Staatsanleihen: Besänftigt Unbehagen die Märkte?

by Udo Stähler on 28. Februar 2014

Ein Gastbeitrag von Udo Stähler*

Im Vorfeld der Wahlen zum Europaparlament beobachte ich eine zunehmende Aufregung über „die sogenannte Schuldenkrise oder Finanzkrise mit immer größerem Euro Rettungsschirm“. Diese Emotionalität, ebenso wie die Begründung des BVerfG, die Klage zum Ankauf von Staatsanleihen an den EuGH weiterzuleiten, wird zum Marktfaktor. Auch die Diskussionen des jüngsten Schweizer Volksentscheids zur Personenfreizügigkeit, eindrucksvoll debattiert bei Anne Will, geben den Finanzmärkten Signale; und sind hilfreiche Lehrstunden über europäische Meinungsbildung und damit auch deren Einfluss auf Marktentscheidungen. Nicht der Auftritt Frauke Petry’s vom ökonomischen Flügels des deutschen Rechtspopulismus (AfD), der überwiegend Kopfschütteln ausgelöst hat, ist ein Lehrstück für diese Meinungsbildung. Christoph Mörgeli, Programmchef der Schweizerischen Volkspartei (SVP), hat lächelnd vorgeführt, dass er aus Unbehagen seine Politik machen kann.

Die Selbstgewissheit der Rechtspopulisten, ihre Ablehnung zu Europa, zur Personenfreizügigkeit und auch zu den Rettungsmaßnahmen für den Euro in Mitteleuropa sei über die Schweiz hinaus mehrheitsfähig, findet ihre Bestätigung im Alltagsbewusstsein vieler Menschen. Insbesondere in Diskussionen, in denen ich die überwiegenden Vorteile der EU und des Euro für den deutschen Mittelstand vertrete, stelle ich fest, dass hinter der rational begründeten Zustimmung zu meinen Argumenten die Sorgen und Bedenken weiterleben. Viele euroskeptische Mittelständler praktizieren eine Doppelstrategie, die den deutschen Besitzstand gegen Europa, aber die Wertschöpfung in einem gemeinsamen europäischen Markt verteidigt. Die Einschätzung zu den währungspolitischen Zielen der Politik der EZB ist in der Regel davon abhängig, welche Auswirkungen welches Kursniveau für die Wettbewerbsstärke des Unternehmens hat.

Aus dieser Markt- und nationalen Perspektive bewerten sie auch die sonstigen Maßnahmen der EZB. Mit Sorgen und Bedenken begegnen sie der Einsicht, dass bereits die Ankündigung des Staatsanleihen-Programms "Outright Monetary Transactions" (OMT) zur Entspannung der Finanzinvestoren beigetragen hat.

Mehrere Top-Ökonomen bewerten die Krisenstrategie der EZB dagegen aus einer europäischen Perspektive. Während allein die Ankündigung der EZB, den Ankauf von Staatsanleihen in ihren Instrumentenkasten aufzunehmen, die Märkte beruhigte, haben die selbsternannten Veteranen des Wirtschaftswunders sich vorauseilend bereits aufgeregt und geklagt. Nun hat das Bundesverfassungsgericht diese Klage an den EuGH weitergegeben. An den Spekulationen, warum es dies gemacht hat oder ob diese Klage wieder zurückgeht, mochte ich mich nicht beteiligen. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass ein europäisches Thema dort vorgelegt wird, wo es hingehört. Mich interessiert auch mehr, wie das BVerG diesen Schritt begründet hat.

An zwei Punkten erkenne ich berechtigte Kritik: Erstens erledigt die EZB einen Auftrag, den die Politik anzupacken derzeit nicht in der Lage ist. Zweites fehlt der Umsetzung die politische Legitimation. Gauweilers Pressesprecher: „Absolut inakzeptabel ist es, wenn die EZB den deutschen Bundeshaushalt indirekt mit hohen Milliardenrisiken belastet, ohne dass der Bundestag dazu befragt wird.“ Wohlgemerkt, Deutschland steht im ESM letztlich mit 27% des Kreditvolumens in der Haftung.

Da das Bundesverfassungsgericht in seiner Begründung dem deutschen Unbehagen höchstrichterliche Schützenhilfe gegeben hat, rechne ich damit, dass die nach Ankündigung der OMT-Beschlüsse eingetretene Beruhigung der Märkte neuer Unruhe weicht. Unbehagen beunruhigt die Finanzmärkte. Dem entgegen steht, dass die Banken und Kapitalmarktakteure dank ihres wieder gestiegenen Risikohungers höhere Renditen suchen: immer auf der Suche nach Alternativen zur Bundesanleihe, die aktuell –nicht zum ersten Mal- verschmäht wird, werden Staatsanleihen der PIIGS vermehr nachgfragt. So könnte der Markt der EZB aus der Patsche helfen.

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Udo Stähler ist Diplom Volkswirt und Interim Manager. Er war über 25 Jahre in leitenden Funktionen im Firmen- und gewerblichen Immobilienkundengeschäft von Bankkonzernen tätig.

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