Warum Keynes heute wichtig ist

by Gastbeitrag on 27. November 2014

Gastbeitrag von Acemaxx Analytics’*

Wenn die nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound), verliert die herkömmliche Geldpolitik an Wirksamkeit, weil die Zinsen nicht unter null gesenkt werden können, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Gemäß der Standard-Lehrbücher der Wirtschaftswissenschaft erzielt bei Zinsen nahe null die Fiskalpolitik die beste Hebelwirkung, wie Jean-Pierre Danthine, Vizepräsident des Direktoriums der SNB einst unterstrichen hat.

Leider sehen sich die meisten Regierungen angesichts der politischen Realitäten außer Stande, expansive Fiskalpolitik einzusetzen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzuregen, während das Wirtschaftswachstum weiterhin schwach bleibt und die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau verharrt.

Die Gegenwehr gegen Fiscal Stimulus à la Keynes basiert i.d.R. auf der Theorie der Ricardianischen Äquivalenz, wonach eine vorübergehende Steuersenkung die Ausgaben nicht stimulieren kann, weil die Menschen denken, dass die gegenwärtige Ausbeute durch Steuererhöhungen in Zukunft wieder wettgemacht würden.

Peter Temin und David Vines erklären in einem lesenswerten Artikel („Why Keynes is important today?“) in voxeu, warum der Ricardianische Ansatz nichts taugt.

Die Theorie der Ricardianischen Äquivalenz, die die derzeitige ökonomische Diskussion dominiert, beruht auf zwei wichtige Annahmen: (1) die Verbraucher sind „vorausschauend“ (forward looking) und (2) die Preise sind flexibel.

Sobald ein Keynesianer eine expansive Fiskalpolitik vorschlägt, kommt ein moderner Ökonom mit dem Hinweis auf die Ricardianische Äquivalenz, beschreiben die Autoren.

Keynes ging davon aus, dass erstens die Verbraucher nicht allermeiste Zeit zukunftsbezogen handeln, wenn sie z.B. durch Mangel an Einkommen eingeschränkt sind und dass zweitens die Preise nicht flexibel sind. Insbesondere die Löhne sind in der kurzen Frist nach unten starr (sticky). Diese Annahmen erklären den Anstieg der unfreiwilligen (involuntary) Arbeitslosigkeit, die mit einer expansiven Fiskalpolitik bekämpft werden kann.

Die Frage ist aber, welche Theorie heute relevant ist?

Temin und Vines argumentieren, dass wir heute wissen, dass die Löhne nach unten starr sind. Das naheliegendes Beispiel ist Südeuropa (Peripherie der Eurozone), wo es fast unmöglich erscheint, die Forderungen der Gläubiger (Kern Euro-Zone), die Löhne rasch zu senken (internal devaluation). Und wir wissen v.a., dass nicht alle privaten Akteure in der Wirtschaft vorausschauend sind, so die Autoren weiter.

Vor der Krise sind die Kreditaufnahme und die Ausgaben in einer Weise gestiegen, dass es nicht nachhaltig war. Nun schränken die Konsumenten ihre Ausgaben ein und die Unternehmen investieren nicht, auch wenn die nominalen Zinsen nahe null liegen.

Das sind genau die Bedingungen, die Keynes dargelegt hat, wo eine expansive Fiskalpolitik gut funktioniert. Und das sind Bedingungen, wo die Geldpolitik nicht funktioniert, auch wenn die politischen Entscheidungsträger einseitig auf die geldpolitischen Maßnahmen setzen, um die Krise zu bekämpfen. Es gibt also eine Diskrepanz zwischen den Bedürfnissen der gegenwärtigen Volkswirtschaft und den Theorien der aktuellen Makroökonomen.

Was ist also zu tun? In vielen Anwendungsdisziplinen wie z.B. Medizin gehen die Praktiker zu den Wurzeln der Sache zurück, wenn die Fakten sich ändern. Wenn die derzeitige Praxis nicht zum gewünschten Ergebnis führt, suchen sie in ihrem Handwerkzeug nach neuen Instrumenten. Wenn ihre Annahmen sich als falsch erweisen, halten sie nach weiteren, geeigneteren Annahmen Ausschau. Nicht aber die modernen Makroökonomen: Sie sagen, dass wir es einfach aushalten müssen: Wir haben mit einer säkularen Stagnation zu tun.

Temin und Vines bedauern es vor diesem Hintergrund, dass heute auf Keynes‘ Theorie aus den Erfahrungen  der 1930er Jahren nicht zurückgegriffen wird, was eigentlich auf kurze Sicht eine Abhilfe schaffen kann und auch auf lange Sicht funktionieren würde.


Der Beitrag ist ein erlaubter Crosspost des Blogs Acemaxx-Analytics und ist ursprünglich hier erschienen.

Stefan Rapp November 27, 2014 um 13:08 Uhr

Trotz geringem Wirtschaftswachstum scheint ja Deutschland keine Probleme damit zu haben neue Jobs zu schaffen. Die Frage ist also wo wirkt diese säkulare Stagnation genau und wie kann man sie effizient und nachhaltig bekämpfen. Wenn wir mehr Sparen als Investitionen getätigt werden dann gibt es ja zwei Richtungen in die man gehen kann. Entweder man Spart nicht mehr so viel, das heißt man Konsumiert mehr oder man regt die Investitionsbereitschaft an. Da die Investitionsbereitschaft wegen der Niedrigzinspolitik kaum noch Stimulierbar ist soll es nun der Staat richten.
Eine Möglichkeit den Konsum hingegen anzuregen wäre den Wert von Sachwerten weiter zu steigern, dadurch fühlen sich viele Reicher und fangen an mehr zu konsumieren. Da aber aufgrund der Subprime-Krise hier viel vertrauen zerstört wurde ist hier das Risiko zu groß das uns dies in die nächste Vertrauenskrise sprich Blase führt auch wenn es diesmal handwerklich gut gemacht werden sollte.

Also soll der Staat nun direkt Investieren, das kann man natürlich machen aber wo genau ist die Frage, es ist ja nun mal so das natürlich auch jetzt noch Investition stattfinden und der Staat deswegen darauf achten muss das er bei seinen neuen Investitionen nicht den schon gegebenen und privatwirtschaftlich Geplanten Investitionen das Wasser ab gräbt. Im Moment hört man ja immer mehr Stimmen das Deutschland seine Infrastruktur zu sehr vernachlässigt. Da die deutsche Bauwirtschaft aber im Moment keine Probleme hat wäre es vielleicht ineffizient hier noch mehr zu investieren.
Wo läuft zum Beispiel die ganze Liquidität des Außenhandelsüberschusses auf. Wird die gleich wieder ins Ausland verliehen für die nächste Exportrunde ? Wäre es hier nicht interessant genau diese Kapitalströme umzulenken indem man damit gezielt ausländische Firmen beauftragt die Deutsche Infrastruktur wieder auf und auszubauen. Wäre nicht genau dies, das effiziente Mittel wie Deutschland sich und Europa in der jetzigen Situation helfen könnte ? Es handelt sich zwar hier nicht um Investitionen im eigentlichen Sinne, es wäre aber sicherlich eine Stimulation der Europäischen Wirtschaft, die in weiteren Investitionen münden könnte.

Beate November 27, 2014 um 17:56 Uhr

Exporte -Importe sind Bestandteile des Unternehmereinkommens.

Wenn die deutsche Volkswirtschaft strukturell falsch aufgestellt ist, machen die Unternehmer genau das Richtige, wenn sie die Einkommen auf den Finanzmärkten wieder anzulegen, bis die Exportblase platzt.

Chrissy November 27, 2014 um 07:42 Uhr

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