Wird Amazon von einigen Großlieferanten gedisst?

by Dirk Elsner on 23. Juli 2014

Amazon gehört ja angeblich zu den größten Online-Kaufhäusern der Welt. Und weil diese Legende so ordentlich in den letzten Jahren gestrickt wurde (und vielleicht sogar stimmt), denkt man oberflächlich, jeder Produkthersteller müsse sich darum reißen, seine Produkte bei Amazon listen zu lassen. Wir wissen freilich aus der Verlagsbranche (siehe dazu auch die Nachträge unten), dass diese alles andere als glücklich ist. Und mich beschleicht der Verdacht, dass auch andere Branchen gegen den Onlinehändler agieren, allerdings nicht so öffentlichkeitswirksam.

Mir ist in der Vergangenheit sporadisch aufgefallen, dass bestimmte auch populäre Produkte bei Amazon kurz nach ihrer Markteinführung nicht erhältlich sind. Da mir dafür die Beispiele fehlten, freue (und ärgere) ich mich, dass ich jetzt ein aktuellen Fall selbst erlebe. Es handelt sich um eine Digitalkamera von Sony, die sich nach den eigenen Angaben von Amazon seit dem 6. Mai dort im Angebot befindet.

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Die Kamera wird über Amazon sowohl direkt von Amazon verkauft als auch über diverse Händler vertrieben. War sie zunächst nur vorbestellbar, konnten diverse Händler sie seit ca. 6 Wochen auch liefern. Am vergangenen Sonntag waren es drei Händler. Da einige dieser Händler mir nicht bekannt waren oder das Produkte mit z.T. hohen Versandkosten aus dem Ausland lieferten und ein Händler sogar deutlich über der Sony Preisempfehlung lag, bestellte ich dort nicht. Da ich keine Eile habe, dachte ich, werde die Kamera, die ich ohne Objektiv wollte, bald auch bei Amazon erhältlich sein. Ich bestellte sie vor über drei Woche trotz des Hinweises

“Dieser Artikel ist noch nicht erschienen. Sie können ihn jedoch vorbestellen und wir verschicken ihn, sobald er verfügbar ist.”

Mittlerweile ist die Version ohne Objektiv lt. Idealo bei den meisten Händler auch kurzfristig lieferbar (siehe Screenshot unten). Und auch auf der Amazon-Plattform zeigen alle Händler mit Ausnahme von Amazon selbst an: “Auf Lager”. Nur Amazon erhält offensichtlich keine Lieferung. Hier ist nur die Version mit Objektiv lieferbar.

Was ist da also los bei Amazon? Wird der Einzelhändler von den Distributoren von Sony ausgegrenzt? Offensichtlich wird das Objekt der Begierde noch nicht in ausreichender Stückzahl produziert und zumindest nicht nach Deutschland geliefert. Und die Großhändler geben ganz offensichtlich anderen Händlern offenbar den Vorzug.

Klar, bekannt ist, dass einige Großverlage Stress mit dem Onlinekaufhaus haben, weil die Einkaufsbedingungen und geforderten Rabatte für Bücher aus Sicht der Verlage unterirdisch sind. Deutsche Verleger werfen Amazon sogar Erpressung vor, weil der Preis der E-Book gesenkt werden soll.

Amazon bezeichnet sich zwar selbst als offizieller Sony Deutschland Partner. Viel scheint man aber trotz beinharter Anlieferbedingungen auf diese Partnerschaft bei Sony nicht zu geben. Der Online-Kiosk drückt sicher auch bei anderen Produkten erheblich die Preise. Produkte, bei denen die aktuelle Nachfrage selbst zu der ohnehin teuren “unverbindlichen Preisempfehlung” noch das Angebot übersteigt, lassen sich da besser über verschiedenste Händler absetzen, die einen höheren Einkaufspreis zahlen als Amazon. Es ist also ein nachvollziehbarer Schachzug, dass Sony bzw. deren Großhändler, Amazon erst dann beliefern wenn genügend Ware verfügbar ist.

Vielleicht verbirgt sich hinter dieser Auslieferungsverzögerung ja auch tatsächlich nur ein Streit mit den deutschen Großhändlern, denn bei Amazon UK ist die Kamera ohne Einschränkungen lieferbar. Berichte über Streitereien zwischen Amazon und seinen Distributoren aus dem Nichtverlagssektor habe ich aber keine gefunden (über einen Hinweis freue ich mich). Es sieht aber so aus, als hätten nicht nur die Verlage Probleme mit der Einkaufspolitik des Onlineriesen.

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http://www.idealo.de/preisvergleich/OffersOfProduct/4390446_-alpha-77-m2-body-sony.html

Nachtrag vom 30.7.2014

Drei Tage nach der Veröffentlichung des Beitrags bekam ich eine Bestätigung von Amazon, dass das bestellte Produkt versendet wurde. Einen Zusammenhang mit dem Beitrag vermute ich nicht. Mittlerweile scheint die Kamera in ausreichender Stückzahl auch dort verfügbar zu sein. Einige Kommentare zu diesem Beitrag deuten freilich darauf hin, dass hinter den Kulissen tatsächlich auch mit anderen Lieferanten ein Kampf gegen das Onlinekaufhaus im Gang ist.

Nachtrag vom 11.08.2014

Mittlerweile ist der „Bücherkrieg“ (Spiegel Online) offen ausgeprochen. Verlage weigern sich, mehr Geld vom Verkaufspreis von E-Books an Amazon abzutreten. Amazon selbst soll die Auslieferung von Büchern behindern, wenn die Verlage sich nicht auf die Konditionen einlassen. In der „New York Times“ erheben 909 Autoren in einen ganzseitigen Brief an Amazon schwere Vorwürfe. Das Handelsblatt berichtet darüber, dass sich der Konflikt auszuweiten scheint auf den Vertrieb von Filmen.

Nachtrag vom 03.12.2014

Das Wall Street Journal berichtet heute über die harten Preisverhandlungen von Amazon selbst mit namhaften Herrstellern, die sich zunehmend unter Druck gesetzt fühlen.

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Mehr dazu

 

4bm Juli 29, 2014 um 13:19 Uhr

Dies ist z.B. auch in der Möbelbranche der Fall, dass Amazon ganz bewusst aussen vorgelassen wird. Die Möbelhändler sind fast ausschliesslich in Verbänden organisiert, und über diese wird dafür gesorgt, dass kein Lieferant der mit den Verbänden arbeiten möchte, direkt an Amazon liefert. Amazon war auch schon in unserem Verband vorstellig, um direkt nach Einkaufsmöglichkeiten zu fragen, ist aber postwendend wieder hinauskomplimentiert worden, nach dem die gewünschten Bedingungen für Amazon genannt worden sind. Bei den Bedingungen die Amazon gerne haben möchte, macht es mehr Sinn die Möbel nach der Fertigstellung direkt anzuzünden, statt Sie an Amazon zu liefern.

fotopeter Juli 25, 2014 um 08:15 Uhr

vielleicht wird auch einfach nur der fotofachhandel gegenüber dem onlinehandel bevorzugt. dass dieser kanal- und somit auch konditionsmissbrauch begeht, zeigt nur erneut, wie schlecht es dem stationären fachhandel, welche plumpen lösungen er aus der krise findet (abwandern nach online) und wie hilflos die hersteller mit ihren Offline-maßgeschneiderten Vertriebssystemen diesem Wandel gegenüberstehen.

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