Basel überarbeitet quantitative Anforderungen für operationelle Risiken – BCBS 291

by Gastbeitrag on 17. Februar 2015

Gastbeitrag von Mario H. Sladek, TriSolutions GmbH*

Operationelle Risiken – eine wenig beachtete Risikokategorie?

Mit zum Teil spektakulären Schadensfällen wurde in der Vergangenheit und Gegenwart demonstriert, dass operationelle Risiken neben Kredit- und Marktrisiken eine ernst zu nehmende Bedrohung für eine Bank darstellen können. Exemplarisch für alle spektakulären Schadensfälle sei an den Klassiker, den Fall Nick Leeson, erinnert. Als Händler für die Barings Bank in Singapur tätigte Leeson bekanntlich nicht autorisierte und – schlimmer noch – unkontrollierte Wertpapiertransaktionen, was einen Schaden von ca. 1,4 Mrd. USD verursachte und 1995 schließlich zum Zusammenbruch der Barings Bank führte.

Erst mit Einführung von Basel II im Jahre 2007 müssen Banken gemäß Säule 1 regulatorisches Eigenkapital für die Unterlegung von operationellen Risiken neben Markt- und Kreditrisiken vorhalten. Die Eigenkapitalregularien definieren operationelle Risiken gemäß CRR Art 4. Abs. 52 als Risiko von Verlusten, die durch die Unangemessenheit oder das Versagen von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder durch externe Ereignisse verursacht werden, einschließlich Rechtsrisiken. Letztere sorgten vor allem bei der Deutschen Bank immer wieder für milliardenschwere Schlagzeilen.

Bei der Berechnung des Eigenmittelbedarfs für diese Risikokategorie können Banken auf drei Ansätze zurückgreifen. Zur Auswahl stehen dabei zwei einfache Ansätze oder die Möglichkeit einen fortschrittlichen Ansatz (Advanced Measurement Approach – AMA), allerdings mit Genehmigung der Aufsicht, zu verwenden. Das operationelle Risiko spielt auch für den ICCAPInternal Capital Adequacy Assessment Process – im Rahmen des bankaufsichtlichen Überprüfungsverfahrens der Säule 2 eine nicht unwesentliche Rolle und ist gem. BTR 4 der MaRisk branchenweit ein wesentlicher Aspekt der Risikostrategie und damit fester Bestandteil in der Gesamtbankrisikosteuerung.

Der BCBS, das Basel Committee on Banking Supervision, hat im Oktober 2014 ein Konsultationspapier ‚Operational risk – Revisions to the simpler approaches(BCBS291) veröffentlicht und die Branche bis zum 06. Januar 2015 um Stellungnahme gebeten.

Die Überarbeitung der Anforderungen wurde notwendig

In diesem Konsultationspapier stellt Basel die bisherigen beiden einfachen Berechnungsverfahren in Säule 1 auf den Prüfstand. Dies kann verschiedene Ursachen haben: Die Berechnungsverfahren mögen in die Jahre gekommen sein und damit den aktuellen Anforderungen, auch im Hinblick auf die jüngsten Krisenereignisse, nicht mehr voll und ganz entsprechen oder aber von Anfang an mit erheblichen Schwächen behaftet gewesen sein.

Bevor wir einen Blick auf den Entwurf des neuen Standardansatzes werfen, der mit BCBS 291 zur Diskussion gestellt wird, sei ein kurzes Review auf die derzeit noch gültigen einfachen Ansätze, dem Basisindikatoransatz (BIA) gemäß CRR Art 315ff. und Standardansatz (STA) gemäß CRR Art. 317ff., geboten.

Beiden Ansätzen ist gemein, dass hier sehr einfache Berechnungsvorschriften zu Grunde liegen und sich diese von den Instituten – im Gegensatz zum AMA gem. CRR Art. 321ff. – ohne die sonst gewohnten organisatorischen Schwierigkeiten implementieren lassen.

Beim BIA werden die Bruttoerträge aus der GuV als Bemessungsgrundlage für die Unterlegung mit regulatorischem Eigenkapital herangezogen. Darüber hinaus werden keine speziellen qualitativen Anforderungen an das OpRisk-Management gestellt. Als Anrechnungsbetrag werden 15% des Dreijahresdurchschnitts der positiven relevanten Indikatoren (Jahres-Bruttoerträge) berücksichtigt. Der relevante Indikator bildet sich aus der Aufrechnung von Zins-, Provisions- und Finanzergebnis sowie der sonstigen betrieblichen Erträge. Dies führt unter Umständen dazu, dass der relevante Indikator je nach Ertrags- bzw. Verlustlage einen negativen Wert haben kann und die Bemessungsgrundlage für das operationelle Risiko reduziert. Für Banken mit geringen oder sogar negativen Erträgen bedeutet dies, dass das operationelle Risiko die Eigenmittelquote nicht oder nur in geringem Umfang belastet. Es versteht sich von selbst, dass ein Zusammenhang zwischen Bruttoertrag und operationellen Risiken nur schwer zu vermitteln ist und keine Steuerungswirkung im ökonomischen Sinne entfalten kann. Die Anwendung des BIA ist daher auch nicht für international tätige Banken bzw. Institute mit komplexerem Geschäftsmodell geeignet und wird daher überwiegend von kleinen Banken verwendet.

Der STA ist gegenüber dem BIA geringfügig anspruchsvoller. Institutsspezifische Verlustdaten (z.B. die Schadensdatenverläufe oder deren Verteilung) bleiben jedoch auch im STA unberücksichtigt. Der STA basiert wie der BIA auf den operativen Erträgen zur Ableitung relevanter Indikatoren aus drei vorangegangen Jahren in acht verschiedenen Geschäftsfeldern. Für jedes Geschäftsjahr wird pro Geschäftsfeld aus den Bruttoerträgen ein sog. Geschäftsfeldindex (GI) ermittelt und mit einem geschäftsfeldspezifischen Gewichtskoeffizienten multipliziert. Pauschalannahme hierbei ist, dass unterschiedliche Geschäftsfelder unterschiedliche Risiken tragen. Pro Jahr wird die Summe (Teilanrechnungsbetrag) über alle Geschäftsfelder hinweg gebildet. Im Gegensatz zum BIA werden negative GI jedoch saldiert. Ist die Summe über alle Geschäftsfelder pro Jahr negativ, wird der Gesamtwert des Jahres auf Null gesetzt. Der regulatorische Kapitalbedarf bildet sich schließlich aus dem Mittelwert von drei aufeinanderfolgenden Jahreswerten.

Zwar erfolgt die Ermittlung des Anrechnungsbetrages gegenüber dem BIA etwas differenzierter, ein Zusammenhang zwischen geschäftsfeldspezifischen Bruttoerträgen und operationellen Risiken ist aber auch im STA nicht abschließend zu begründen. Bei Verwendung des STA werden jedoch eine Reihe qualitativer Anforderungen gestellt. Dazu gehört u.a., dass operationelle Risiken zu identifizieren und beurteilen sind. Neben einer Berichterstattung werden die Sammlung von Schadensfall- bzw. Verlustdaten und die Einbindung operationeller Risiken in den Risikomanagementprozess etc. verlangt.

Vor allem mittlere und auch größere Banken, die den Aufwand eines AMA scheuen, aber aus dem ICAAP heraus mehr in die Steuerung operationeller Risiken investieren müssen, wenden den STA an. Für eine tatsächliche – auch angemessene – ökonomische bzw. quantitative Steuerung operationeller Risiken ist aber auch der STA nicht hinreichend risikosensitiv.


Operationelle Risiken werden teurer

Mit einem überarbeiteten Standardansatz sollen die offensichtlichen Mängel der beiden existierenden einfachen Ansätze überarbeitet werden, ohne jedoch die Einfachheit und damit Standardisierung aufzukündigen. Eine der wesentlichen Erkenntnisse aus der vorangegangenen quantitativen Analyse der Aufseher beim BCBS ist, dass die Beschränkung auf lediglich geschäftsfeldbezogene Bruttoerträge das Risikoprofil für die Bemessung des OpRisk nicht hinreichend genug differenziert. Vor allem die Größe einer Bank hat sich als dominierender Faktor für das resultierende OpRisk-Exposure herausgestellt. Verfeinerungen der Indikatoren zur Abschätzung von Risiken (Proxy Indicator) sollen eine höhere Risikosensitivität ermöglichen. Ziel der Aufsicht ist es daher künftig einen Standardansatz vorzusehen, welcher auch die Größe des jeweiligen Instituts und nicht nur die Höhe von Bruttoerträgen berücksichtigt (Size-Based Coefficients). Berechnungsgrundlage soll nach dem vorliegenden Entwurf ein neuer Geschäftsindikator (Business Indicator) sein, der die bisher verwendeten und auf Bruttoerträgen basierenden Geschäftsfeldindikatoren ersetzt.

Die im bisherigen STA verwendeten Gewichtungssätze reichen von 12% bis maximal 18% je nach Geschäftsfeld. Im neuen Standardansatz werden Faktoren (Coefficients) zu Grunde gelegt, die mit dem Anstieg des neuen Geschäftsindikators verbunden sind und von 10% bis 30% reichen. Der künftig auf einem Geschäftsindikator basierende Standardansatz betrachtet eine Zins-, Dienstleistungs- und Finanzkomponente. Anders als im STA erfolgt jedoch keine Saldierung der Komponenten untereinander. Bei der Dienstleistungskomponente werden Erträge und Aufwandskomponenten nicht miteinander verrechnet. Dies dürfte in Gänze zu einer drastischen Erhöhung der Bemessungsgrundlage führen. Je nach Höhe des Geschäftsindikators wird es 5 Progressionsstufen mit definierten Gewichtungsfaktoren geben. Beträgt der Indikator beispielsweise max. 100 Mio. EUR, wird dieser Wert in der ersten Stufe mit 10% gewichtet. Bei mehr als 30.000 Mio. EUR erfolgt die Gewichtung in Stufe 5 mit 30%.

Ein einfaches Beispiel soll das Prinzip skizzieren: Ein kleines Finanzdienstleistungsinstitut hat Provisionseinnahmen von 2.500 TEUR und Provisionsaufwendungen in Höhe von 1.200 TEUR. Nach bisherigem BIA würde der Provisionsüberschuss in Höhe von 1.300 TEUR mit 15% gewichtet einen Anrechnungsbetrag von 195 TEUR ergeben. Im neuen Standardansatz wäre die Dienstleistungskomponente unsaldiert in Höhe von 3.700 TEUR mit 10% zu gewichten, welches einem signifikant höheren Anrechnungsbetrag von 370 TEUR entspräche.

Der neue Standardansatz ist prinzipiell progressiver und konservativer konzipiert, da die Kapitalanforderungen nicht nur an den Erträgen sondern vor allem mit der Größe des Instituts und Geschäftsvolumen korrelieren.

Insgesamt werden sich damit die Kapitalanforderungen mit dem neuen Standardansatz tendenziell erhöhen und nicht ohne Folgen für die Kapitalplanung bleiben. Nicht jedes Institut wird also vom neuen Standardansatz begeistert sein, obgleich ein weitgehender Konsens darin bestehen dürfte, dass mit den vor etwa 8 Jahren eingeführten einfachen Ansätzen keine adäquat sensitiven Risikomaße zur Verfügung standen.

Interessant ist, dass mit dem neuen Standardansatz – als quasi Basisberechnungsverfahren – keine qualitativen Anforderungen verbunden sein werden. Jedoch werden die aus Säule 2 bekannten Anforderungen kaum eine Verwässerung der bisherigen Standards zulassen.

Fazit

Der BCBS hat im Ergebnis sehr umfangreicher quantitativer Analysen ein neues Verfahren entwickelt und dabei die grundlegende Kritik an den bisherigen Basis-Ansätzen, das Risiko zu unterzeichnen, aufgegriffen. Positiv ist, dass es auch in Zukunft einen einfach umzusetzenden Standardansatz geben wird. Die Wahlfreiheit zwischen zwei nicht genehmigungspflichtigen Ansätzen entfällt dabei. Auch wenn noch kein konkreter Umsetzungszeitraum genannt ist, so wird die mit dem neuen Standardansatz verbundene tendenzielle Erhöhung der Eigenkapitalunterlegung bei größeren Banken mit komplexerem Geschäftsmodell die Diskussion über die alternative Anwendung des AMA sicherlich befördern. Aber auch für AMA-Institute dürfte der BCBS 291 mit der bevorstehenden Einführung von Untergrenzen (Floor), bei denen das Standardverfahren als Vergleichsmaßstab dienen soll, nicht ohne Belang sein.

Für die Gesamtbanksteuerung bedeutet der BCBS 291 insbesondere eine Auseinandersetzung mit den Kennzahlen im Rahmen der risikoadjustierten Ertragssteuerung und die Klärung der Frage, wie der neue Standardanstaz die prognostizierten Kapitalquoten und den Kapitalplanungsprozess beeinflusst.

* Der Autor

Mario H. Sladek ist Berater bei der TriSolutions GmbH, einer auf Risikomanagement und Gesamtbanksteuerung spezialisierten Unternehmensberatung. Die Schwerpunkte seiner Beratungstätigkeit liegen in der strategischen Gesamtbank- und Risikosteuerung (ICAAP) und bei der ganzheitlichen Umsetzung von regulatorischen Anforderungen (u.a. MaRisk, Basel III). Davor arbeitete Herr Sladek viele Jahre im Risiko- und Auditmanagement international tätiger Groß- und Investmentbanken im In- und Ausland. Sein Betriebswirtschaftsstudium absolvierte er an der Fachhochschule der Deutschen Bundesbank.

Die TriSolutions ist eine Schwesterfirma des Arbeitgebers von Dirk Elsner, der den Blick Log betreibt.

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