Crowdsourcing und meine Definition des Crowdfundings

by Dirk Elsner on 22. Januar 2015

Crowdfunding ist in Deutschland ein schillernder Begriff, der manchmal etwas unscharf verwendet wird. Weil ich in meinen Beiträgen und Kolumnen den Begriff nicht stets erneut erklären möchte, mache ich es hier etwas ausführlicher auf Basis eines Textes, den ich einmal in einem Fachaufsatz für das Buch “Finanzdienstleister der nächsten Generation” geschrieben habe und mit diesem Beitrag aktualisiere. Ich erhebe nicht den Anspruch, dass diese Definition die ist, die jeder verwenden sollte. Aber es ist die Definition, die ich mir auf Basis der Literatur erarbeitet habe.

Crowdsourcing als Basisphilosophie des Crowdfundings

Die Begriffsfindung kann zurück geführt werden auf eine Nomenklatur, die unter dem Schlagwort “digitale Gesellschaft” entstanden ist. Crowdsourcing gehört zu einer relativ jungen Begriffswelt,[1] die in den letzten Jahren für viele auf dem Internet basierende Leistungen entwickelt wurde. Dabei werden die von einem Empfänger (Unternehmen, Privatperson, Organisation etc.) für eine Aktivität (Investitionsvorhaben, Projekt, Wissenssammlung etc.) benötigten Ressourcen (Arbeitskraft, Fachwissen, finanzielle Mittel) von einer Gruppe von Menschen (= Crowd) eingesammelt.

Das Prinzip ist zum Beispiel bekannt durch Projekte wie die Internetenzyklopädie Wikipedia, die Entwicklung des Internetbrowser Firefox oder des Betriebssystems Linux. Stets geht es darum, dass eine Gruppe von Menschen ihre Leistungen oder Ressourcen gegen finanzielle oder nicht finanzielle bzw. soziale Gegenleistungen für einen bestimmten Zweck zur Verfügung stellt.[2]

Tatsächlich steckt hinter dem Begriff mehr als nur das einfache „Einsammeln von Ressourcen“ aus einer Gruppe Freiwilliger. Beim Crowdsourcing werden besonders die interaktiven Elemente, wie insbesondere die Beteiligung und auch Netzwerkeffekte betont. Frank Puscher nennt daneben drei Faktoren, die die Erfolgschancen von Crowdsourcing bestimmen:[3]

  • “Die Crowd muss überhaupt willens sein, einen Beitrag zu leisten. Man benötigt dazu ein funktionierendes Motivations- und Anreizsystem, also ein faires oder als fair empfundenes Belohnungskonzept, das aber nicht zwangsläufig aus pekuniärer Bezahlung besteht.
  • Die Crowd muss technisch, gestalterisch und kognitiv in der Lage sein, die gestellte Aufgabe zu meistern.
  • Der Anbieter muss das Vertrauen der Crowd besitzen. Das gilt vor allem, wenn die Ergebnisse für Firmenzwecke weiterverwendet werden.”

In der Wirtschafts- und Finanzpraxis hat das Crowdsourcing trotz Ähnlichkeiten mit bisherigen Erscheinungsformen zu der Kreation zahlreicher neuer Dienstleistungen geführt. Jeff Howe unterscheidet dabei grundsätzlich in[4]:

  • Wissen der Vielen (Crowd Wisdom)
  • Nutzung des schöpferischen Potenzials der Vielen (Crowd Creation)
  • Nutzung des Abstimmungsverhaltens der Vielen (Crowd Voting)
  • Nutzung des finanziellen Potenzials der Vielen (Crowd Funding)

Funding und Crowdfunding

Unter Funding versteht man in der Regel die Beschaffung (aus Sicht desjenigen, der Finanzmittel sucht) bzw. die Bereitstellung (aus Sicht desjenigen, der Finanzmittel anlegen möchte) finanzieller Mittel. Einige Crowdfunding-Definitionen beziehen ihre Begriffsklärung auf die Finanzierung von Unternehmen in der Gründungsphase oder einzelne Projekte.[5] Solche Definitionen sind zu eng, weil die Prinzipien des Crowdfundings nicht nur auf die Gründungs- und Projektfinanzierung angewendet werden können, sondern ebenfalls auf die Finanzierung bestehender Unternehmen.

Der Zusatz Crowd (englische Bezeichnung für Menge, Masse oder Schwarm) erklärt die Herkunft von einer größeren Gruppe von Menschen, die diese Mittel gemeinsam für einen bestimmten Zweck bereit stellen.

Autoren des Fraunhofer-Institut für System-und Innovationsforschung definieren Crowdfunding allgemein in der folgenden Form: „Crowdfunding ist eine Finanzierungsform, die im Wesentlichen über einen öffentlichen Aufruf im Web 2.0 erfolgt und zum Ziel hat, finanzielle Ressourcen für ein Vorhaben entweder ohne Gegenleistung oder gegen irgendeine Art von Gegenleistung (finanzielle/materielle Vergütung, immaterielle, ideelle Leistungen und/oder Rechte, z.B. Stimmrechte) zu erhalten und damit einen bestimmten Zweck zu erreichen“[6].

Grundformen des Crowdfundings

Crowdfunding kann in folgende vier Grundformen unterschieden werden:[7]

  • Beim donation-based Crowdfunding (= Crowddonating) werden zwar Mittel eingesammelt, es werden aber keine Gegenleistungen erwartet. Im Prinzip handelt es sich hier um eine besondere Form des Spendensammelns.
  • Beim reward-based Crowdfunding (=Crowdsponsoring) erfolgt keine Gegenleistung in Form von Geld, sondern diejenigen, die Ressourcen bereit gestellt haben, erhalten vom Leistungsempfänger eine Belohnung in bestimmter Form. Das können z.B. bei einem finanzierten Spiel eine Nutzungslizenz des Spiels oder bei der Finanzierung eines Film die Namensnennung im Abspann oder die Einladung zu der Filmpremiere sein.

Während bei den oben genannten Formen des Crowdfundings finanzielle Gegenleistungen eine untergeordnete Rolle spielen, werden beim equity-based und lending-based Crowdfunding Gegenleistungen in Form finanzieller Zahlungen versprochen und erwartet.

  • Beim lending-Based-Funding wird eine feste Gegenleistung vereinbart, die zu einem bestimmten Zeitpunkt mit entsprechender Verzinsung zurück erstattet werden muss. Hier spricht man auch von Peer-to-Peer-Krediten (P2P-Kredit) oder Crowdlending. In Deutschland wird dies etwa über die Plattformen Smava, Auxmoney oder Zencap angeboten. Zu den schon etablierten und weltweit erfolgreichsten FinTechs gehört die US-Kreditbörse Lending Club. Das seit 2007 existierende Unternehmen wagte im Dezember den Gang an die New Yorker Börse und reihte sichlaut finanzen.netunter den zehn größten Internet-Börsengängen in der Geschichte ein. Lending Club wird mittlerweile mit über acht Milliarden US-Dollar an der Börse bewertet.
  • Beim equity-based Funding oder Crowdinvesting geht es um die Partizipation der Investoren an künftigen Zahlungsströmen und/oder am Wertzuwachs des Unternehmens .[8] Dabei halten die Investoren nur in den wenigsten Fällen eine Kapitalbeteiligung im gesellschaftsrechtlichen Sinne. Bei dieser Form des Fundings sind die Gegenleistungen abhängig vom Erfolg des finanzierten Unternehmens oder Projektes und damit variabel. Hier sind zum Teil echte Beteiligungen (zT. über zwischengeschaltete Zweckgesellschaften) oder nachrangige bzw. hybride Finanzierungsformen (Mezzanine) zu finden, die im Insolvenzfall hinter den Forderungen der Fremdkapitalgläubiger zurücktreten.

 


[1] Zugeschrieben wird die Begriffsprägung Jeff Howe in seinem 2006 in Wired erschienen Artikel„The Rise of Crowdsourcing“.

[2] Vgl. Dirk Elsner, Crowdsourcing ist für die Finanzwirtschaft ein alter Hut – eigentlich, Wall Street Journal Online v. 27.6.2012.

[3] Frank Puscher, Outsourcing an die Community, in: C´t, Heft 9/2009, S. 82.

[4] Jeff Howe, Crowdsourcing: Why the Power of the Crowd Is Driving the Future of Business, 2009.

[5] Siehe zum Beispiel: Etham Mollick, The Dynamics of Crowdfunding: Determinants of Success and Failure, Working Papier University of Pennsylvania – Wharton School, Juli 2012., S. 4.

[6] Joachim Hemer, Uta Schneider, Friedrich Dornbusch, Silvio Frey unter Mitarbeit von Elisabeth Dütschke und Charlotte Bradke, Crowdfunding und andere Formen informeller Mikrofinanzierung in der Projekt- und Innovationsfinanzierung, Stuttgart 2011, S. 3.

[7] Auf diese zweckmäßige Aufteilung trifft man häufig in der Literatur und in Studien, vgl. zum Beispiel Crowdsouring.org, Crowdfunding Industry Report. 

[8] Vgl. Thomas F. Dapp, Crowdfunding, Studie Deutsche Bank Research v. 14.04.2014, S. 6

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