Bezahlung und Umgang mit „Superstars”: Mit dem WM-Titel lebt der Teamgeist wieder auf

by Dirk Elsner on 21. Juli 2014

Die Fußball WM ist seit über einer Woche vorbei. Viele haben sich mit der deutschen Nationalmannschaft als Weltmeister gefühlt. Ich habe mich zwar gefreut über den Titel, habe dafür aber nicht den Hauch eines Beitrags dazu geleistet. Ob ein solcher Titel Vor- oder Nachteile für die Wirtschaftsentwicklung eines Land bringen, mögen andere herausfinden, ich habe da eher Zweifel und glaube, dass es keinen Zusammenhang gibt.  Glaubt man dem Unternehmer Reinhold Würth, hat die WM einiges an Produktivität gekostet.

Vielleicht hilft uns die WM, einige Fragen zu beantworten, die uns für die Wirtschaftspraxis helfen. Johannes Pennekamp hat gestern in der Printausgabe der FAS schon mal eine “Ode an den Teamgeist” gezwitschert. Darin geht es um die positiven Wirkungen der Kooperation, die Wissenschaftler am Beispiel zweier brasilianischer Fischerdörfer zeigen (Details hier: Ode to the sea: Workplace Organizations and Norms of Cooperation): Wer in einer Gruppe arbeitet, verbessert seine Leistung und sogar den Charakter.

Working Together Teamwork Puzzle Concept

Working Together Teamwork Puzzle Concept

Foto: Flickr, Scott Maxwell

Eine weitere Frage ist, ob es in einem Team Sinn macht, einen “Superstar” zu beschäftigen oder sich zu abhängig von ihm zu machen. Diese Frage stellte sich die ganze Welt nach dem Ausfall des brasilianische Topstars Neymar da Silva Santos Júnior (kurz Neymar). Mit seiner Verletzung während des Spiels gegen Kolumbien war die Selecao plötzlich nicht mehr Titelaspirant Nummer eins, sondern wurde von vielen Buchmachern zurückgestuft und erlitt bekanntlich gegen Deutschland eine fußball-historisch verheerende Niederlage.

Keine Vorteile durch Superstars

Ich erinnerte mich an die Frage einer Studie “Superstar CEO” von Ulrike Malmendier Geoffrey Tate, ob auch Unternehmen von “Superstars” im Management abhängen. Sie kamen zu dem Ergebnis: “Unternehmenschefs, die besondere Medienaufmerksamkeit erhalten, entwickeln sich bald zu Underperformern im Vergleich zu ihren unbekannteren Kollegen. So jedenfalls fasste die FAZ die umfangreiche Untersuchung zusammen. Man spricht auch vom Fluch der öffentlichen Aufmerksamkeit, der für Unternehmensbosse wie für Nobelpreisträger und häufig auch Sportler zum Wendepunkt ihrer Karriere wird. Konkret ist damit gemeint, dass ihre Leistungsfähigkeit mit der großen Bekanntheit und der damit einhergehenden Medienpräsenz abnimmt. Malmendier und Tate untersuchten Aktienkurse und Rendite auf Aktiva und fanden eine unterdurchschnittliche Performance im Vergleich zu Kontrollgruppen, wenn die Firmenchefs größere Bekanntheit erlangten. Dass es dabei Abweichungen gibt, wie vor allem durch Apples Steve Jobs, würden Forscher wohl als statistische Ausreißer bezeichnen.

Schwächen große Einkommensunterschiede ein Team?

Aktuell ist eine Untersuchung von Jürgen Gerhards, Michael Mutz und Gert G. Wagner. In dem Aufsatz für die Zeitschrift für Soziologie 3/2014 “Die Berechnung des Siegers” sind sie u.a. der Frage nachgegangen, ob ein hohes Niveau der Ungleichheit einer Mannschaft diese in stärkerem Maße abhängig macht von besonders leistungsstarken Spielern. Ihre Erklärung ist simple: “

“Der Profifußball gehört zu den Sportarten mit einem hohen Verletzungsrisiko. Fallen die leistungsstarken Spieler aufgrund einer Verletzung aus, dann lässt sich dieser Verlust bei Mannschaften mit hoher interner Ungleichheit in deutlich geringerem Maße kompensieren als bei Mannschaften, deren Kader relativ ausgeglichen besetzt ist. Hinzu kommt, dass die Performanz der Spieler von Spiel zu Spiel sehr stark variiert. Solche Leistungsschwankungen können ausgeglichene Mannschaften besser kompensieren als Mannschaften, die auf wenige Stars angewiesen sind. Insofern lässt sich vermuten, dass ausgeglichene Mannschaften bei gleichem Gesamtwert im Durchschnitt erfolgreicher sind als Mannschaften mit hoher interner Ungleichheit.”

Die Autoren verweisen auch auf andere Studien, die herausgefunden haben, dass Ungleichverteilung der Gehälter die Identifikation mit dem Team schwächen und kooperatives Verhalten reduzieren können. Daneben existieren aber auch Untersuchungen, die eher bestätigen, dass gesellschaftliche Unterschiede in der Bezahlung und im Status notwendig seien, damit es hinreichende Anreize gibt, sich um eine bessere Position zu bemühen.

In ihrer Untersuchung wollten Gerhards, Mutz und Wagner nun die These überprüfen, ob im Profifußball eine sehr starker Ungleichheit im Team negative Effekte habe und die Teamleistung verringere. Sie kommen nach Auswertung ihrer Daten zu dem Ergebnis:

“Nahezu unbedeutend für den Erfolg einer Mannschaft ist indes die Ungleichheit, die innerhalb der Mannschaft vorliegt. … Die Befunde deuten auf einen nichtlinearen Zusammenhang hin. Ungleichheit im Team scheint bis zu einem bestimmten Ausmaß zunächst einen leichten positiven Einfluss zu haben und Leistungsanreize zu erzeugen, bei größer werdender Ungleichheit kehrt sich die Richtung des Zusammenhangs aber tendenziell um.” Dieser Effekt falle jedoch nicht signifikant aus. “Die Ausgeglichenheit der Mannschaft ist also kein zentraler erfolgsrelevanter Faktor in den von uns untersuchten Profifußball-Ligen.”

Ich hätte mit einem signifikanteren Einfluss großer Ungleichverteilung gerechnet hätte. Meine küchenpsychologische These wäre, je höher die Ungleichverteilung, desto eher halten sich die schlechter bezahlten Spieler zurück und lassen die Superstars die Verantwortung tragen. Diese These wird hier nicht bestätigt.

Finanzielle Anreize können schaden

Ralf Grötkerv widmet sich in dem brand eins Beitrag “Das Lohn-Dilemma” der Frage, ob mehr Geld automatisch zu mehr Leistung führt. Danach könnten hohe finanzielle Anreize für Einzelleistungen auch dazu führen, dass Mitarbeiter und Manager immer mehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und der Teamgeist auf der Strecke bleibt. “Eine ursprünglich vorhandene innere Motivation wird zunichte gemacht, indem man Menschen extra belohnt – was dazu führt, dass sie ihr Interesse verlieren. Dieser Prozess ist irreversibel.” Grötkerv hat weiter gebohrt und schreibt, empirische Untersuchungen hätten keinen starken und dauerhaften Zusammenhang zwischen geldwerter Vergütung und der Performance von Managern feststellen können. Höhere Gehälter von Managern ließen sich nur in geringem Maße durch die Komplexität der zu bewältigenden Führungsaufgaben und durch unternehmerischen Erfolg erklären.

Der Kreis zum Fußball schließt sich übrigens, wenn man auf die Anreize durch hohe Spielerprämien denkt. Hier werden nicht einmal dogmatischer Verfechter der leistungsorientierten Entlohnung einen deterministischen Zusammenhang zwischen Anreiz durch hohe Prämien und Spielerfolge konstruieren können. Die bekanntlich bei dieser WM sogar vorzeitig in der Vorrunde ausgeschiedenen Spanier hätten nach Medienbereichten jedem Spieler 720.000 Euro für die erfolgreiche Titelverteidigung gezahlt. Jeder Kicker der Nationalmannschaft Uruguays hätte 534.000 Euro erhalten. Die Kicker Deutschlands dagegen erhalten 300.000 für den verdienten Titel.


Der Beitrag ist eine erweiterte Fassung einer Kolumne, die ich für die CFO-World geschrieben habe.

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PS

Am 25.07.2014 veröffentlichte das Handelsblatt ein Interview mit einem Managementberater unter dem Titel: Der Superheld an der Firmenspitze hat ausgedient“

 

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