Der große Schulden Bumerang oder Das Imperium schlägt zurück

by Udo Stähler on 18. März 2015

Anfang März 2015 wurde ein Buch veröffentlicht, dessen These, dass hinter der Finanzkrise eine viel gefährlichere internationale Schuldenkrise stecke, die Funktionsbedingungen des Kapitalismus als Formel für weitere Wertschöpfung in Frage stellen könnte. Und das aus der Feder eines bekennenden Marktwirtschaftlers! Die flammendsten Vertreter des marktwirtschaftlichen Prinzips des Wirtschaftens sind oft ihre bissigsten Kritiker. Ob Frank Schirrmacher oder Joseph Alois Schumpeter, eine –zugegeben– gewagte Kette zu Wolfgang Schröters Der grosse Schulden Bumerang: doch alle drei verbindet, dass sie um das weinen, was ihrer Ansicht nach soweit degeneriert ist, dass es nicht mehr überleben kann, wenn –wie hier– „Gewinnerzielung, Haftung und Verlust nicht mehr zusammen gedacht werden“.

 

Wolfgang Schröter, der über 25 Jahre mit den Schalthebeln des Kapitalmarkts an den Schrauben der Realwirtschaft gedreht hat, geht in seinem SCHULDEN BUMERANG hart ins Gericht mit den Claqueuren der aus seiner Sicht verratenen Marktwirtschaft: Protagonisten „des Kapitalismus pervertieren die Marktwirtschaft“. Wir lesen Mahnungen, dass „aktuelle Währungssysteme … (wegen ihrer Funktion beim Schuldentreiben) den Stachel der Selbstzerstörung in sich (tragen)“ und die Aufforderung, dass Begriffe wie Leistung, Erfüllung und Haftung wieder getrennt werden müssen von Begriffen Anspruch und Gerechtigkeit. Mutig, mutig, letzteres gerade angesichts der aktuellen Diskussionen griechischer Ansprüche und europäischer Antworten. Schröter sieht durchaus die katastrophalen Folgen für die Griechen und die bitteren sozial- und gesellschaftspolitischen Konsequenzen, doch hält er das „unregulierte“ Wirken marktwirschaftlicher Gesetze –also kein Vertreter der sozialen Marktwirtschaft, ganz im Gegenteil– für unvermeidlich, wenn wir wieder Wohlstand schaffen wollen.

 

Nun bin ich neugierig, ob ich hier einen überzeugten Liberalen gefunden habe, der mit seiner gewagten These, dass die internationale Finanzkrise nur Teil des größeren Problems, nämlich der „globalen staatlichen und finanzwirtschaftlichen Weltschuldenkrise“ sei, letztlich an die Funktionsbedingungen des Kapitalismus geht? Schröter macht es seinen Lesern nicht leicht, wenn er durch sein Buch ihr Wissen über das der Claqueure des Neoliberalismus wie des finanzmarktkritischen Mainstream heben will; Beide sind für Schröter nur populistische Wegelagerer. Um sie zu überführen, fordert er uns Lesern einiges ab: Wer nicht weiß, wie wir in diese Krise geraten sind…, der wird auch nicht in der Lage sein, Lösungen zu finden…“. Das bedeutet, dass er uns auf eine weite Reise mitnimmt, denn „die wahren Krisenursachen sind komplexer, internationaler und weisen über die Finanzwirtschaft hinaus.

 

Das Buch ist viel Arbeit, sowohl für diesen Großmeister der Giftküche des Kapitalmarkts und Kenner liberaler Wirtschaftstheorien und ihrer Geschichte als auch für uns Leser. Kein Wunder bei den zu entzaubernden Verstrickungen: von Schulden, Haftung, trügerischen Pfändern oder Akzessorietät; Bausteinen des Finanzwesens, ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung und geschichtlichen Entwicklung. Monte Carlo Simulation, Value at Risk und Yen Carry Trades lernen wir als verführerisches Hexenwerk der Gemeinde der Kapitalmarkt-Gläubigen kennen; der Bau des Panama Kanals und der Zusammenhang von Währungsordnung und Schulden, von Veränderungen am Finanzmarkt im 1.Weltkriegundden goldenen Zwanzigern zeigen „über die Finanzwirtschaft hinaus“. Schröters Thesen zum warum und warum nicht Bretton Woods und zum Vagabundierenden Kapital sollen uns Einblick geben in das Entstehen der „internationalen Schuldenkrise“ als angeblicher Mutter der Finanzkrise.

Diszipliniert habe ich mich durchgearbeitet, damit ich am Ende -wie bei Hercule Poirot- die Erlösung aus den vielen Facetten der Beweiskette verstehen kann, was denn nun das Gefährliche an der Weltschuldenkrise sei, weshalb die letzte Finanzkrise nicht vorbei, sondern die derzeitige Ausdrucksform der Weltschuldenkrise sei. Herausgekommen ist, das Schröter eine Bankrotterklärung für die Funktionsbedingungen des Kapitalmarkts als Grundlage für Wertschöpfung und ein glühendes Bekenntnis zur Marktwirtschaft geliefert hat. Passt das zusammen?

Die Dialektik der Märkte

Hercule Poirot/Wolfgang Schröter beginnt sein Finale mit dem Spannungsaufbau, es gäbe „aus dieser strukturellen Megaschuldenkrise … kein Entrinnen“. Wir erfahren nun nochmals die Tatbeteiligten, hier Schuldenkrisenverursacher von Investmentbanken über eine Koalition aus Regierungen, Zentralbanken und suprastaatlichen Organisationen bis zu uns Bürgern, Arbeitnehmern und Pensionären. Alle, nur nicht die Realwirtschaft. Wir und (also) der Staat sind Täter und Opfer, die Realwirtschaft nur Opfer. Hercule Schröter führt nachmals sieben Ursachenstränge vor.

  1. Pfänder stehen ganz oben auf der Liste, weil die „Scheinpfänder“ maßgeblich zur strukturellen Megaschuldenkrise beigetragen haben.
  2. Die Markteilnehmer haben sich Investment- und Risikomodelle gegeben, die systematisch in Verschuldung führende Informationen gegeben haben.
  3. Der Wandel zur staatsrettenden Marktwirtschaft (siehe unten: Das Imperium schlägt zurück) habe Lösungen verhindert und neue Schulden geschaffen.
  4. Die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Staat und Finanzmarktakteuren. Da waren wir auf S. 267 eigentlich näher an Ursache-Wirkung mit der These, dass der Staat Teil der Finanzmärkte werde.
  5. Das Wachstum der Finanzindustrie zieht keine realwirtschaftliche Wertschöpfung nach sich. Manchmal ist Wolfgang Poirot so dicht dran.
  6. Die faktische Abschaffung der Zinsen und
  1. unsere aktuellen Währungssysteme sind Schuldentreiber.

Diese sieben Ursachenstränge beschreiben nur Fehler im Handling mit ökonomischen Instrumentarien i.d.R. am Kapitalmarkt und zwischen diesem Markt und den politischen Entscheidern. Im Text war Schröter gründlicher. Auch die sieben Todsünden sind lediglich Laster – schlechte Charaktereigenschaften, die einen Menschen erst dazu bringen, zum Sünder zu werden. Sind wir bsplw. herzlos, werden wir mitleidlose Egoisten. Gier lässt den touphen Derivate-Händler zum Exekutor von Spekulationen werden. Aber dort gibt es noch eine Lösung.

Das Imperium schlägt zurück

Es gäbe aus der Weltschuldenkrise bei Schröter nur dann ein Entrinnen, wenn wir die „Marktwirtschaft … und den Staat wieder als klar voneinander geschiedene Bereiche … begreifen“, die Finanzwirtschaft „wieder finanzwirtschaftliche Auswüchse (begrenze), anstatt sie selbst auszulösen“ und wir Alfred Herrhausen zurück hätten (S.43).

Wir sollten nicht vorschnell Wolfgang Schröter als einen weiteren Fall für die Kritik Dirk Elsners am neoklassischen Modell des homo oeconomicus betrachten. Durchaus will Schröter das Biest Kapitalismus wüten lassen. Wir sollen die Schuldner-Gläubiger-Verhältnissen wieder den negativen Konsequenzen unterwerfen. Da er auch sieht, dass Schulden zu „sozialem Elend, dem erstarken extremistischer Parteien, nationalen Konflikten, großen Wohlstandsverlusten“ führt –„so weit darf es nicht kommen“–, ist sein Fazit in sich konsequent wie derart unisono abgebrüht: „Um konkrete Schulden- und Anspruchsverzichte werden wir nicht herumkommen“.

Schröter bleibt stehen bei seinem Vorwurf der sieben Todsünden als Ursache für Fehlentwicklungen auf dem Kapitalmarkt, die der Realwirtschaft schaden und die Wohlstandsbildung zerstören. Seine staatsrettenden Marktwirtschaft ist eine Kritik an der sozialen Marktwirtschaft und den Rettungsmaßnahmen der Staaten in der Finanzkrise. Ebenso die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Staat und Finanzmarktakteuren. Die wohltuenden historischen Betrachtungen und gesellschaftspolitischen Gedanken unterlässt Schröter genau hier, wenn er sich der Frage nähert, ob die Ursache der Fehlallokationen auf dem Kapitalmarkt eine Phase der Entwicklung des kapitalistischen Prinzips der Wertschöpfung sein könnte? Deren Funktionsbedingungen würden dann selber und nicht ihre Sünder zum Gegenstand der Betrachtung.

Schröter geißelt die Engstirnigkeit seiner Ex-Kollegen aus dem Casino als „quasi religiös und bekenntnishaft“ (S.166). Vielleicht sollte er sich vor dem nächsten Buch noch einmal richtig ausschütteln.

 

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