Die EBA renoviert die 2. Säule des Baseler Regelwerkes – SREP reloaded

by Dirk Elsner on 15. Oktober 2014

Gastbeitrag von Mario H. Sladek, TriSolutions GmbH und Dr. Frank Richter, HSH Nordbank AG*

Der qualitative Überwachungsprozess – Supervisory Review Process (SREP) – ist neben den quantitativen Mindesteigenkapitalanforderungen und den Offenlegungsvorschriften eine der tragenden Säulen des aufsichtsrechtlichen Regelwerkes.

Die Entwicklung der regulatorischen Normen und Leitlinien wird seitens der europäischen Bankaufsichtsbehörde (EBA) und des Baseler Komitees für Bankenaufsicht  (BCBS) intensiv vorangetrieben. Obgleich die Architektur weiterhin dem mit Basel II ins Leben gerufenen Bauplan folgt, werden doch massive Umbauarbeiten an den Fundamenten der vorhandenen Säulen vorgenommen und die Statik noch stärker auf europäische Maßstäbe ausgerichtet. Geht es nach dem Zeitplan der Bauherren in Basel (BCBS), London (EBA) und Frankfurt (EZB), wird der Blick ab 2016 auf die dann frisch renovierte 2. Säule freigegeben.

Vom mikro- zum makroprudenziellen und ganzheitlichen Ansatz

Was verbirgt sich hinter dem Konsultationspapier mit der Kennzeichnung EBA-CP-2014-14? Die Institute werden sich nach dem Proportionalitätsprinzip auf erhebliche Änderungen und Anpassungen einstellen müssen und die bisher mit Säule 2 gewohnten Methoden und Freiheitsgrade werden einer noch stärkeren – auch quantitativen – Beurteilung (Scoring) durch die Aufsicht unterzogen. Dies umfasst alle wesentlichen Elemente wie Kapital, Liquidität, Governance, Kontrollsystem und ‚last but not least‘ Geschäftsmodell. Letzteres wird zu umfangreichen Diskussionen nicht nur bei Aufsehern sondern auch bei den Instituten selbst führen, da dies einen Paradigmenwechsel im aufsichtsrechtlichen Kalkül bedeutet. Indem das Geschäftsmodell bzw. die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells in die Sichtachse der aufsichtsrechtlichen Beurteilung rückt, dürften nicht wenige darin einen Eingriff in die wirtschaftliche Selbstbestimmung der Institute sehen.

Umfangreiche Anforderungen an das Meldewesen

 

Je nach Größe des Institutes werden Art, Umfang und Turnus der Kontrollen im Rahmen von insgesamt vier Kategorien festgelegt. Davon hängt ab, ob ein global-systemrelevantes Institut den SREP jährlich oder im Falle eines kleinen Institutes alle drei Jahre durchlaufen muss. Auf die Institute dürfte darüber hinaus eine Reihe von neuen und umfangreicheren Reporting-Formaten zukommen mit denen die Aufsicht vierteljährlich sowohl finanzielle als auch nicht finanzielle Schlüssel-Indikatoren beobachten und kontrollieren wird. Dass es sich dabei nicht nur um einen zusätzlichen Meldebogen handeln dürfte, zeigt die Bandbreite an Indikatoren, welche sämtliche Daten und Kennzahlen aus dem regulatorischen Meldewesen von Säule 1 und 2 sowie Geschäfts- und Marktindikatoren umfasst. Nachdem die Branche mit BCBS 239 bereits einen Vorgeschmack über die Vorstellungen der Aufsicht hinsichtlich Organisation eines effektiven Risikodatenmanagements erhalten hat, werden mit dem neuen SREP noch weitere Anforderungen auf das regulatorische Meldewesens der Institute zukommen.

Mit vier Analysen zum holistischen Ansatz

Nachdem die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) bereits einen mehrstufigen Geschäfts- und Risikostrategieprozess vorschreiben und die Risikotragfähigkeit den Kern der Gesamtbankrisikosteuerung bildet, werden mit dem neuen SREP auch die Tragfähigkeit und Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells und überdies die strategischen Risiken auf den Prüfstand gestellt. Derzeit kämpfen noch viele Häuser mit den Altlasten der Finanz- und Staatsschuldenkrise. Darin wird deutlich, dass sich die Aufsicht um einen, wenn auch nicht unumstrittenen, Ansatz bemüht, mit dem sich die Analyse von Geschäftsmodellen im Hinblick auf eine nachhaltige Strategie und Finanzplanung erlernen lässt und eine effektive Kontrolle ermöglicht wird. Die hierfür erforderlichen Informations- und Kontrollsysteme müssen noch im Hinblick auf Reporting-, Daten- und Meldeformate entwickelt werden.

Die Einrichtung wirksamer Governance-Strukturen und diesbezügliche Kontrollprozesse wurde letztlich im Rahmen der 4. MaRisk Novelle manifestiert. Die Aufsicht möchte nunmehr auch einen gesamtheitlichen Blick auf die Governance- und Risikomanagementorganisation werfen. Neben ICAAP und RTF-Prozessen wird an einem neuen Format, dem ILAAP gearbeitet. Damit sollen Rückschlüsse auf Risiken im Geschäftsmodell und im Risikomanagement der Institute möglich und Handlungsbedarfe adressiert werden.

Der Grundkonzeption der Bankenaufsicht folgend, ist die Kapitalisierung maßgeblich für die Risikotragfähigkeit. Daher wird hier weiterhin der Ankerpunkt der Kontrollen liegen. Neu wird sein, dass die EBA Markt-, Adress-, Zinsbuchrisiken und operationelle Risiken eigenständig quantifiziert und dabei auch einen Blick auf die jeweiligen Risikomanagementkapazitäten wirft. Um das zu ermöglichen, wird der Informationsbedarf entsprechend groß und breitgefächert sein. Dies umfasst u.a. sämtliche internen als auch externen Risikoberichtsformate (u.a. ICAAP Analysen). In die Kapitalbewertung werden nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Merkmale wie Kontrollrisiken und Governance-Mängel einfließen und die entsprechende Kapital-Adäquanz definieren. Dies könnte den Abschied von Freiheitsgraden und Öffnungsklauseln des bisher gewohnten ICAAP bedeuten, da die Ergebnisse institutsspezifischer Risikoquantifizierungsverfahren auch den Berechnungsmethoden der Aufsicht standhalten müssen.

Seit der letzten Finanzkrise erfuhren die Liquiditätsrisiken eine Renaissance. Mit Basel III wurden neue Kennziffern, LCR und NSFR, eingeführt. Fundingpläne und Monitoring Tools erweitern aktuell das Spektrum der EZB-Aufsicht. Insbesondere die Konzentrationen bei Refinanzierungsinstrumenten und Mittelgebern sowie Counterbalance Capacity sind schon konkretisiert. Der neue SREP wird jedoch um eine aufsichtseigene, europaweit einheitliche quantitative Bewertung ergänzt. Der Schwerpunkt wird zudem auf stressgetesteten Funding-Potentialen bzw. liquiditätsspezifischen Planungen und Risikoprofilen liegen. Insgesamt werden die bisherigen Freiheitsgrade auch bei der Messung und Darstellung des Liquiditätsrisikos deutlich eingeschränkt. Je nach SREP Ergebnis kann die Aufsicht beispielsweise einen höheren LCR, Adjustierungen in den Zeiträumen von Zu- und Abflüssen aber auch im Hinblick auf die Zusammensetzung der Liquid-Assets bestimmen.

 

Fazit

CRR/CRD IV und MaRisk bilden bereits einen soliden aufsichtsrechtlichen Rahmen. Dieser wird nun zu einem ganzheitlichen Ansatz weiterentwickelt. Die Eingriffsmöglichkeiten der Aufsicht werden enorm erweitert bis hin zu Sanierung und Abwicklung. Auch das Geschäftsmodell ist für den SREP kein Tabu mehr. Der prinzipienbasierte Ansatz der MaRisk bleibt dem Grunde nach erhalten, jedoch werden die Modellfreiheiten und bislang gewohnten Freiheitsgrade eingeschränkt und die Regelgebundenheit nimmt zu. Die bisher mit teilweise erheblichem Aufwand implementierten Risikotragfähigkeitskonzepte und Kalküle werden um zusätzliche regelbasierte quantitative und qualitative Aspekte erweitert, so dass die Baustellen zunächst größer und nicht kleiner werden dürften. Die verstärkte Regelbasiertheit und Standardisierung von Risikomessverfahren wird u.a. dazu führen, dass Überleitungsrechnungen zu Säule 1 Ergebnissen erforderlich und die Steuerungskreise aufeinander abgestimmt werden müssen. Daraus resultieren ggf. aufbau- und ablauforganisatorische Anpassungen in vielen Häusern, wo die Datenhaushalte und Steuerungskreise noch ‚historisch‘ bedingt voneinander getrennt sind.


* Die Autoren

Mario H. Sladek ist Berater bei der TriSolutions GmbH, einer auf Risikomanagement und Gesamtbanksteuerung spezialisierten Unternehmensberatung. Die Schwerpunkte seiner Beratungstätigkeit liegen in der strategischen Gesamtbank- und Risikosteuerung (ICAAP) und bei der ganzheitlichen Umsetzung von regulatorischen Anforderungen (u.a. MaRisk, Basel III). Davor arbeitete Herr Sladek viele Jahre im Risiko- und Auditmanagement international tätiger Groß- und Investmentbanken im In- und Ausland. Sein Betriebswirtschaftsstudium absolvierte er an der Fachhochschule der Deutschen Bundesbank.

Dr. Frank Richter ist seit 2007 tätig im Liquiditätsmanagement der HSH Nordbank AG und davon vier Jahre verantwortlich für die Steuerung des Zahlungsunfähigkeitsrisikos, der regulatorischen Liquiditätskennziffern sowie Bereiche des Funds-Transfer-Pricing. Aktuell ist er fachlicher Projektleiter Basel III LCR / NSFR und Asset Encumbrance. Davor hat er bei einem Softwarehersteller Datawarehouse und Data-Mining Projekte durchgeführt.

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