Apple Pay erzeugt zu wenig Druck auf die Banken – Zurücklehnen ist trotzdem nicht drin

by Dirk Elsner on 15. September 2014

Apple Pay ist endlich da. Im Internet-Hypecycle müsste das Thema eigentlich schon wieder out sein. Ich habe mich bereits ausführlich dazu geäußert in meiner aktuellen Kolumne:  Apple Pay: Vorerst gefahrlos für Banken:  Darin schrieb ich u.a., dass Apples Version vom mobilen Bezahlen per Smartphone keine Revolution ist, die das Banking umwälzen wird. Apple Pay drängt sich lediglich in bestehende Bezahlprozesse der klassischen Finanzindustrie und hofft auf ein Stück vom großen Gebührenkuchen. 

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Bezahlvorgang über einem Apfel

In der Zwischenzeit ist die Diskussion etwas weitergelaufen, daher hier noch ein paar Ergänzungen.

Disruption oder nicht?

Mich stört ja der Disruptions-Begriff (warum habe ich in diesem Beitrag erläutert) und die sich ständigen Vorhersagen, dass eine Technologie disruptiv sei . Für Präsentationen für VCs  und Leuten, denen man Beteiligungen oder Aktien verkaufen will, mag der Begriff ja taugen, nicht jedoch für die täglichen Beobachtungen. Ganz selten erweisen sich hier Prozesse und Entwicklungen als disruptiv und selten wird das richtig vorhergesagt. Aber wenn man alles als disruptiv bezeichnet, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, auch irgendwann mal einen Treffer zu landen.

Apple Pay kann in der jetzigen Form schon keine Disruption sein, wenn man die Definition des Begriffes (siehe dazu meinen oben verlinkten Artikel) ernst nimmt. Apple Pay ersetzt nämlich nicht bisherige Zahlprozesse, sondern setzt sich faktisch oben drauf (steht in meiner Kolumne). Ob daraus irgendwann was Disruptives entstehen kann, mag interessant für den Smalltalk sein, ist aber vorerst reines Wunschdenken.  Ansonsten denke ich, man liest einfach mal das, was Chris Skinner in “Apple dazzle or Apple schmazzle?” zu der Frage Disruption im Banking geschrieben hat:

“And here’s the final rider in this discussion: it’s not disrupting banking.

Nothing has disrupted banking.

Nothing in the last century.

Nothing.

Not ATMs, not internet banking, not mobile banking, not supermarket banking, not Virgin Banking, not even Google banking (which they haven’t done yet).

Instead, all of these developments have overlaid banking with additional services.

They are wrap-arounds of banking, not replacements for banking.

That’s what Apple announced yesterday.  It’s what Google and PayPal do; it’s what Square and Starbucks do; it’s what Simple and Moven are doing; and it’s no doubt what Facebook, Amazon and any number of others will do.

Nothing replaces banking because banking is licenced.

The only thing that could replace banking is bitcoin but, after MtGox, bitcoins will be banked too.

So get with it.

The new form of banking is the same as the old, but now it’s just with a much sexier front-end interface.”

Fairerweise muss ich allerdings auch hier ergänzen, dass ich kaum einen Autor oder Spezialisten gefunden habe, der sagt Apple disruptet den Payment-Prozess. Ich habe in den letzten Jahren vielleicht eine Überdosis an Vorträgen und Artikeln konsumiert von Leuten, die glaubten, die klassischen Banken verschwinden eines Tages. Ich glaube daran nicht. Der gegenwärtige Trend der meisten FinTechs ist ein anderer. Die aktuelle Richtung ist dier der “Collaborative Economy”. Genau das macht Apple. Der Konzern entwickelt pfiffige Technologie im Sinne der Kunden und dockt sie an die bestehenden Finanzökosysteme an. So machen es auch die meisten FinTechs. Die einzige Technologie, die derzeit disruptiven Charakter hat, ist das Bitcoin-Konzept (dazu gleich mehr).

Setzt Apple Pay Banken unter Druck?

Ich habe meine Kolumne mit “Vorerst gefahrlos für Banken” überschrieben. Der Grund ist der gleiche wie oben: Apple klingt sich tief in die bestehende Infrastruktur ein und schafft nicht etwa Neues. Vor dem Hintergrund, was wir in Asien und Afrika beim Bezahlen und im Banking sehen, ist Apple Pay langweilig und nicht einmal evolutionär. 

Aber wer weiß, auch Amazon.com hat sich einst einfach nur zwischen Verlag und Kunden gezwängt. Wir wissen mittlerweile, wie das Versandunternehmen durch Ausdehnung seine Position verbessert hat. Ähnliches ist auch mit Apple Pay möglich. Viele seiner eigenen Patente für das mobile Bezahlen oder eine Wallet hat Apple außerdem noch gar nicht für Pay eingesetzt. So fehlt etwa eine Funktion für Peer-to-Peer-Zahlungen, also direkte Zahlungen zwischen verschiedenen Pay-Nutzern. 

Jürgen Hill meint auf CIO, Apple Pay setzt die Banken unter Druck und sie werden links und rechts überholt von IT-Dienstleistern. Das stimmt. Aber sie bleiben wesentlicher Bestandteil der Wertschöpfungskette. Weder Apple Pay, noch Google Wallet oder PayPal funktionieren ohne die derzeitige Finanzinfrastruktur. Irgendwo steht am Anfang und Ende immer ein Bankkonto, über das die finale Verrechnung erfolgt. Hill macht später ein paar Handlungsempfehlungen für die deutschen Banken. Er schreibt richtig, dass dies eine schnelle Einigungsbereitschaft voraussetzt. Diese sehe ich allerdings nicht. Dazu kommt: Apple positioniert sich selbst nicht als Gegner der Banken, sondern bietet die Kooperation an. Das stärkt Apple und macht es schwer, eine gemeinsame Front gegen den Technologiekonzern aufzubauen.

Auch Jim Marous gibt sich in The Financial Brand ein wenig ernüchtert und fragt Is Apple Pay a Banking Trojan Horse?”. Ulrich Dietz meint im IT-Finanzmagazin, der Zug für die Banken in Deutschland in Sachen Payment sei noch nicht ganz abgefahren. Aktuell sehe ich eher, dass die Banken mit einer Dampflok einen ICE hinterherhecheln. Angeblich entwickelt ja die Deutsche Kreditwirtschaft eine eigene Anwendung, scheint damit aber nicht besonders gut voranzukommen. 

Müssen die Banken was tun?

Meine Position ist übrigens nicht die, die Ralf Keuper aus meiner Kolumne interpretiert, dass für Banken kein Handlungsdruck besteht.  Banken haben enormen Handlungsdruck beim Thema digitale Transformation. Aber von Apple hätten Banken noch deutlich mehr befürchten können als die jetzt vorgestellte Lösung. Apple hat eine Lösung gestrickt, von der letztlich auch die Banken profitieren, weil ihre Infrastruktur weiter genutzt wird. Dafür geben sie gern ein paar Körner (es sollen 0,15% sein) an Apple ab. Sie sparen sich eigene Entwicklungen und halten einen potenziell gefährlichen Wettbewerber weiter an der (langen) Leine.

Richtiger Druck entsteht erst, wenn (und das zeigen die Beispiele in Asien und Afrika) FinTechs beginnen, die jetzigen technischen und regulatorischen Netzwerke auszuschalten. Die Technologie dazu ist längst da. Die Lage ist für Banken (noch) nicht so ernst, wie das Ralf sieht, aber Zurücklehnen und die anderen machen lassen, ist absolut keine Option. Banken müssen dringend lernen, den digitalen Wandel zu verstehen und dürfen nicht ständig nur nach Gründen suchen, warum gerade sie das nicht betrifft. 

Und mit der Bitcoin-Technologie (nicht mit der digitalen Währung) steht außerdem ein Konzept bereit, dass sogar ich als disruptiv bezeichnen würde. Ich hatte dazu in Bitcoin reloaded elektrisiert die Profis geschrieben. Die Bank of England (BoE) hat dies gerade in einer eigenen Untersuchung bestätigt.  Ich zitiere mal Auszüge der Zusammenfassung vom Wall Street Journal zu der BoE-Studie:

“Der Nutzen der Technologie liege vor allem in ihrer Funktion als „dezentralisierte Buchführung.  … Traditionelle elektronische Zahlungssysteme, die etwa für Kreditkartentransaktionen oder Auslandsüberweisungen genutzt werden, hängen von einer zentralen Einrichtung ab, die Zahlungen überwacht und in einem einzigen System verarbeitet. Bitcoin ist anders: Die Währung ist absolut dezentralisiert, sodass Zahlungen zwischen zwei Personen abgewickelt werden können, ohne dass eine dritte Einrichtung dazwischensteht. Im Prinzip funktioniert die Digitalwährung wie Bargeld.  … Das ist ein wichtiger technologischer Fortschritt, der die Branche eines Tages verändern könnte. Die Bank of England sagt, sie könne sich eine Zukunft vorstellen, in der das dezentralisierte System der Bitcoin auf das existierende Finanzstruktur angewendet wird. So könnten womöglich Personen auch Euro und Dollar, Aktien und andere Wertpapiere elektronisch ohne Mittelsmann austauschen. Bei physischen Anlagegütern wie Gold existiert derzeit keine zentrale Verrechnungsstelle, sodass auch dort das Bitcoin-System Anwendung finden könnte. “

Das trifft exakt meine Position und ist auch der Grund, warum sich viele Leute im Finanzsektor mittlerweile ernsthaft mit der Bitcoin-Technologie beschäftigen. 

Die analoge Geldbörse hat noch lange nicht ausgedient

Ja, Apple Pay könnte dem mobilen Bezahlen endlich den erhofften Schub verschaffen. Allein der Glaube daran, wird mehr Händler dazu bringen, ihre Kartenterminals mit NFC aufzurüsten. Wenn Apple am Point of Sale nicht auf die blöde Idee kommt Apple Pay-Schilder aufzustellen oder gar eine Exklusivität einzufordern, dann profitieren auch andere Anbieter von dem neuen Hype. Krückenlösungen mit QR-Codes, bei denen das Bezahlen 2-3 Klicks mehr kosten, gehören dann der Vergangenheit an. Aber auf meine klassische Geldbörse werde ich deswegen noch lange nicht verzichten (daneben nutze ich ohnehin keine Apple-Produkte).  Die Konstrukte von Apple und anderen Anbietern sind hoch fragil und nicht robust gegen Störungen (kein Akku, Handy defekt oder geklaut, Leitungen gestört, Softwarefehler in der Anwendungskette etc.).  Daneben sollte nicht vergessen werden, dass einige Handelsketten schon explizit erklärt haben, dass sie Apple Pay nicht akzeptieren werden.

Braucht Apple eine Banklizenz?

Interessant ist noch die Frage, ob Apple eigentlich bestimmte regulatorische Zulassungen benötigt. Adam Levitin meint im Blog Credit Slips, Apple Pay wäre als Finanzinstitution in den USA zu regulieren.  Für Europa bzw. Deutschland erspare ich den Lesern hier eine spekulative Antwort auf die Frage, denn dazu müsste ich durch einschlägige Vorschriften (wie etwas das ZAG) führen und zu viel juristisch interpretieren.

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