Bayer und Hypo Real Estate: die Rückzüge aus dem Top-Management sagen alles über Führungskultur und Change Management dieser Unternehmen

by Udo Stähler on 18. Juni 2014

Wir erkennen besonders gut, ob planvolles oder getriebenes Change Management die Stützen oder Sollbruchstellen unternehmerischen Handelns sind, wenn Top-Manager ad hoc wechseln. Nur wenigen Aufsichtsräten –wie Clemens Börsig– gelingt es, lange vorhersehbare Nachfolgeregelungen nahe an eine ad-hoc – Meldung zu bringen.

Die aktuellen überraschenden Nachfolgeregelungen für Marijn Dekkers bei Bayer oder für Manuela Better bei der Hypo Real Estate zeigen deutlich, welche Manager gestalten und welche getrieben sind. Zu einer langfristigen Unternehmensstrategie, die gestaltet, passt eine Nachfolgeregelung aus den eigenen Reihen. In diesen Fällen werden gereifte Manager gezielt aufgebaut, wohingegen im Zug von Umbrüchen häufig mit externen Lösungen auf den „neuen Typ“ Young CxOs gesetzt wird. Deshalb sind Interim-Exekutives in Umbruchsituationen gefragte Zwischenlösungen.

Beim Traditionsunternehmen Bayer behauptet nun der 56-jährige Dekkers, dass ihm „die richtige Balance zwischen Beruf und Privatleben“ –eigentlich eine Eigenschaft der CxOs– ab 2016 wichtiger ist als die Funktion CEO. Wenn seine Töchter in Amerika studieren, wollen er und seine Frau in ihrer Nähe leben; die väterliche Betreuung dürfte sich in Grenzen halten, falls Herr Dekkers doch der nächste Präsident des Verbands der chemischen Industrie (VCI) wird. Sein Kronprinz Baumann wird schon stark positioniert. Der Chefwechsel bei der Hypo Real Estate („bis auf weiteres“ Finanzvorstand Andreas Arndt) hat einen anderen Hintergrund: Die Vorstandsvorsitzende der Holding AG, räumte stante pede (?) ihren Posten, weil der Gesellschafter Bund −seit eine Weile wohlgemerkt− nicht mehr ihre strategischen Ziele teilte.

Völlig losgelöst von den Spekulationen über den Kronprinzen bei Bayer oder die aus dem Hut zu zaubernde Nachfolgerin bei der Hypo Real Estate –Staatssekretär Meister hatte am Rande der International Capital Market Assoziation (ICMA) in Berlin „keine Eile“– ist es interessant, die Bedeutung dieser Veränderungen im Top-Management im Kontext zweier weiterer Trends zu betrachten:

  • dem beschleunigt voranschreitenden Wechsel von den alten Alphatieren der Deutschland AG zu den „neuen Chefs“ und
  • dem immer häufiger zu beobachtenden Übergang von einem planvollen zu einem getriebenen Chance Management.

Durch die zunehmende Technisierung von Steuerungsinstrumenten wird der Wechsel von Führung eines Unternehmens zu Management einer Unternehmenseinheit beschleunigt. In der Leitung großer mittelständischer Unternehmen wie in bodenständigen Kapitalgesellschaften treffe ich noch Pragmatiker mit Visionen, in Großunternehmen oftmals nur Exekuteure mit drei oder vier Sternen, die 100te Mitarbeiter managen. Bei der HRE erkenne ich nach den Abschreibungen auf das Exposure weitere Abschreibungen auf eine handlungsanleitende Führungskultur.

Dazu sagt die Haniel-Studie Young CXOs, die von der Wirtschaftswoche als Sittengemälde der Top-Etage der deutschen Wirtschaft bezeichnet wird, dass „rund zwei Drittel der Befragten (…) zu ihren Kernwerten Klarheit, Integrität und den respektvollen Umgang mit Menschen (zählen)“. Danach scheint es, dass die Top-Etage wieder auf die Erde zurückgekehrt ist. Bayer wird’s ohne Young CxO schaffen, für die Hypo Real Estate sucht der Aufsichtsrat nur noch einen Exekutor. Planvolles und getriebenes Change Management haben eben unterschiedliche Anforderungen an Führung und Management.

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*) Udo Stähler ist Diplom Volkswirt und Interim Manager. Er war über 25 Jahre in leitenden Funktionen im Firmen- und gewerblichen Immobilienkundengeschäft von Bankkonzernen tätig.

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