MiFID II: Neue Herausforderungen im Management von Audiobeweisen

by Dirk Elsner on 29. Oktober 2014

Von Deborah Blaxell und Martin Bonney*

Einführung

Die EU-Richtlinie MiFID verlangt von in der EU tätigen Finanzdienstleistungsorganisationen, sämtliche E-Mails mit Kundenaufträgen und Aufzeichnungen von Telefongesprächen für die Dauer von drei Jahren aufzubewahren (Abschnitt 2.6 Seiten 32-38, „MiFID II, Finanzmärkte und Technologie“, 22. Mai 2014). Unternehmen, die dieser Verordnung unterfallen, müssen dafür sorgen, dass sie über geeignete Verfahren verfügen, um diesen Anforderungen zu genügen, bevor die Richtlinie im Jahr 2015 umgesetzt wird.

Die Menge an Verordnungen für Unternehmen auf dem Finanzsektor nimmt weiterhin zu. MiFID II, vom Europäischen Parlament im April 2014 verabschiedet, zielt darauf ab, die Finanzmärkte effizienter, widerstandsfähiger und transparenter zu gestalten und den Anlegerschutz zu verbessern. Sobald diese Regelungen 2015 umgesetzt werden, wird ein Schlüsselabschnitt darin von Finanzdienstleistungsfirmen in der EU (einschließlich Investmentbanken, Portfoliomanagern, Börsenmaklern, Unternehmen im Bereich Corporate Finance und Warentermingeschäften sowie einigen Rohstoffunternehmen) verlangen, sämtliche Kundenanrufe aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen über einen Zeitraum von drei Jahren aufzubewahren.

Gleichzeitig mit der Menge der Verordnungen steigt auch die Menge an Daten, die in diesen Sparten anfallen. Ein typisches Fortune 500-Unternehmen kann jährlich etliche Petabytes an Informationen erzeugen. Schätzungsweise 100 E-Mails erhält und sendet jeder Mitarbeiter täglich und jeder Datenwert landet auf dem Schreibtisch von Dutzenden, wenn nicht gar Hunderten von Personen. Unabhängig davon, ob auf Festplatte, in Datenbanken, auf transportablen Medien wie USB-Sticks oder CDs oder auf Backup-Trägern gespeichert, werden diese Datenmengen archiviert und kopiert und wachsen exponentiell an.

Nach einer im Jahr 2012 durchgeführten Umfrage wurden allein in dem Jahr 2,8 Zettabyte an Informationen erzeugt. Prognostiziert wird ein Anwachsen auf 40 Zettabyte im Jahr 2020, was ein 50-faches Wachstum seit Beginn des Jahres 2010 darstellen würde.

Das Datenvolumen und die Tatsache, dass diese Daten in den unterschiedlichsten Formen daherkommen, stellt für Unternehmen eine große Herausforderung dar, wenn es darum geht, sie im Zuge einer Untersuchung in Bezug auf relevante Beweise zu durchsuchen und zu überprüfen. Insbesondere Audio-Beweismittel können für einen Rechtsfall von entscheidender Bedeutung sein und so kann das Versäumnis, solche Beweismittel effizient zu handhaben, ein Unternehmen gerichtlichem Tadel aussetzen, seine Publicity ruinieren und empfindliche Geldbußen durch Regulierungsbehörden mit sich bringen. Beispiele der jüngeren Vergangenheit umfassen beispielsweise die Geldstrafe, die einer großen Finanzorganisation im Jahr 2012 nach Manipulationen des Libor-Zinssatzes von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA, zusammen mit Aufsichtsbehörden in den USA und dem Vereinigten Königreich, auferlegt wurde.

Auch namhafte deutsche Unternehmen wurden von den Aufsichtsbehörden in der Vergangenheit abgestraft. 2008 wurde Siemens von der US-Justizbehörde und der Börsenaufsichtsbehörde (SEC) eine Geldstrafe in Höhe von 800 Mio. USD auferlegt. Dem Unternehmen wurde Bestechung und versuchte Manipulation von Geschäftsbüchern gem. dem Foreign Corrupt Practices Act vorgeworfen. Zwei Jahre danach geriet Daimler für die Zahlung von Bestechungsgeldern zur Sicherung von Regierungsaufträgen in Höhe von mehreren zehn Millionen US-Dollar in mindestens 22 Ländern ins Kreuzfeuer. Das US-Justizministerium und die Börsenbehörde wiesen den Autobauer an, eine Strafe in Höhe von 185 Mio. USD zu zahlen. Erst kürzlich wurde bekannt gegeben, dass die Commerzbank derzeit mit den US-Behörden über eine Strafe wegen angeblicher Geschäfte mit Ländern, die sich auf der Schwarzen Liste der USA befinden, in Verhandlung steht. Das Ergebnis der Verhandlungen soll in einigen Wochen bekannt gegeben werden und wird wahrscheinlich eine Zahlung von mindestens 500 Mio. USD zur Folge haben.

Deutsche Unternehmen wie die oben genannten, die auf internationaler Ebene operieren, müssen möglicherweise bereits Audiodaten erfassen, überprüfen und vorweisen können, da viele Gerichtsbarkeiten mittlerweile Verordnungen eingeführt haben, die die Aufbewahrung solcher Nachweise verlangen. In Großbritannien beispielsweise führte die Financial Services Authority (FSA) im Jahr 2008 Vorschriften ein, die verlangen, dass sämtliche der Aufsicht der FSA unterfallenden Firmen alle sich auf Kundenaufträge und die Abwicklung von Transaktionen im Bereich Aktien-, Obligationen- und Derivatmärkte beziehende telefonischen Gespräche und elektronische Kommunikation aufzeichnen. Im November 2011 wurde diese Auflage auf die Aufzeichnung von Mobiltelefongesprächen, die sich auf Kundenaufträge und Transaktionen der beaufsichtigten Firmen beziehen, erweitert.

Dennoch stellt es europaweit nach wie vor eine Herausforderung dar, Audiodaten zu verwalten. Kürzlich durchgeführte Befragungen von leitenden Entscheidungsträgern führender Blue-Chip-Unternehmen in vier europäischen Gebieten – Großbritannien, Deutschland, Schweiz und die Niederlande – machten wichtige Trends in den Bereichen eDisclosure und Dokumentenprüfung innerhalb des Unternehmenssektors deutlich. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die verhältnismäßig neue Herausforderung, die die Zulässigkeit von Audiobeweisen darstellt, von den meisten Unternehmen, auch von im Finanzsektor tätigen Unternehmen, erst noch umfassend angegangen werden muss.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Verwaltung von Audiodaten für mehr als ein Drittel (38 Prozent) führender Unternehmen in Europa eine „große Herausforderung“ darstellt. Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Umfrageteilnehmer sagten zudem, dass das Bedürfnis besteht, Verfahren zu verbessern, um die Zulässigkeit von Audiobeweisen zu handhaben.

Die Vielzahl von Geräten, mit denen heutzutage Gespräche aufgenommen werden können, macht die Gewinnung von Audiobeweisen zunehmend schwieriger und es entstehen fortwährend weiter dazu entwickelte Lösungen und Technologien. Die traditionelle Methode der Überprüfung, bei der eine Person sich etliche Stunden aufgenommener Gespräche anhört, ist nicht ausbaufähig. Unternehmen auf dem Finanzsektor müssen sicherstellen, dass sie sich über Technologien und Techniken, die für den Umgang mit Audio-Beweismitteln zur Verfügung stehen, auf dem Laufenden halten. Es ist eine Herausforderung, Audio-Beweismittel effizient zu handhaben, so dass deren Kosten im Vergleich zu den Gesamtkosten verhältnismäßig bleiben. Dennoch wird es für Unternehmen zunehmend schwieriger werden, sich darüber zu beklagen, dass der Umgang mit Audio-Beweismitteln zu komplex sei. Seit jeher sind zwar die Technologien entscheidend für die Bereitstellung einer Lösung; eine gut durchdachte Vorgehensweise und die Erwägung der zur Verfügung stehenden Optionen kommt jedoch all denjenigen zu Gute, die Audio-Beweismittel untersuchen, überprüfen und offenlegen sollen.

Ergebnis

Jetzt da die MiFID-Verordnungen kommen, sollten Unternehmen vorausplanen, um dafür zu sorgen, dass sie über Verfahren zu deren Einhaltung verfügen. Dadurch werden die damit verbundenen Kosten minimiert und die Unternehmen verschaffen sich beste Ausgangsmöglichkeiten dazu, rechtzeitig und effizient auf ordnungsbehördliche Untersuchungen zu reagieren, sollte sich die Notwendigkeit dazu ergeben.


Deborah Blaxell ist juristische Beraterin und Martin Bonney, internationaler Direktor Beratungsdienstleistungen, Epiq Systems.

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