Das Geheimnis der Immobilien-Messe EXPO REAL

by Udo Stähler on 17. September 2014

Seit 1998 findet die EXPO REAL jährlich Anfang Oktober –mit einer Ausnahme– direkt im Anschluss an das Münchner Oktoberfest statt. 1999 „fiel die Messe in das Oktoberfest hinein“; bei diesem meinem ersten Messebesuch ahnte ich, dass die EXPO REAL auch trotz Oktoberfest neben Cannes eine ernst zu nehmende zweite wichtige Messe in Europa für die Immobilienwirtschaft werden wird. Und es hat funktioniert. Was ist das Geheimnis der EXPO REAL?

Die Protagonisten der EXPO REAL haben mehrfach Anlass, sich und ihr Business einmal jährlich auf großer Bühne zu extemporieren. Dafür, dass die Immobilienwirtschaft eine der größten Wirtschaftszweige in Deutschland ist, die zudem im Unterschied zu anderen Sektoren und der Immobilienwirtschaft anderer Staaten in der Finanz- und Wirtschaftskrise stabil geblieben ist, wurde sie lange Zeit stiefmütterlich behandelt. Bau war eben Bau und in der Wissenschaft fand der „Bau“ bis zur Gründung der EBS faktisch überhaupt nicht statt. Bezeichnenderweise wurde die EBS erst 1989 viele Jahre nach ihrer Gründung als wissenschaftliche Hochschule anerkannt. Weil die EBS mitgeholfen hat, die Branche aus der „Bauecke“ heraus zu holen und die Beachtung in der Gesellschaft zu erhöhen, nimmt der Skandal mit Trinkgelage unter Studenten, zerstrittenen Professoren und einem Präsidenten vor dem Haftrichter einen Zacken aus der Krone der Immobilienprofis.

Vor diesem Hintergrund präsentiert sich die Branche auf der EXPO REAL mit erhobenem Haupt, zeigt sich, zeigt wie sie sich fühlt, wie sie gesehen werden will und liefert angesichts der Veränderungen im Geschäftsverlauf und der Problemstellungen in den Foren, auf den Gängen und hinter den Kulissen ein Gemälde dieser wichtigen Wirtschaftsbranche. Schauen wir uns beispielhaft die Themen 2009, 2011 und 2013 an. Können wir das Geheimnis lüften? Was kommt 2014?

Auf der EXPO REAL ist das gesamte Spektrum von Immobilienberatern und Projektentwicklern, Banken und Investoren, Corporate Real Estate Managern, Städten und Wirtschaftsregionen sowie Dienstleistern rund um die Immobilie vertreten. 2013 zählte die Messe München rund 36.000 Besucher und 1.663 Aussteller. Die Veranstaltung wird von einem umfangreichen Konferenzprogramm begleitet: In fünf Foren diskutieren 400 Referenten über aktuelle Trends und Innovationen des Immobilien-, Investitions- und Finanzierungsmarktes.

Nachdem ich noch 1999 die EXPO REAL als Flaniermeile erlebt habe, deren Akteure ihren Erfolg genossen, war die Stimmung zehn Jahre später am Boden. Die einschlägigen Veranstaltungen, auf denen stolz die Kapitalmarktfähigkeit −wieder so ein Ritterschlag− großer Immobiliengesellschaften gefeiert wurde, hatte ich noch im Kopf, als ich 2009 die realen Immobilienprofis erlebte, die nur noch ein Thema hatten: wie kriege ich mein Projekt finanziert? Obwohl ich längst vom Banker zum Property und Asset Manager geworden war −auch mein Messestand war ja nun ein anderer−, hatten meine „alten“ Kunden vorbeigeschaut und mir unisono vorgeworfen: „Der Kapitalmarkt soll uns doch gefälligst wieder vernünftig arbeiten lassen“. Gerade diese schwierige Zeit hat mir den Blick für das Geheimnis dieser Messe geöffnet: aus einem Schaufenster zum Schaulaufen wurde ein Familienfest, auf dem kritisch und solidarisch Chancen und Risiken zukünftiger Anforderungen diskutiert wurden. Weil gute Immobilien-Projekte flüchtige Kapitalmarktagonie nicht mehr überzeugen konnten, wurde die Besinnung auf die eigenen Stärken größer und die Stimmung war gedrückt.

Bereits in 2011 war das Selbstbewusstsein wieder da. Die Fragen aus der Finanzkrise sind –wie übrigens auch die noch zu ziehenden Lehren− zwar geblieben, aber der Stolz auf die eigenen Leistungen hat den Umgang damit verändert. Der Wechsel der Gezeiten war das bestimmende Thema der Messe. „Die Messe hätte nicht zu einem besseren Zeitpunkt kommen können“, sagte Andreas Mattner, Präsident des Branchenverbandes ZIA. Was die Profis in ihrem Alltag bewältigen müssen, belebt und bewegt die Messe. Die Präsentation der eigenen Leistungen ist zur Kulisse eines einmaligen Diskurses über das Für und Wider, die Veränderungen und soliden Grundlagen in der Immobilienwirtschaft geworden.

Auf der letztjährigen EXPO REAL haben auch wieder ausländische Investoren großes Interesse am deutschen Gewerbeimmobilienmarkt gezeigt. Solidität ist ein Markenzeichen. Für 2014 erwarten Experten Ende 2013 eine kräftige Belebung am Bürovermietungsmarkt. Nach damaligen Prognosen soll die deutsche Wirtschaft dieses Jahr deutlich anziehen. Besonders optimistisch war das Kieler Institut für Weltwirtschaft. Nach Einschätzung seiner Ökonomen soll das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland 2014 um 1,8 Prozent steigen und damit fast viermal so kräftig wie in 2013. Zum Glück ist die reale Immobilienwirtschaft trotz EBS am Boden geblieben.

Weniger die Wirtschaftsprognosen als die zukünftigen Rahmenbedingungen dürften dieses Jahr eine Rolle spielen; bis hin zu der auf den Ersten Blick verwegenen Frage, „das Verhalten der Nutzer zu steuern“ (Rolf F. Bode, atmosgrad GmbH). Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft wird vor dem Hintergrund von Energiewende und Effizienzvorgaben zeigen müssen, dass die Bewältigung struktureller Veränderungen ihre Stärke ist; eben real wirtschaften. Die Finanzkrise und ihre Auswirkungen werden wieder viel beachtete Themen in den Foren sein. Vom BER und der Elbphilharmonie habe ich noch nichts gehört. Dennoch: Berlin/Brandenburg und Hamburg bleiben Stände, die besonders gut die Entwicklung von Regionen verfolgen lassen. Ob nun HafenCity oder Speckgürtel: das ist handfest; eben real wirtschaften.

Das Geheimnis der EXPO REAL ist die Melange aus Präsentation und Nabelschau, aus Bestätigung und Unverständnis, Zukunftsgemälde und Eitelkeit. Das Leben der Immobilienwirtschaft hat in München eine Bühne. Nicht zu vergessen der Klatsch und Tratsch rund um diese in ihren Facetten und ihrem Gebaren bunte Branche: wer ist da und wer nicht? Und auch nicht zu vergessen: Auf dieser Bühne werden Geschäftskontakte gepflegt und natürlich auch geknüpft.

 

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Udo Stähler ist Diplom Volkswirt, Interim Manager und Partner der REAL ESTATE EXECUTIVES, die sich auf der EXPO REAL erstmals dem Fachpublikum präsentieren werden. Er war über 25 Jahre in leitenden Funktionen im Firmen- und gewerblichen Immobilienkundengeschäft von Bankkonzernen, zuletzt bei einem Property und Asset Manager, tätig.

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