Provozieren Anleger schlechte Beratung?

by Karl-Heinz Thielmann on 13. März 2014

Eine der meistgehörten Beschwerden, wenn über die Finanzindustrie gesprochen wird, ist die angeblich katastrophale Qualität der Anlageberatung. Ob Kleinanleger oder institutioneller Investor, alle können erstaunliche Anekdoten über schlechte Finanzempfehlungen beisteuern.

Spricht man mit Finanzberatern selbst, ergibt sich ein etwas anderes Bild. Natürlich stehen sie unter Druck, Finanzprodukte zu verkaufen. Dies führt oft zu falschen Anreizen und suboptimaler Beratung, speziell bei Kleinanlegern. Allerdings machen Berater auch oft die Erfahrung, dass Kunden ihre Ratschläge nicht annehmen, selbst wenn sie gut gemeint sind. Gerade Großanleger erscheinen oft „beratungsresistent“ und wollen von ihrem Berater nur dass hören, was zu ihrer schon vorgefassten Meinung passt.

Im November 2012 ist eine Untersuchung des „Center of Applied Science“ – einem zur State Street Bank aus Boston gehörendem Forschungsinstitut – veröffentlicht worden. In „The Influential Investor“ wurden über 3300 Investoren sowie andere mit der Investmentindustrie verbundene Personen (Finanzaufseher, Consultants etc.) zum Verhalten von Anlegern befragt. Das Ergebnis war erschreckend. Offenbar trifft die überwiegende Anzahl von Investoren systematisch falsche Entscheidungen. Dies betrifft nicht nur Privatanleger. Insbesondere bei institutionellen Investoren haben die Forscher eine Tendenz ausgemacht, in Produkte zu investieren, deren Komplexität sie eigentlich überfordert. Damit können sie auch die Risiken nicht richtig einschätzen.

Vor allem professionelle Investoren verlangen offenbar undurchschaubare Finanzprodukte, die längerfristigen Performanceaussichten erscheinen zweitrangig. Doch woran liegt dies? Die Researcher des „Center of Applied Science“ haben auch hierauf Antworten gefunden. Im Wesentlichen haben sie drei Gründe ausgemacht:

  • Kurzfristiges Denken, das vor allem vom internen Druck oder Anreizsysteme ausgelöst wird und die Anleger dazu zwingen, auf kurzfristige Markbewegungen zu zu reagieren, weil sie andernfalls bestraft bzw. nicht belohnt werden.
  • Generelles Misstrauen aufgrund allgemein schlechter Erfahrungen mit der Finanzindustrie.
  • Selbstüberschätzung bei Investoren, die offenbar systematisch ihr Wissen über komplexe Finanzprodukte überschätzen.

Meiner Meinung nach hat dies folgende Konsequenzen:

1)  Die grundsätzliche Tendenz zu kurzfristig orientiertem Verhalten führt gerade bei vielen institutionellen Investoren zu permanentem Aktionismus. Wenn nicht ständig an den Märkten agiert wird, entsteht anscheinend der Eindruck, man könnte etwas verpassen.

2)  Dass Banken und andere Finanzinstitute in den vergangenen Jahren ihre Kunden mit versteckten Gebühren hemmungslos ausgenommen haben, ist inzwischen Allgemeinwissen. Das Resultat dieser Entwicklung ist offenbar, dass viele Kunden inzwischen bei ihren Beratern von vornherein erwarten, dass diese unehrlich sind. Dies hat die fatale Konsequenz, dass Kunden nur noch Berater akzeptieren, die bestätigen, was sie sowieso schon denken. Einem Berater, der seinen Kunden eine neue Idee vermitteln will, wird schlicht und einfach grundsätzlich nicht mehr geglaubt.

3)  Es gibt bei den meisten Investoren – und dies betrifft sowohl private wie institutionelle – eine massive Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten, die Finanzmärkte einzuschätzen und Kapitalanlagen zu bewerten. Anleger verlangen anscheinend insbesondere deshalb zu komplexe Produkte, weil sie sich für schlauer halten als die übrigen Investoren. Wenn aber fast alle denken, dass sie schlauer sind als die Allgemeinheit, sind es nur die wenigsten tatsächlich.

Der zunehmende Argwohn gegen die Finanzberater treibt inzwischen kuriose Blüten. So hat Prof. Ankenbrand aus Karlsruhe im Rahmen seiner empirischen Wirtschaftsforschung herausgefunden, dass Hedgefonds-Manager zur Vorbereitung von Kundengesprächen inzwischen ganz gezielt ihre Uhren auswählen. Anscheinend sind die Armbanduhren ein wichtiges Signal für die Anleger: Zu teure Uhren deuten auf Abzocke hin, zu billige Uhren auf Erfolglosigkeit. Nur eine Uhr, die weder zu billig noch zu teuer ist, vermittelt dem Kunden das Gefühl, weder betrügerisch noch unfähig zu sein und schafft Bereitschaft für einen Geschäftsabschluss.

Das Grundmisstrauen in die Finanzbranche wird zunehmend zum Problem. Schon 1970 hat Prof. Akerlof in seinem berühmten Aufsatz „A Market for Lemons“ am Beispiel des Gebrauchtwagenmarktes gezeigt, wohin grundsätzliches Misstrauen führt: Gebrauchtwagenkäufer können in der Regel nicht beurteilen, ob ihr Wagen versteckte Mängel enthält oder nicht. Deswegen misstrauen sie Gebrauchtwagenhändlern grundsätzlich und verlangen generell einen Preisabschlag. Dies wiederum führt dann dazu, dass eigentlich nur noch die unehrlichen Händler wettbewerbsfähig sind, da sie ja sowieso ihre Mängelfahrzeuge zu überhöhten Preisen verkaufen wollten. Die ehrlichen Anbieter hingegen sollen ihre Wagen unter Wert verkaufen, was für sie aber unwirtschaftlich wäre. Dies führt zu einer Verdrängung der ehrlichen durch die unehrlichen Gebrauchtwagenhändler.

Etwas Ähnliches sehen wir derzeit in der Finanzbranche. Die am Wohl ihrer Kunden interessierten Berater werden aus dem Markt gedrängt oder beschränken sich auf Schadensbegrenzung. Die Abzocker hingegen passen ihre Verkaufsargumente den Kundenvorstellungen an. Sie übernehmen dann mehr und mehr das Ruder, was längerfristig wiederum das Misstrauen der Kunden weiter bestärkt.

Viele Investoren provozieren, dass man sie belügt. Wenn man seinem Finanzberater mit der Einstellung gegenübertritt: „a) Du sagst sowieso die Unwahrheit und b) ich weiß generell alles besser als die anderen“; dann darf man sich nicht wundern, wenn man es tatsächlich irgendwann einmal nur noch mit Betrügern zu tun hat. Wenn nur noch diejenigen als Berater akzeptiert werden, die eine vorgefasste Meinung unterstützen und die Vorstellung neuer Ideen automatisch als Täuschungsversuch gewertet wird, verkommt die Finanzberatung zu dem, was sie inzwischen vielfach ist: zum Vertrieb von hochriskanten und überteuerten Anlageprodukten.

Dies heißt aber auch, dass es zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Wertpapierberatung nicht ausreicht, wenn, wie vielfach gefordert, die Beratung für Kapitalanlagen auf Provisionsbasis untersagt wird. In Großbritannien hat man Anfang 2013 verboten, dass Berater sich durch Provisionen der Produzenten bezahlen lassen, und will so die neutrale Beratung stärken. Allerdings zeigen die ersten Erfahrungen, dass die überwiegende Anzahl der Kunden bisher nicht einsieht, dass sie für Finanzberatung angemessen zahlen soll. Laut einer Umfrage von Allianz Global Investors in Großbritannien wollen 32% der Privatanleger für Finanzberatung nach wie vor kein Geld zahlen; 27% würden maximal £ 50,- (€58,60) pro Beraterstunde aufwenden. 86% der Finanzberater hingegen wollen zwischen £ 100,- (€117,20) und £ 200,- (€ 234,40) je Stunde verlangen; eine Gebühr, die wiederum nur 7% der Kunden zu bezahlen bereit sind.

Kunden, deren hauptsächliche Anforderung an die Finanzberatung ist, dass sie entweder nichts kostet oder vor allem der Eitelkeit schmeichelt, wollen vielleicht nicht, dass man sie schlecht berät, aber sie fordern es heraus.

Die Umfrage von Allianz Global Investors wurde zitiert nach: Steve Johnson: „RDR: Allianz exposes advice gap“ S.2 aus der Beilage FTfm von der Financial Times, 11. Februar 2013.

Maria Fuezy März 13, 2014 um 16:31 Uhr

Ja, die Arbeit der Finanzberatung ist wie eine von einem Anwalt. Es ist hoechste Zeit, dass die Leistung an sich endlich anerkannz wird. In der Folge kann man dann von besseren oder schlechteren Dienstleistung reden. Die Leistung ist messbar.

FDominicus März 13, 2014 um 09:23 Uhr

Irgendwie bekomme ich folgende Dinge nicht zusammen. Sie schreiben:
„Es gibt bei den meisten Investoren – und dies betrifft sowohl private wie institutionelle – eine massive Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten, die Finanzmärkte einzuschätzen und Kapitalanlagen zu bewerten.“

Und
„Laut einer Umfrage von Allianz Global Investors in Großbritannien wollen 32% der Privatanleger für Finanzberatung nach wie vor kein Geld zahlen; 27% würden maximal £ 50,- (€58,60) pro Beraterstunde aufwenden. 86% der Finanzberater hingegen wollen zwischen £ 100,- (€117,20) und £ 200,- (€ 234,40) je Stunde verlangen; eine Gebühr, die wiederum nur 7% der Kunden zu bezahlen bereit sind.“

Woran macht man fest, daß die „Finanzberater“ über 100 €/Stunde wert sind? Die meisten dürften nach Ihrer Aussage an massiver Selbstüberschätzung „leiden“.

Ich jedenfalls habe ein echtes Problem zu erkennen, wer den wirklich langfristig „gut“ ist. Und vor allem widerpricht dieses langfristige „gut“ sein noch nicht einmal der Statistik. Nehmen wir einfach mal an es gäbe in D zwischen 500 00 – 1 000 000 „Finanzberater“ aller Güter und Klasse. Wieviele davon dürften rein statistisch überdurchschnittlich sein?

Ich brauche noch nicht einmal von schlechter Beratung ausgehen, aber welches Geld lege ich denn an? Welches Risiko haben die Berater die auch über 200 € / Std bekommen? Und so sehe ich es heute auch bei Banken an. Welches Risiko hat eine Bank wirklich bei „Empfehlungen“, ich denke man kann sagen, das liegt ziemlich nah bei 0. Warum soll ich einem „risikolosen“ Gewinn der Finanzberater positiver ausgeschlossen sein als eine kleneren risikolosen Gewinn der Bank.

Und ganz im Ernst auch wenn man keiner Empfehlung von Irgendjemanden folgt. So verdient jede Bank mit jedem Verkauf/Ankauf….

Saho März 13, 2014 um 13:35 Uhr

Die Investoren sind doch nicht die Berater. Im letzten Kommentar wurde etwas falsch verstanden. Die Investoren sind die Kunden, die investieren wollen ob privat oder institutionell.

FDominicus März 14, 2014 um 06:57 Uhr

Das mag sein aber wie messen Sie den Erfolg der Berater? Nun diese werden wohl auch „Investoren“ sein müssen, damit gilt für Sie auch die massive Selbstüberschätzung. Also ein Investor lässt sich von jemanden beraten der auch wahrscheinlich an massiver Selbstüberschätzung „leidet“. Wie sinnvoll kann das sein?

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