Griechenlandanleihe: Warum Kapitalmärkte ein kurzes Gedächtnis haben

by Dirk Elsner on 14. April 2014

In diesem Blog habe ich in den letzten Jahren die Schuldenkrise Griechenlands so eng begleitet, dass ich hier natürlich auch das echte “Comeback” Griechenlands an die internationalen Kapitalmärkte nicht ignorieren kann. Seit Sommer 2012 erholen sich bereits griechische Anleihen und sind an den Finanzmärkte gefragt, wie die Entwicklung des Charts dieser Anleihe zeigt, die aus dem Schuldenschnitt hervorgegangen ist:

Quelle Chart: boerse.dab-bank.de

Der Lackmustest in Form einer eigenen Emission stand noch aus. Die Rückkehr an die “Märkte” nach dem Schuldenschnitt 2012 wurde vergangene Woche als Erfolg gefeiert. Das Land schafft es, mit einer fünfjährigen Anleihe (ISIN GR0114028534) 3 Mrd. Euro einnehmen (500 Mio. Euro mehr als geplant) zu einem Zins von 4,75%. Dieser Zins ist winzig im Vergleich zu den Zinsen, die Griechenland noch vor zwei Jahren hätte bezahlten müssen (siehe dazu diese Grafik im Wall Street Journal für 10jährige Anleihen)

Nach einem Beitrag des Wall Street Journals soll das Land 550 Gebote für über 20 Mrd. Euro von institutionellen Anlegern erhalten haben. Das ist erfreulich, denn das ist genau die Gruppe, die gemeinsam mit den Banken seit 2010 aus den alten griechischen Anleihen ausgestiegen ist. Eingestiegen sind dagegen eher risikobereite Investorengruppen, die nun verkaufen und hohe Gewinne gemacht haben.

Mich persönlich macht es übrigens misstrauisch, wenn öffentlich Namen von Vermögensverwaltern wie Blackrock und Invesco gehandelt werden, die angeblich bei der jüngsten Anleihe zugeschlagen haben sollen. Das klingt ein wenig nach Storytelling, um weitere Anleger anzulocken, denen man dann die Papiere weiterreichen kann.  Autoren, wie Ralf Streck auf Telepolis, sind skeptischer und interpretieren den Erfolg als richtige Eröffnung des Casinos. Ich kann mit solchen Äußerungen nichts anfangen, denn was ist denn die Alternative dazu? Staatsbankrot oder weitere durch die Eurozone garantierte Anleihen?

Das Wall Street Journal kommentierten den Erfolg u.a. so:

“Aber die Märkte haben immer wieder bewiesen, dass sie ein kurzes Gedächtnis haben, wenn es um Zahlungsausfälle von Staaten geht.“

Tatsächlich scheint dies einige zu erstaunen. Aber die “Kapitalmärkte” interessieren sich nie für die Vergangenheit, sondern immer nur für die Zukunft, also die Auswirkungen heutiger und künftiger Ereignisse auf die künftigen Zahlungsansprüche ihrer Finanzanlagen.

Da die Zukunft ungewiss ist, achten die “Märkte” auf verschiedenste Signale. Die Vergangenheit ist dabei für Profis kein zuverlässiges Signal. Ob Griechenland in der Vergangenheit nicht zurückzahlen konnte, ist irrelevant. Nur Alltagsheuristiker, die einfache Erklärungen mögen und daraus falsche Vorhersagen ableiten, mögen sich wundern. Diese Leute glauben, dass die Zukunft sich stets so entwickeln muss wie die Vergangenheit.  Sie erwarten auch, dass Apples Produkte immer erfolgreich und kleine Erdbeben immer die Vorankündigung von etwas Größerem sein müssen. Das erinnert an Talebs Truthahn-Phänomen(im Schwarzen Schwan), das Frank Schirrmacher einmal so für die FAZ zusammen fasste:

“Ein Truthahn wird tausend Tage lang gefüttert. Jeden Tag registriert die statistische Abteilung seiner Gehirnregion, dass die menschliche Rasse sich um sein Wohlergehen sorgt, und jeden Tag erhärtet sich diese Feststellung mehr. An einem schönen Mittwochnachmittag, einen Tag vor „Thanksgiving“, erlebt der Truthahn eine Überraschung.”

Das Verhalten an den Kapitalmärkten lässt sich nicht vorhersagen, erst Recht nicht aus Pseudokorrelationen der Vergangenheit. Bestenfalls lässt sich das Verhalten der “Märkte” interpretieren. Und die aktuelle Interpretation zu Griechenland besagt: “Die Märkte vertrauen zwar nicht zu 100% auf eine Rückzahlung der Anleihen aber deutlich mehr als noch vor zwei Jahren.”

Für rein spekulativ halte ich übrigens alle Begründungen dieses höheren Vertrauens. Niemand kann in die Köpfe der Investoren schauen und es muss nicht stimmen, was prominente Anleger in die Mikrofone der Medien kommentieren. Einige glauben an die verbesserte Wirtschaftslage andere vertrauen vielleicht darauf, dass bei den nächsten Problemen Griechenlands wieder die EU eingreift und es keinen erneuten Schuldenschnitt geben wird.

Rein gar nichts halte ich von Aussagen, die den Erfolg der Anleiheplatzierung begründen mit der durch die Zentralbanken geförderten “Geldschwemme” an den internationalen Märkten. Nur weil viel Geld in Umlauf ist, ist es kompletter Blödsinn anzunehmen, dass es automatisch nach Griechenland fließen muss. Das sind Küchenweisheiten, die nicht einmal mehr anekdotischen Charakter haben.

Marktteilnehmer, die nicht an Griechenland glauben, verkaufen entweder ihre Griechenlandanleihen oder gehen, sofern ihnen das möglich ist, Shortpositionen ein bzw. kaufen Credit Default Swaps, die im Wert steigen, wenn die Erwartungen für Griechenland wieder schlechter gehen. Tatsächlich soll nach Platzierung der Emission die Euphorie erst einmal wieder verfolgen sein, wie das Handelsblatt schrieb:

“Die Rendite der am Vortag platzierten fünfjährigen Titel stieg dem Datenanbieter Tradeweb zufolge um 18 Basispunkte auf 5,13 Prozent. „Es ist ziemlich offensichtlich, dass viele der Käufer nicht zur ‚Kaufen und halten‘-Typus zählen“, sagte ein Börsianer. Vielmehr handele es sich um spekulativ orientierte Anleger.”

Die Anleihe wird ab dieser Woche an den Börsen gehandelt (übersicht der Handelsaktivitäten an verschiedenen deutschen Börsenplätzen hier). Dann kann man täglich ablesen, wie die “Märkte” Griechenland einschätzen.

 

Weitere Berichte und Kommentare

SZ: Was Athens Comeback am Kapitalmarkt bedeutet

Lost in EUrope: Spekulativer Überschwang

FAZ: Verfrühte Freude

FAZ: Griechenlands Kreditwürdigkeit bleibt schlecht

Eine Übersicht aktuell gehandelter griechischer Anleihen gibt es hier von Finanzen.net

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