Vor und im und nach dem Sommerloch. Mit und ohne Banken

by Udo Stähler on 22. August 2014

Ausgerechnet zu Beginn der Sommerpause Ende Juli fand ich in meiner morgendlichen Presseübersicht Banken l Immobilien l Vertrieb NUR Meldungen über Banken.

Rechtzeitig kündigten die Commerzbank einen weiteren Stellenabbau, die Deutsche Bank die weitere Talfahrt des Unternehmenswertes sowie Leo Kirch als D&O–Fall, der portugiesische Finanzkonzern Espirito Santo für zwei weitere Konzernunternehmen Gläubigerschutz, die größte Bank Zyperns weitere Milliardenverluste und die Bayrische Landesbank Ex-Eurohypo-Vorstand Ralf Woitschig an.

 Zunächst wollte ich beobachten, was die Banken mit diesen Ereignissen über die Sommerpause anstellen. Dazu gedrängt hat sich frei nach Karl Kraus‘ Polemik Gut, dass in der Welt täglich stets so viel passiert, dass es gerade in eine Zeitung passt ein Kopfschütteln zum Handling der Wirtschaftspresse mit dem Motto der New York Times: „All the News, that’s fit to print“.

Commerzbank Ende Juli: Der sommerlichen Hitze von Kostensenkungsprojekten ging auch bei der Commerzbank die Frühlingstimmung der Strategien 2016 voraus; das ist bei allen Banken ein fester Fahrplan. Zur Umsetzung ist’s dann meistens Winter. Kostendisziplin als dauernde Managementaufgabe hat Jörg Annuscheit (CoBa) nun auch für die IT entdeckt; für Letztere bekam die Bank vom BaFin bereits drei Rüffel. Immer an ihrer Seite: die schlechten Erwartungen der Börsenszene.

Und dann: Kurz vor Veröffentlichung der Quartalszahlen ermittelte DER AKTIONÄR, dass wieder Beruhigung käme, wenn der Kurs € 11,80 erreichen würde. Allen Unkenrufen zum Trotz fielen nicht die Kurse, sondern die Quartalszahlen gut aus. Die Aktie ist am 07.08. der Top-Gewinner im DAX: Tageshoch 10,87. Die Risiken im Geschäft mit Schiffs-, Immobilien- und Staatsfinanzierungen haben sich deutlich reduziert. Kurs am 11.8.: € 10,44; die Skepsis in der Szene bleibt: „An jedem Bounce der Aktie in Richtung der fallenden gleitenden Durchschnitte muss also derzeit gezweifelt werden und zwar solange, bis wir vom Gegenteil überzeugt werden“. Und wenn sie jetzt einen Dead Cat Bounce macht? Hat doch die Börsenszene beim Quartalsbericht schon einmal überrascht. Was macht der angekündigte Stellenabbau mit dem Bounce? Die geplante Auslagerung von rund 450 Stellen im Bereich Finance wird doch nur die Spitze des Eisbergs sein.

Deutsche Bank Ende Juli: Auch der sinkenden Unternehmenswert der Deutschen Bank wird wohl eine Sommerpause haben. Die Betrugsskandale, Strafzahlungen und auch die Richtungsweisung des BGH zur Benachteiligung der Kleinaktionäre beim Kauf der Postbank scheinen eingepreist zu sein. Zur Freude über die Ertragsstärke gesellen sich bei einigen Publizisten Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der eigenkapitalfressenden Kapitalmarktpiraterie mit Retail-Tender (PostBank).

Der Fall Leo Kirch erfüllt alle Voraussetzungen für Action in the Summer: eine Berufshaftpflichtversicherung für Manager (D&O) hatte natürlich auch Rolf E. Breuer, der laut Gericht getrickst hat und nun Schadenersatz pflichtet. Ist eine mögliche Klage wegen Betrugs eine mögliche Hürde für die Inanspruchnahme der D&O? Die Journalisten der Wirtschaftspresse sind darauf bis heute noch nicht gekommen. Sie monieren derweil die Abtretung der Ansprüche an die Bank als Trickserei. Vielleicht gibt’s andere Schlagzeilen, wenn alle nochmal die Bedingungen lesen.

Und dann:Mit der Bekanntgabe der Quartalszahlen sehen wir, dass weiter Unsicherheit von den Skandalen ausgeht und zugleich die guten operativen Zahlen den Kurs stabilisieren könnten. Die Kritiker am Geschäftsmodell verstummen natürlich: Das Investmentbanking ist die Stütze des guten Vorsteuerergebnisses. Anfang August geht der Sinkflug gemäßigt weiter. Könnte der LIBOR-Skandal via unangenehm für Co-Chef Anshu Jain doch noch den Kurs drücken? Erst einmal erfährt die Szene, dass Nadine Faruque im Konzernvorstand die oberste Beauftragte für gute Unternehmensführung wird. Dennoch fiel die Aktie durch den langjährigen Abwärtstrend. Randnotiz: gegen die Deutsche Bank laufen in USA rund 6000 Strafverfahren und das BaFin ermittelt.

Der Fall Leo Kirch bekommt zwei neue Aspekte: auf der einen Seite kooperiert Rolf E. Breuer und schon suchen die Analysten die neue Widerstandslinie, auf der anderen Seite hat Jürgen Fitschen seit dem 12. August ganz offiziell den Status eines Angeklagten. Trotz dieser erneuten personellen Kursrisiken sieht der ActienCheck checktechnisch Hoffnungen: in den Turbulenzen der letzten zwei Wochen sei die Aktie nahezu parallel zum Index gelaufen.

Espirito Santo Ende Juli: In den Konzernspinnen, so auch bei der portugiesischen Espirito Santo lauern und verstecken deren Architekten Risiken. Wenn eine Holding, hier die ESI, Gläubigerschutz anmeldet, so darf vermutet werden, dass sie für Risiken einer Tochter, hier der BES, nicht zur Verfügung steht; zur Sicherheit hat sie für zwei zwischengeschaltete Gesellschaften auch Gläubigerschutz beantragt. Alle sind hochnervös, nur DER AKTIONÄR meldete noch am 29. Juli gute Nachrichten für die BES, da die Kreditwürdigkeit Portugals (sic) von Moody’s angehoben wurde; geht’s noch? War das Problem der BES das Ranking Portugals? Und welche Interessen haben die opportunistischen Investoren Goldman Sachs und der Hedgefonds D.E. Shaw?

Und dann: bereits am 31.07. fuhr die Aktie in die Hölle: Die noch gesunden Retail- isoliert die Zentralbank von den Zombie-Bereichen und der Staat holte am 04.08. beide mit € 4,9 Mrd. wieder da raus. Der Retail-Bereich wechselt als Novo Banco zum Abwicklungsfonds der privaten Banken; den Aktionären und nachrangigen Gläubigern bleibt die untote Bad Bank. Dirk Elsner wies in diesem Blog darauf hin, dass an den Regularien und Versprechungen der Bankenunion vorbei der portugiesische Staatsaushalt erneut in die Bresche springen muss. Die in der WELT entknäuelte Konzernspinne bestätigt meine Vermutung von dem Haftungsgespinne. Inzwischen wird sogar die WiWo nachdenklich, wohl weil „wir (Crédit Agricole) von einer Familie betrogen worden sind, mit der wir eine echte Partnerschaft hatten“. Am 12.08. finde ich heraus, dass Francisco Machado da Cruz, der Buchhalter (mafiöse Geschäftsmodelle werden zurückgewiesen) des Espirito-Santo-Clans in einer Schweizer Gesellschaft auftaucht, die am 13. August von THE WALL STREET JOURNAL als der Steuermann der Konzernverschleierungen erkannt wird. Und während diese Eurofin alle Beteiligung abstreitet, vermuten die portugiesischen Ermittler, dass sie auch eine Rolle bei der Konstruktion undurchschaubarer Vehikel zur Finanzierung der Gruppe spielte.

Das Investment von Goldman Sachs und D.E. Shaw bleibt weiter ein Rätsel. Recht früh wurde schon kolportiert bzw. berichtet, dass die Wette wohl danebengegangen sei.

Bank of Cyprus Ende Juli: Kaum ist Zypern wieder an den Kapitalmarkt zurückgekehrt, nachdem auch Anleger und Investoren mit einer Zwangsabgabe zur Rettung der BoC beitragen mussten, stemmen die nach dem debt to equity überwiegend russischen Inhaber −auch sie unter den Aktivisten der dubiosen Kapitaltransfers vor dem Zugriff auf die Einlagen− eine weitere Kapitalerhöhung. Unterstützung haben die Anteilseigner vom US-Investor Wilbur Ross und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Das Kernkapital wird erhöht, um für den Stresstest der EZB gewappnet zu sein.

Und dann: ruhte still der See…

BayernLB Ende Juli: Seit Herbst vergangenen Jahres sucht die Bayerische Landesbank einen neuen Kapitalmarktchef. Nun soll der ehemalige Eurohypo-Vorstand Ralf Woitschig den Posten übernehmen. Mit Ralf Woitschigs Berufung unterstreicht die Bank, dass sie auf diesem Geschäftsfeld mit Großkunden, dem Mittelstand, Immobilienkunden und den Sparkassen wachsen will. Ralf Woitschig hatte von der Commerzbank in der Hypothekenbank Frankfurt (Ex Eurohypo) nur noch einen Abwicklungsauftrag.

Und dann: Die BayernLB braucht einen Strategen, der aus dem Casino wieder ein solides operatives Geschäft macht. Kapitalmarktaktivitäten als Dienstleister der Realwirtschaft: eine echte Aufbauarbeit, Herr Woitschig! Dazu sind Vorbereitungen nötig: Er will den USA mit der Deutschen Bank einen Vergleich wegen fauler Hypothekenpapiere anbieten. Zur Erinnerung: Die BayernLB hatte sich auf dem US-Hypothekenmarkt gänzlich verzockt. Doch welche Highlights liefert der Wirtschaftspresse Ralf Woitschig gegen Bernie Ecclestone? Kapitalmarktstrategien haben bei der BayernLB eben nicht den dramaturgischen Pepp wie die Verschleierung dubioser Investmentturbos. Nicht Woitschigs Bändigung der Zocker im Casino füllt das Sommerloch, sondern das Zocken mit Berni Ecclestone. Das Verfahren gegen ehemalige Vorstände um den Fehlkauf der Hypo Alpe Adria beginnt nach der Sommerpause. Kommt es vor Gericht anschließend oder parallel zum Show Down BayernLB gegen Berni Ecclestone?

Das Sommerloch hat seinen Job gemacht

Von Kostensenkungsprogrammen über BaFin-Rüffel, Zweifeln am Geschäftsmodell, sinkendem Unternehmenswert, gerichtlich festgestellten Tricksereien gegenüber Kunden, Haftungsverschleierungen, Milliardenverlusten, opportunistischen Investoren bei angeschlagenen Banken, dubiosen Kapitaltransfers, Haftungsverschleierungen unter Gläubigerschutz bis zur Säkularisierung des Casinos hatten der 28./29.Juli einiges zu bieten.

Scheinbar erfüllten nicht alle Highlights Ende Juli über das Sommerloch hinweg die Anforderungen an eine echte Nachricht. Wenn Aktualität, Prominenz und Dramatik erst zusammen die Action garantieren, damit weiter publiziert, gar recherchiert wird, haben alle Banken gezeigt, dass sie die Regeln der Wirtschaftspresse verstanden haben. Lediglich das WALL STREET JOURNAL ließ Espirito Santo schwächeln, als Mitte August der Buchhalter des Clans bei einer angeblich unscheinbaren Firma Arges vermuten ließ.

„Sieger“ ist diesmal die Commerzbank. Und das BMF ist gut beraten, gegenüber Schnäppchenjägern standhaft zu bleiben. Die guten Überraschungen haben das Kostensenkungsprogramm verschluckt. Den Preis für die mutigste Ablenkung vom Kerngeschäft kriegt die BayernLB: Wer mit Berni Ecclestone zockt, kann geräuschlos Ralf Woitschig als Kapitalmarktstrategen installieren

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Udo Stähler ist Diplom Volkswirt und Interim Manager. Er war über 25 Jahre in leitenden Funktionen im Firmen- und gewerblichen Immobilienkundengeschäft von Bankkonzernen, zuletzt bei einem Property und Asset Manager, tätig.

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