Verblasst der Anfangszauber des Crowdfundings?

by Dirk Elsner on 19. Mai 2014

Wirtschaftswoche und Handelsblatt veröffentlichten in der letzten bzw. vorletzten Woche einen ganz hervorragenden Beitrag von Marcus Pfeil über die Klippen des Crowdfunding bzw. Crowdinvesting, wie manche aus der Branche es lieber hören. Der Anfangszauber sei verflogen, die Pleiten häufen sich.  Jetzt beginnt die Phase dieser immer noch relativ jungen Finanzierungsform , mit der ich eigentlich schon im vergangenen Jahr gerechnet habe: die Bewährungsprobe, wenn erste Investments über die Crowd ausfallen und sich herausstellt, dass dabei schlecht, zu wenig oder im schlimmsten Fall sogar falsch informiert wurde.

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Beginnt es hier zu welken?

Dass es Pleiten geben wird, dürfte bei Investments in Start-ups niemanden überraschen. Wer glaubt, dass sich jedes 10. gegründete Unternehmen wie Facebook oder Google entwickeln, der glaubt wahrscheinlich auch jede Woche an den Lotto Jackpot. Und natürlich kann auch die kollektive Schwarmintelligenz nicht in die Zukunft blicken.

Marcus Pfeil arbeitet in seinem Beitrag einen wichtigen Punkt heraus, über den ich hier im Zusammenhang mit der Oculus-Übernahme durch Facebook geschrieben habe: Die Investoren merken jetzt, dass sie bei der Schwarmfinanzierung via Internet kaum Rechte haben.  Das ist einerseits notwendig und erwünscht, weil nicht viele kleine Anteilseigner die Unternehmenspolitik mitbestimmen sollten. Entscheidender ist aber, dass viele gewählte Konstruktionen offenbar die Anleger in ihrer Position benachteiligen und sie zumindest nicht im erwarteten Umfang am Exit verdienen lässt. Marcus schreibt:

“In der Kette aus Start-ups, Wagniskapitalgebern, Crowdinvesting-Anbietern und Anlegern bilden Letztere das schwächste Glied. Sie erwerben in der Regel keine Anteile am Unternehmen, tragen aber dennoch volles unternehmerisches Risiko. Die meisten Anbieter verschaffen der Crowd nämlich keine Anteile an den Jungunternehmen, sondern nur stille Beteiligungen oder Genussscheine.”

Formal ist, wie auch bei Oculus, hier alles in Ordnung. In den Verträgen oder in den AGBs stehen die Rechte und Pflichten der Investoren ganz genau drin. Danach weiß jeder Anleger, wann er profitiert und wann er verliert. Der Schaden für die Idee des Crowdfundings liegt aber darin, dass hier Chancen und Risiken sehr asymmetrisch verteilt werden und dies der Crowd wohl nicht immer klar ist.

Was mir am Duktus von Marcus Artikel nicht gefällt ist das gleiche, was mich an den jüngsten Beiträgen über Mittelstandsanleihen stört. Das liest sich stets so, als sei der (Teil-)Ausfall einer solchen Anlageform eine Katastrophe für den Markt. Sind wir in Deutschland epigenetisch so programmiert, dass nur eine ausfallfreie Geldanlage eine gute Geldanlage ist? Sind Ausfälle, Zahlungsverzögerungen, Pleiten per se schlecht und müssen zwingend vermieden werden? Und wenn es Ausfälle gibt, dann wird nach Regelungen gerufen, die solche Ausfälle künftig verhindern sollen.

Reife Marktteilnehmer zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Risiko verstehen und einschätzen können. Hier hapert es freilich häufig an den Darstellungen und bereit gestellten Informationen der Plattformen.  Natürlich können Sie sich darauf zurückziehen, dass sie auf die Risiken im Kleingedruckten hinweisen. Aber eine 0 oder 1 Aussage ist nicht hilfreich. Reife Anleger interessiert es nicht, ob ihre Anlage ausfallen kann, sie wissen nämlich, dass alle Anlageklassen (auch deutsche Staatsanleihen) ausfallen können. Reife Anleger wollen so viele Informationen, dass sie das Risiko einschätzen und näherungsweise quantifizieren können. Offenbar gelingt genau das nicht.

Was ich konkret damit meine, lässt sich am besten am Beispiel Lending Club erklären. Lending Club ist eine Crowdlending-Plattform, auf der Anleger in einzelne Kredite investieren können. Über das Risiko informiert eine Risikoklasse, die bei Lending Club durch einen Buchstaben repräsentiert wird. A bedeutet ganz geringes Risiko, G ganz hohes Risiko.  Aber diese Kategorisierung ist nur dann hilfreich, wenn man weiß, wie gut eigentlich die Einordnung in Risikoklassen ist. Dazu stellt Lending Club bemerkenswert umfangreiche Statistiken zur Verfügung.  Daraus kann man etwa ablesen, wie hoch die Ausfälle bzw. Zahlungsverzögerungen in den einzelnen Risikoklassen sind. Ohne das jetzt im Detail hier zu vertiefen, sind das Informationen, die Profis ansprechen. Und tatsächlich legen institutionelle Investoren mittlerweile große Summen über Lending Club in Kredite an.

Ich glaube nicht, dass Crowdfunding verblassen wird. Wir stehen am Anfang einer Entwicklung, in der wir weiter sehr hohe Wachstumsraten sehen werden. Ich hoffe sehr, dass die Plattformen die aktuell aufkeimende Diskussion nutzen, um sich weiterzuentwickeln. Sie müssen sich weiter professionalisieren und hoffentlich endlich mal aufhören, einzelne Firmen als die “disruptive Revolution” ihrer jeweiligen Branche hochzujazzen. Das glaubt ohnehin keiner mehr.

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