Was der Pahoa-Lavastrom auf Big Island (Hawaii) mit ökonomischen Vorhersagen zu tun hat

by Dirk Elsner on 7. November 2014

Seit Monaten beobachte ich mit Schrecken aber auch einer gewissen Faszination die Meldungen über den Fluss eines aktiven Lavastroms auf Big Island, Hawaii (in meiner @blicklog Medienschau fast täglich am Ende in der Rubrik Blickrand). Dort bewegt sich seit Monaten in Slowmotion die Lava aus einem seit 1983 dauernden Ausbrauch des Kilaueas auf das Dorf Pahoa zu und hat es mittlerweile erreicht. Mein Interesse ist auch deswegen so hoch, weil wir ganz in der Nähe dieses Lavastroms für einige Tage ein Cottage über AirBnB gemietet hatten und derzeit die Hauptzufahrtsstraße (Highway130) zu dieser wunderbaren Unterkunft laut der Nachrichten die Sperrung droht. In der vergangenen Woche erreichte der Lavastrom nun auch die deutsche Medien (siehe z.B. Spiegel Online: Lavastrom wälzt sich durch Wohngebiet).

Foto USGS via Flickr/Greg Bishop 

Hier auch ein Video dazu

Neben dem rein privaten Interesse ist mir aufgefallen, dass man aus dem Verlauf des Lavastrom wieder eine ganz Menge über Vorhersagen lernen kann, nämlich wie vorsichtig man mit ihnen umgehen sollte.

Aus den täglichen Berichten des Hawaiian Volcano Obervatorys über den Verlauf, die Geschwindigkeit und die Intensität des Stroms des Kilauea, wird deutlich, wie schwer es ist diese drei Faktoren zu prognostizieren. Die Vulkanforscher vor Ort geben ein tägliches Bulletin mit dem aktuellen Status des Verlaufs raus. Dazu gibt es täglich aktualisiertes Kartenmaterial und zum Teil faszinierende Fotos und Videos.

Die Berichte machen deutlich, wie schwer oder nahezu unmöglich hier Vorhersagen sind. Mal bewegt sich der Strom vergleichsweise schnell, mal stockt er für ein paar Tage, mal nimmt er eine andere Richtung, mal versiegt oder verstärkt sich eine Abzweigung, die dann plötzlich wieder auf den Hauptarm trifft. Entsprechend vorsichtig sind die sehr erfahrenen Vulkanologen auf Big Island, der größten Insel Hawaiis.

Hier drängt sich einfach wieder einmal eine Parallele zu ökonomische Vorhersagen bzw. von Finanzmarktprognosen auf. Auch hier können Forscher und Analysten manchmal Trends richtig bestimmen, zu anderen Zeitpunkten aber vollkommen daneben liegen. Manchmal stimmen die Richtungen der Vorhersagen, aber nicht die Ausprägungen. Oft entwickeln sich  Finanzmärkte überraschend in eine andere Richtung, mal bewegen sie sich wie erwartet.

Der Unterschied nur, die Geologen betonen ständig wie unvorhersehbar sich die Situation verändern kann, wie etwa in diesem Bericht

“Because of the unpredictable nature of the flow that began June 27, geologists and county officials are not making any predictions about where the lava will go next — or when.

Solche Zeugnisse intellektueller Bescheidenheit findet man in veröffentlichten ökonomischen Vorhersagen selten, allenfalls in Fußnoten oder Anhängen. Insbesondere Finanzmarktprognosen werden oft mit großer Eloquenz und Bestimmtheit vorgetragen, als folgten die Modelle einer gesetzlichen Logik. Ich vermute, das hat vor allem  marketingtechnische Gründe, denn mit ökonomischen Vorhersagen bzw. darauf aufbauenden Anlageentscheidungen wird Geld verdient. Und je bestimmter sie vorgetragen werden, desto eher werden sie geglaubt. Wer bei seiner Prognose zaudert oder sie selbst in Frage stellt, wirkt auf Entscheidungsträger und Investoren nicht glaubwürdig. Viele erwarten in der betriebswirtschaftlichen Praxis klare und präzise Angaben. Zweifel sind hier nicht erwünscht.

Mittlerweile hat der Strom bewohnte Gebiete erreicht. Betroffen ist die Ortschaft Pahoa, die quasi diese Katastrophe mit Ansage verfolgen kann. Dort scheint es freilich nicht als Katastrophe, sondern eher als ein ein Event oder gar Happening zu sehen, wie dieses Video auf YouTube zeigt. Kurz vor dem Erreichen der ersten Häuser stoppte übrigens der Strom und erkaltete.

PS

Bemerkenswert finde ich, dass es kaum Versuche zu geben scheint, den in Superzeitlupe fließenden Strom zu stoppen oder umzuleiten. Dass man den Lavastrom nicht umleiten oder stoppen will oder kann, scheint neben technischen auch kulturelle Gründe zu haben, wenn man einer FAQ der Hawaiianischen Zeitung Star Advisor glauben will. Dort steht u.a. auf die Frage: Can anything be done to stop it?

"Residents have expressed anger at suggestions to divert the Kilauea flow, saying it’s culturally insensitive to interfere with the will of Pele, the Hawaiian volcano goddess."

Pele ist nach hawaiischem Glauben eineVulkangöttin, die dort sehr respektiert wird. Sie haust der Legende nach in einem Krater des Vulkans Kilauea soll jeden verfluchen, der ein Stückchen Vulkangestein von den Inseln mitnehmen will (siehe Planet Wissen). So hätte ich auch Ärger von meiner Frau bekommen, wenn ich hier ein Souvenir von Pele mitgenommen hätte. Im Gegensatz zum Rest der USA und uns Europäern zeichnet viele Hawaiianer ein großer Respekt vor den Kräften der Natur aus. Vielleicht hat deswegen auch Pele bisher bei diesem Strom Wohnhäuser verschont.

Laufende Berichte zum Lava Flow hier vom Star Advertiser

Alexander November 8, 2014 um 14:25 Uhr

Interessanter Bericht mit faszinierenden Fotos.

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