Lifestyle Ratgeber Paranoia

by Jakob Wega on 2. Mai 2014

Früher galt paranoides Verhalten als psychische Störung. Heute ist dies nicht mehr so.

Paranoia wird zunehmend als neues Lebensgefühl in einer komplexen Welt begriffen. Insbesondere in Deutschland bekennen sich immer mehr Einwohner offen hierzu. Sie sind sogar stolz darauf, was Soziologen im Grunde nicht wundert. Die Wissenschaftler haben Paranoia schon seit Längerem als Bestandteil des deutschen Nationalcharakters identifiziert und müssen inzwischen feststellen, dass sie auch in anderen europäischen Ländern und Nordamerika salonfähig geworden ist. Früher haben sich viele Menschen geschämt, offen darüber zu sprechen. Zunehmend nimmt man aber hierzulande mit Befriedigung zur Kenntnis, dass nach Bratwurst, Weihnachtsbäumen und Bier noch etwas typisch Deutsches Bestandteil der Weltkultur wird.

Erste Ratgeberbücher über den Umgang mit Paranoia sind in den Bestsellerlisten. In einem Hamburger Wochenmagazin wurde ein vertiefendes Dossier hierzu veröffentlicht, in dem Vor- und Nachteile ausführlich dargestellt wurden.

Für den Fall, dass Sie auch gerne paranoid werden möchten, aber noch nicht so recht wissen wie, sind hier einige Tipps zusammengestellt:

  • Kaufen Sie für Ihr ganzes Erspartes Gold und vergraben Sie es bei sich im Garten. Wenn Sie keinen Garten haben, dann nehmen Sie einen großen Blumentopf.
  • Installieren Sie eine besonders leicht anschlagende Alarmanlage. Selbstschussanlagen sind leider verboten, Sie können jedoch elektrisch geladene Drähte spannen, die leichte Schocks auslösen. Sie sollten bei der Installation darauf achten, dass potenzielle Eindringlinge nur bewegungsunfähig gemacht werden, aber keine bleibenden Schäden davon tragen. Offensichtliche Gewaltausübung sollte staatlichen Organen überlassen werden, sonst macht man sich strafbar.
  • Betrachten Sie Innovationen und Neuerungen grundsätzlich als Bedrohung. Ob Ausländer, Gentechnik oder Klimawandel, alles ist voll unbekannter Gefahren und deshalb abzulehnen.
  • Lesen Sie die Bücher von Ökonomen vor dem Einschlafen, die sich als Crashpropheten und Warner vor den Gefahren der Zukunft präsentieren. Dabei ist egal, was uns in den Abgrund führen wird. Ob Euro, Klimawandel, Chinesen, Staatsschulden, die entfesselten Finanzmärkte oder irgendein anderer Quark, alles wird garantiert bös enden, was wohlige Alpträume verursacht. Es sei den natürlich, man folgt endlich den Ratschlägen dieser notorischen Besserwisser. Dann kommt der Untergang noch schneller.
  • Beschäftigen Sie sich in ihrer Freizeit mit einer Verschwörungstheorie, die sich auf den ersten Eindruck völlig abstrus anhört, wie z. B., ob der mongolische Geheimdienst schuld am Kennedy-Attentat war? Gerade die scheinbare Absurdität ist ja ein Beweis für die Hinterhältigkeit des Plans. Sammeln Sie Fakten, die ihre Meinung stützen könnten, und veröffentlichen Sie diese unter Pseudonym im Internet. Möglicherweise schaffen Sie es dann sogar, unter ihrer falschen Identität als Experte in einer Dokumentation auf einem privaten Nachrichtensender aufzutreten. Videos von ihrem Auftritt mit falschem Bart und Toupet können ein bleibender Spaß auch für zukünftige Generationen Ihrer Familie werden, sofern sie den nächsten Weltuntergang übersteht.
  • Schlagen Sie die NSA mit den eigenen Waffen. Schalten Sie sich zuhause vom Internet weitestgehend ab und machen Sie Ihr autonomes Heimnetzwerk. Wenn Sie dann doch ins Internet gehen, suchen Sie ein Internetcafé auf und senden gezielte Desinformation wie z. B.: „Merkel loves Taliban cooking.“ Kaufen Sie vor allem ihre Pornos wieder beim Schmuddelshop an der Ecke und nicht mehr bei amerikanischen Großversendern. Es wird alles registriert und gemeldet.
  • Gehen Sie regelmäßig in die Apotheke und erbeten dort die neuste Apothekenumschau. Hier erhält man einen kostenlosen Überblick über die wichtigsten Todesarten, teure Behandlungsmethoden und noch teurere Präventivmaßnahmen. Kaufen Sie aber nur im Notfall Medikamente, weil ja eh alles von der Arzneimittellobby manipuliert ist. Falls Sie doch welche erwerben, lesen Sie unbedingt den Beipackzettel, insbesondere die Hinweise zu den Nebenwirkungen.
  • Sagen Sie niemals: „Früher war alles besser.“ Das hieße, dass sie noch eine positive Vorstellung von der Welt haben. Auch „heute ist alles schlechter“ ist nicht optimal, da sich dies zu sehr nach traditionellem Miesepeter anhört. Besser ist: „Die unkalkulierbaren Risiken sind größer geworden“. Dies ist zwar blanker Unsinn (wie kann etwas Unkalkulierbares – und damit nicht Messbares – seine Größe verändern?), aber egal, der gelegentliche Einsatz dieser oder ähnlicher Worte unterstreicht ihre Seriosität und gibt Ihnen Glaubwürdigkeit.
  • Planen Sie vor allem Ihre Reaktion auf die Klimakatastrophe. Bereiten Sie sich darauf vor, dass die Entrechteten der Welt demnächst nach Deutschland kommen und Asyl beantragen, um sich dafür zu rächen, dass wir die Atmosphäre unseren Kohlekraftwerken verpesten. Wenn Sie in Norddeutschland wohnen, kaufen Sie sich präventiv ein Schlauchboot, da Ihre Straßen demnächst von geschmolzenem Nordpoleis überschwemmt sein werden. Wenn Sie in Süddeutschland wohnen, betonieren Sie Ihren Vorgarten ein, um die Wirkung der Sturzfluten durch geschmolzene Alpengletscher abzumildern.
  • Vergessen Sie auch nicht, dass bloß weil wir längere Zeit keinen Atomkrieg hatten, dies nicht heißen muss, dass nicht doch bald wieder einer kommt. Wenn Sie sich keinen Atombunker leisten können, legen Sie wenigstens Zyankalikapseln bereit, damit Sie im Falle einer Kontamination nicht so lange leiden müssen.
  • Bitte beachten Sie, dass die meisten Gewalt-Verbrechen im häuslichen Umfeld geschehen. Misstrauen Sie deshalb insbesondere Ihrem Ehepartner, insbesondere wenn dieser nicht ihre Neigung zur Paranoia teilt oder eine andere Form der Paranoia hat. Nur Paranoiker, die gemeinsame Ängste haben, passen gut zusammen. Alle Anderen sind potenzielle Gefahrenquellen.
  • Falls Sie Kinder haben, beziehen Sie insbesondere männliche Verwandte oder Bekannte in die Liste der potenziellen Gefahrenquellen mit ein. Bedenken Sie, dass jeder Onkel ein möglicher Sexualstraftäter ist. Jede Tante kann ihr Kind einem potenziellen Onkel zuführen.
  • Darüber hinaus sollten Sie natürlich auch bedenken, dass jeder Aufenthalt im Freien nicht abschätzbare Risiken für Kinder birgt. Insbesondere Spielplätze oder der Schulweg sind Gefahrenquellen, da sich hier Zugriffsmöglichkeiten auch für solche Sittenstrolche bieten, die nicht aus der eigenen Familie oder dem Bekanntenkreis stammen. Den Schulweg können Sie sichern, indem Sie ihre Kinder in einem leicht gepanzerten Geländewagen direkt vor die Schultür bringen. Spielplätze hingegen sind voller Schadensmöglichkeiten und deshalb von verantwortungsvollen Eltern zu meiden.

Der Text ist leicht verändert aus dem E-Book „Jakob Wega erklärt die Welt“ entnommen, das noch viele andere wertvolle Ratschläge zur schönen und erfolgreichen Lebensgestaltung enthält.

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