Weiß der Markt mehr als einzelne “Experten”?

by Dirk Elsner on 11. August 2014

Eugene Fama und seine Theorie effizienter Märte war hier schon oft Thema (zuletzt im November). Ich mag Fama und seine Theorie, glaube aber dass die meisten Märkte und auch die Finanzmärkte Ineffizienzen aufweisen. Sein Modell entspricht zwar nicht der Realität, erklärt aber ganz gut, wie Informationsverarbeitung funktioniert und warum es kaum Marktteilnehmern gelingt, den “Markt zu schlagen”.

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Jüngst hat Patrick Bernau für FAZ Online einen klugen Beitrag zu Eugene Fama geschrieben, der im vergangenen Jahr mit Robert Shiller zusammen den Nobelpreis erhielt. Der Beitrag bietet einen verständlichen Roundup durch die Gedankenwelt Famas. Darin ist auch erneut die Behauptung zu finden: „Es gibt keine Blasen“ an den Märkte, eine Sichtweise, die ich übrigens nicht teile. Es gibt Phänomene wie Spekulationsblasen, sie lassen sich aber weder ex-ante erkennen noch einfach beeinflussen bzw. zum Platzen zu bringen.

Bernau macht deutlich, dass in Famas Theorie einfach zu viel hineininterpretiert wurde, denn der praktische Kern ist nur, dass  Kursbewegungen an der Börse unerklärlich und nicht vorherzusagen sind:

“Börsenkurse und Preise umfassen alle verfügbaren Informationen, selbst die, die nur wenige Investoren haben. Die Idee dahinter ist folgende: Sobald Investoren eine Information haben, können sie entsprechend handeln. Wer weiß, dass die Preise zu niedrig sind, der kauft, also trägt er zur Preissteigerung bei. Wenn aber dank diesem Mechanismus alle verfügbaren Informationen schon in den Preisen stecken, dann kann niemand eine Information darüber haben, wie sich die Preise künftig entwickeln– die Preise entwickeln sich dann auf der Grundlage der nächsten Informationen, die jetzt noch niemand hat. Also sind auch die Börsenkurse unberechenbar. Wie es weitergeht, wirkt komplett zufällig.”

Bernau schreibt: “Das entscheidende an der Effizienzmarkt-Hypothese ist: Es gibt niemanden, der zuverlässig besser informiert ist als die Finanzmärkte.” Daraus folgt, dass der Markt mehr als einzelne Experten weiß. Das schließt aber übrigens nicht aus, dass ein einzelner “Experte” einmal oder häufiger eine Situation besser einschätzt oder vielleicht sogar eine bessere Prognose macht. Nur wird weder der “Experte” noch sonst jemand vorher wissen, ob seine Einschätzung sich als richtig erweisen wird. Die Wirtschaft und besonders die Finanzmärkte sind durch Ungewissheit geprägt. Wenn überhaupt arbeiten die Fachleute hier mit geschätzte bzw. intuitiven Wahrscheinlichkeiten. Keynes zufolge verändert sich Wissen über zukünftige Entwicklungen ständig, ist vage und vor allem unsicher, das Eintreten künftigen Geschehens lasse sich daher kaum mit mathematischen Ansätzen berechnen (Quelle: Lukas Boeckelmann u.  Stormy-Annika Mildner: Unsicherheit, Ungewissheit, Risiko).

Hier könnte man nun noch viel schreiben über den ewigen und ideologischen Streit zwischen aktiven und passiven Portfoliomanagement. Das schenke ich mir hier. Fest steht aber, wenn alle in der Folge der Annahme, die Informationsbeschaffung würde keinen zusätzlichen Nutzen mehr bringen, darauf verzichten, dann hätten wir dann gerade keinen informationseffizienten Markt.

Stefan Rapp August 12, 2014 um 11:43 Uhr

Der einzelne Experte handeln ja Normaleiweiße nicht Irrational deswegen wäre es seltsam wenn der Markt der wenn er nur durch das Kaufverhalten der Experten bestimmt werden würde sich völlig losgelöst von deren denken und handeln entwickelt. Nein, der einzelne Experte hat nun mal einen kleineren Horizont als die Summe der Experten. Deswegen ist der Markt selber auch eine wichtige Information für den Händler was seine Erwartungshaltung und sein Kaufverhalten anbelangt. Es entsteht also eine sehr enge Wechselbeziehung zwischen Markt und Experten. Da ist man dann schnell bei der Chaostheorie.
Die Informationen die der Händler unabhängig vom Markt bekommt müssten eine dämpfende Wirkung auf dieses System haben.
Der Markt wiederum ist nicht einfach mit der Summe der Expertenmeinung gleichzusetzen da die Kauf- und Verkaufsintentionen nicht nur von Prognosen abhängig ist sondern eben auch von Individualinteressen die in erster Näherung erstmal völlig losgelöst von zukünftigen Erwartungen des Marktgeschehen dieses beeinflussen. Dies müsste wiederum ebenfalls einen Dämpfenden Einfluss auf dieses Wechselsystem haben. Wenn die dämpfende Wirkung dieser Einflussfaktoren nicht ausreichend sind verhält der Markt sich so lange irrational bis er ein Zustand erreicht hat bei dem er mit der Dämpfungswirkung wieder im Einklang ist. (Dämpfend bedeutet in dem Zusammenhang nur das sich das System eher stetiger und weniger chaotisch verhält.)

Nur mal so ne Hypothese keine Ahnung ob die stimmt, es wäre aber zumindest im Ansatz eine Erklärung warum sich der einzelne Experte so schwer mit eine richtigen Prognose tut.

Karl-Heinz Thielmann August 11, 2014 um 10:34 Uhr

Ich halte die Unterscheidung zwischen Markt und Experten für etwas merkwürdig, da ja der Markt – speziell am Finanzmarkt – im Wesentlichen aus sog. Experten besteht. Insofern reflektiert der Marktpreis immer den Expertenkonsensus.

Wenn Fama sagt, dass es keine Spekulationsblasen gibt, so meint er meiner Einschätzung nach, dass das Wort Spekulationsblase zumeist ein nachträgliches Konstrukt ist, welches zur Rechtfertigung geplatzter Kursübertreibungen nachgeschoben wird. Im Moment der Spekulationsblase gibt es immer rationale Rechtfertigungen für Kurse, von denen man nur im nachhinein weiss, dass sie völlig absurd waren. Dies haben wir zuletzt bei Gold oder bei Bitcoins oder bei Internetaktien 2000 gesehen.

Wenn aber der Begriff einer „Spekulationsblase“ nur nachträgliches Storytelling ist, wir aber andererseits ständig Kursübertreibungen haben, so heisst dies für mich, dass entweder die Methoden, mit denen der Markt (und damit die Experten) zu Kursen kommt, systematisch falsch sind. Oder aber, der Markt wird systematisch mit falschen Informationen beliefert, wie z.B. bei den serienweise geschönten Ratings vor der Finanzkrise. Diesem auf den Grund zu gehen ist für mich eine viel interessantere Frage als das Problem, wie schnell der Markt Informationen verarbeitet.

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