Verwirrung als neues Instrument der Geldpolitik

by Karl-Heinz Thielmann on 16. Januar 2015

Gestern Vormittag hat die Schweizerische Nationalbank völlig überraschend und entgegen vorheriger Ankündigungen den Wechselkurs des Franken zum Euro freigegeben sowie die Strafzinsen auf SFR-Guthaben von -0,75% p.a. eingeführt. Das Zielband für den Dreimonats-Libor verschob sie weiter in den negativen Bereich auf –1,25% bis −0,25% von bisher −0,75% bis 0,25%. Dies hat gestern zu erheblichen Turbulenzen an den Märkten geführt.

Der Euro verfiel im Kurs zum Franken von 1,2010 auf zwischenzeitlich 0,8545, um dann den Tag bei 0,999 zu beenden. Gemessen am SMI-Index brach der Schweizer Aktien-Markt um 8,7% ein; im Tagestief war der Index schon 13,7% im Minus. Gemessen in Euro bedeutete dies aber immer noch einen kräftigen Gewinn für die meisten schweizerischen Aktien. So notierten Nestlé (+7,4%), Roche (+5,2%) und Zürich (+6,2%) in Deutschland am Ende des Tages deutlich höher.

Ich möchte hier gar nicht kommentieren, ob dieser Schritt ökonomisch notwendig war oder nicht, hierzu kann es wie immer zwei Auffassungen geben. Allerdings erscheint mir der Dilettantismus bemerkenswert, mit der diese Aktion durchgeführt wurde.

Zum einen ist nicht ganz klar, was das ganze soll. Die in der Presseerklärung genannten Gründe („… die Überbewertung hat sich seit Einführung des Mindestkurses insgesamt reduziert. Die Wirtschaft konnte diese Phase nutzen, um sich auf die neue Situation einzustellen“ sowie „der Euro hat sich gegenüber dem US-Dollar deutlich abgewertet, wodurch sich auch der Franken zum US-Dollar abgeschwächt hat“ …) wirken jedenfalls alles andere als überzeugend.

Vermutlich wolle die SNB vor allem ihre Geldmenge wieder unter Kontrolle bringen, die durch die Devisenmarktinterventionen aufgebläht wurde. Dabei hat sie erklärtermaßen erhöhte Volatilität an den Märkten in Kauf genommen (vgl. hierzu die Pressekonferenz vom 15.1.15). Wenn es aber das Ziel ist, spekulative Kapitalzuflüsse zu stoppen, so wird dies gründlich daneben gehen.

Die Notenbanker unterschätzen offenbar, dass ihr Signal mit relativ hohen Negativzinsen an den Märkten komplett ignoriert wird. Anscheinend ist ihnen noch nicht aufgefallen, dass Renditen an den heutigen Kapitalmärkten keine Rolle mehr spielen, sondern nur noch Momentum. Es stürzen sich alle auf die Währung, die Negativzinsen bringt, weil sich alle darauf stürzen. In Märkten, die nach dieser Herdentrieb-Logik funktionieren, werden auch gut gemeinte Maßnahmen erstmal das Gegenteil auslösen. Und genau dies ist passiert. So konnte man beispielsweise heute Morgen bei CNBC lesen: „SNB shock will only cement CHF & Yen safe haven status.

Doch dies ist nicht das Schlimmste. Eine im Gegensatz zur vorherigen Politik stehende Maßnahme ohne Vorwarnung während der Börsenzeit mitten am Tag zu verkünden, und damit vor allem erstmal Marktteilnehmer zu irritieren (und so Volatilität zu produzieren), ist für eine Zentralbank unverzeihlich. Denn eine klare Linie bei der Geldpolitik ist unabdingbar für das Vertrauen in eine Währung. Wenn man schon die Richtung ändert, sollte man allen davon Betroffenen Zeit geben, sich darauf einzustellen. Dies hätte man in diesem Fall erreichen können, in dem man z. B. bis zum Wochenende gewartete hätte, um die Entscheidung bekannt zu geben. Der Kollateralschaden bei der schweizerischen Wirtschaft hätte deutlich geringer ausfallen können.

Ich hoffe nicht, dass sich EZB, Fed, etc. hiervon anstecken lassen und ihre Geldpolitik in Zukunft vor allem daran orientieren, wie man am besten Spekulanten erschreckt. Denn die SNB scheint zu vernachlässigen, dass der Franken nicht nur als Spielgeld der Finanzmärkte eine Bedeutung hat, sondern auch realwirtschaftlich für Unternehmen und ihre Mitarbeiter. Man kann über die üblichen geldpolitischen Maßnahmen unterschiedlicher Meinung sein; Verwirrung der Finanzmärkte ist keine gute Ergänzung.

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