheinlicher dürfte sein, dass sie nun um die Macht ringen. Wer dabei glaubt, dass es dabei nur fair vor sich geht, weil beide zu den “Guten” gehören, der glaubt wahrscheinlich auch an den Weihnachtsmann. Kai Ehlers stellte in der aktuellen Ausgabe der “Blätter für deutsche und internationale Politik” dazu fest:

“Obwohl die Demonstrierenden darin einig sind, gegen wen sie protestieren, kann von einer gemeinsame Idee für die Zukunft der Ukraine keine Rede sein. Denn neben den beiden liberalen Parteien, der Ukrainischen Demokratischen Allianz für Reformen unter Vitali Klitschko und der Vaterlandspartei der ehemaligen Regierungschefin Julia Timoschenko, beteiligt sich auch die rechtsradikale Swoboda an den Protesten. Deren Anhänger vor allem sind für die jüngsten gewaltsamen Ausschreitungen verantwortlich. Ob diese drei Parteien bis zu den nächsten Wahlen … tatsächlich eine gemeinsame Strategie für die Ukraine entwickeln können, ist daher mehr als fraglich. Ganz zu schweigen davon, was das für das Land bedeuten würde.”

Russland jedenfalls hat schon mal die Finanzhilfen für die Ukraine gestoppt.  Russland hatte Kredite insgesamt Kredite im Umfang von 15 Mrd. US$ zugesagt und bisher nur drei Milliarden ausgezahlt. Die Geldprobleme des Landes werden die Revolution also sehr zeitnah einholen. Jetzt ist die EU am Zug. Sie und die USA hatten jedenfalls angekündigt, dass sie finanziell helfen wollen. Unter welchen Bedingungen sich Europa engagiert, wird jetzt intensiv diskutiert werden. Glaubt man der Darstellung des Handelsblatt in “Der Timoschenko-Bumerang”, dann stehen komplizierte Zeiten bevor.

Wenn der ökonomische Erfolg der Veränderung allerdings ausbleibt, dann kann die Stimmung in der Ukraine schnell wieder kippen. Die Finanzmärkte hatten bereits am Freitag Alarm gemeldet. Die Rückzahlungen der ausstehenden Anleihen wird als gefährdet angesehen und Kreditausfallversicherungen sind bereits auf ein Vier-Jahres-Hoch gestiegen. Die Zahlungsbilanz war 2011 und 2012 (und vermutlich auch 2013) negativ. Hier ist also viel zu tun und durch die Märkte oder internationale Institutionen zu finanzieren. Details zur ukrainischen Wirtschaft sind hier bei knoema zu finden.

Weitere Hintergründe zur Lage der Ukraine von der Bundeszentrale für politische Bildung

Presseberichte

Handelsblatt: Markt-Turbulenzen möglich: Ökonomen warnen vor Ukraine-Pleite (24.02.14): Die Ukraine kann einen Staatsbankrott aus Sicht von Experten nur mit westlicher Hilfe abwenden. Finanzspritzen alleine werden das Land aber nicht auf die Beine bringen. In der Politik kursieren bereits weitere Ideen.

WSJ: Machtwechsel in der Ukraine beflügelt Staatsanleihen (24.02.14): Die Kurse ukrainischer Staatsanleihen legen am Montag nach dem Sturz von Viktor Janukowitsch kräftig zu. Die Hrywnja setzt ihre Abwertung dagegen fort

ossi24 Februar 25, 2014 um 22:21 Uhr

Experte: Russland wird bei Bedrohung seiner Landsleute in der Ukraine nicht abseits stehen

http://de.ria.ru/society/20140225/267920384.html

ossi24 Februar 25, 2014 um 22:15 Uhr

Die Stadtbevölkerung in Sewastopol jubelt, Menschen tragen russische Flaggen und Bänder in den Farben der russischen Trikolore und rufen in Sprechchören „Tschalyj!“, „Russland!“. Einige ukrainische Politiker rufen bereits auf, Sewastopol zu bändigen, obwohl weder unter der Stadtbevölkerung noch im Magistrat von einer Abspaltung die Rede gewesen war.

Zitat: ( „Die neuen Behörden in Kiew sind über diese Stimmung derart erzürnt, dass sie bereit sind, die Armee gegen das eigene Volk einzusetzen. Aber das wird die Stadt nicht zur Ruhe bringen“, fuhr der Gesprächspartner fort. In Sewastopol gebe es viele Armeeangehörige im Ruhestand, während Kiew gegen sie unerfahrene Wehrpflichtige habe schicken wollen. „Es ist kaum möglich, die prorussischen Stimmungen in Sewastopol zu unterdrücken. Und der Einsatz der Armee in der Stadt wäre ein Verbrechen“, sagte der ukrainische Militär.)

Quelle: http://de.ria.ru/security_and_military/20140225/267920592.html

Dividenden-Sammler Februar 24, 2014 um 18:00 Uhr

Die Ukraine – hört sich wirklich weit weg an – und noch klein dazu!
Aber das die Ukraine 45 Mio. Einwohner hat, wer weiß das schon?

Schweiz und Österreich haben beide ZUSAMMEN gerade mal 16 Mio. Einwohner!

Aber ich denke da Interesse lässt auch nach, weil die Medien gezielt lieber über Krieg, Angst, Furcht und Mitleid berichten.
Beruhigt sich die Lage, wie es jetzt der Fall ist, dann ist dieses Thema für die Medien nciht mehr interessant!

Beste Grüße
D-S

Eric B. Februar 24, 2014 um 16:01 Uhr

Hallo Dirk,

schon die Bezeichnung „Revolution“ ist fraglich. Denn die aktuellen „neuen“ Machthaber sind im Prinzip dieselben wie vor sagen wir fünf Jahren. Die Menschen auf dem Maidan haben es nicht geschafft, sich neue Führer oder andere Strukturen zu geben. Ich spreche daher ehe von einem Machtwechsel, man kann es aber auch als Putsch bezeichnen (macht z.B. die norwegische Presse).

Sehr „witzig“ wieder mal die Reaktion der EU: Sie tut einfach so, als kenne sie den früheren Präsidenten nicht und als sei alles wie bisher…. http://lostineu.eu/eu-kennt-janukowitsch-nicht-mehr/

Dirk Elsner Februar 26, 2014 um 10:16 Uhr

Stimmt. Aber egal ob Revolution oder Machtwechsel. Für mich ist die Lage aber unübersichtlich. Und wenn ich so die öffentlichen Äußerungen von allen Seiten höre, dann habe ich den Eindruck die Worthülsengeneratoren laufen auf Hochtouren.

marsman Februar 24, 2014 um 10:40 Uhr

Vielleicht nebenbei interessant: Scholl – Latour über sein Buch
„Russland im Zangengriff“ in einem m. E. sehr interessanten Interview vor einigen
Jahren.
http://www.youtube.com/watch?v=8dEH7LOa-0g

Und hier ein Video mit Scholl – Latour in dem dieser auf die Verhältnisse
in Russland eingeht (40 min.).
russland im Zangengriff – Putins Imperium zwischen Nato, China und Islam
http://www.youtube.com/watch?v=2DstVufWpRg

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