EZB will ihr Anleihekaufprogramm auf P2P-Kredite ausweiten

by Dirk Elsner on 1. April 2015

Vor gut vier Wochen hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihr umstrittenes Kaufprogramm gestartet und stößt damit bereits an Grenzen. Sie macht ihre Ankündigung aus dem Sommer letzten Jahres war und will bald auch in P2P-Kredite investieren, wie ein vertrauliches Arbeitspapier zeigt. Aber der Reihe nach.

Die EZB fährt bekanntlich  ihr Liquiditätskraftwerk hoch und will bis September 2016 1,1 Billionen Euro zusätzliches Zentralbankgeld in die Märkte zu pumpen. Offizielles und umstrittenes Ziel dieses Programms ist die Ausweitung der Geldmenge und die Förderung der Kreditvergabe, um über diesen Mechanismus die Konjunktur anzufeuern und die Deflation zu bekämpfen. Dazu kauft die EZB über die nationalen Zentralbanken (in Deutschland also über die Bundesbank) bekanntlich Anleihen von Zentralstaaten, Emittenten mit Förderauftrag und europäischen Institutionen sowie Asset-Backed Securities (ABSPP) und gedeckten Schuldverschreibungen (CBPP3) (Details zu ABSPP und CBPP3 hier von der Bundesbank). Sie möchte damit erreichen, dass Unternehmen und private Haushalte günstiger Finanzmittel aufnehmen und damit Investitionen und Konsum stützen. Damit das funktioniert, müssen sich aber vor allem Unternehmen stärker über Banken finanzieren.

Das wenig überraschende Problem ihres Kaufprogramms ist, dass ihr mittlerweile an den Märkten das Material ausgeht (siehe dazu auch FAZ Die Anleihemärkte trocknen allmählich aus). Bisher hat sich die EZB beim Kauf vor allem auf Staatsleihen bzw. Anleihen staatlicher Institutionen, wie zum Beispiel den ESFS beschränkt. Bei Anleihen erhöht die Nachfrage den Kurs und senkt die Renditen. Wir wissen mittlerweile, dass die Renditen vieler staatlicher Institutionen negativ sind. Mehr als ein Drittel der in EURO ausgegebenen Staatsanleihen soll eine negative Rendite aufweisen. JPMorgan schätzt, dass das Volumen der EUR Staatsanleihen mit einer unter null Rendite mittlerweile 2.000 Mrd. EUR beträgt.

Und genau hier hat die EZB ein Problem. Sie hat sich nämlich selbst beschränkt und darf nur Anleihen mit einem negativen Zins bis maximal -0,2% kaufen. Dies entspricht gleichzeitig dem negativen Einlagezins von -0,2 Prozent, den Banken bei der Bundesbank bezahlen, wenn sie dort Geld anlegen (siehe auch Wiwo: Notenbanken kaufen auch Anleihen mit Negativrendite),

Will sie ihr Programm weiter durchführen, hat sie zwei Möglichkeiten. Entweder sie verringert weiter die Negativgrenze und kauft Anleihen mit niedrigeren Zinssätzen als -0,2% oder sie weicht auf andere Anlageklassen aus. Und genau das will sie nun tun, wie ein bisher unveröffentlichtes Papier zeigt, das einigen Bloggern von einem unter dem Pseudonym Daryl Dixon (übrigens einer der Helden der TV Serie “The Walking Debt Dead”) schreibenden Mitarbeiter der Bundesbank zugespielt wurde. Die Bundesbank selbst kritisiert bekanntlich den aktuellen Kurs der EZB mit scharfen Worten (siehe FAZ “Weidmann erneuert Kritik an EZB-Anleihekäufen”).

Das Papier enthält brisante Informationen, die plausibel klingen. Danach sollen die nationalen Zentralbanken der EURO-Zone angewiesen werden, ab einem bereits bekannten Termin (siehe unten) Privatdarlehen und P2P-Kredite zu kaufen. Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatte die EZB angekündigt, dass sie sich bei ihrem Kaufprogramm nicht allein auf den Kauf von Staatsanleihen beschränken will, sondern auch Unternehmenspapiere kaufen könne (siehe dazu auch das Wall Street Journal “Wie die neue EZB-Politik Schattenbanken fördert”). Da der Markt für Unternehmenskredite aber ebenfalls stagniert und viele Unternehmen aus verschiedensten Gründen nicht geneigt sind, zusätzliche Kredite aufzunehmen (siehe dazu auch Firmen finanzieren sich lieber untereinander), hat eine Arbeitsgruppe nun vorgeschlagen, in das stark wachsenden Segment der P2P-Kredite zu investieren. Man sehe hier vor allem eher die Möglichkeit, dass die Gelder dorthin fließen, wo sie gebraucht werden und damit sofort die Nachfrage nach Gütern ankurbeln.

Beim P2P-Lending erhält ein Unternehmen oder eine Person über eine Internetplattform seinen Kredit von einer Gruppe von Einzelpersonen, die jeweils nur einen Bruchteil des gewünschten Kreditbetrags als Anlage investieren. Sie erhalten dafür zu fest vereinbarten Zeitpunkten Tilgungszahlungen und Zinsen, deren Höhe dabei abhängig vom potenziellen Risiko ist. Das Risiko nicht vereinbarungsgemäß geleisteter Kreditzahlungen versuchen die Internetplattform einzuschätzen und zeigen dazu die jeweilige Bonitätseinstufung der Kredite an. Prinzipiell kann jedermann über Lending-Plattformen unter bestimmten Mindestvoraussetzungen Geld anlegen. Entdeckt haben institutionelle Anleger schon seit längerer Zeit die Vorzüge dieser Anlageklasse. In Deutschland können Privatpersonen über Plattformen wie Smava, Finmar, Auxmoney, Lendico, Zencap oder Bondora Unternehmen und Personen Kredite zur Verfügung stellen (Quelle und mehr Börse Online “Taugen P2P-Kredite als Anlageklasse?”).

Saul Lender, „Experte“ für Crowdlending und Crowdinvesting, findet diese Entwicklung nur logisch. In einem Mailinterview erklärt er die Vorteile für die EZB. P2P-Lending sei aktuell das einzige Finanzierungssegment, das starke Wachstumsraten aufweise. Fachleute rechnen bereits 2016 mit einem Volumen, das pro Jahr 60 Milliarden Euro überschreiten könne. Naturgemäß sei das Einzelkreditrisiko einer P2P-Anlage zwar deutlich höher als bei staatlichen Anleihen. Dafür werden aber auch deutlich höhere Zinssätze geboten und man könne gut das Risiko verteilen.

Walter Hedge, Investmentscout für einen Londoner Pensionsfunds, ist dagegen überhaupt nicht erfreut über diese neue Entwicklung. Seit etwa 2 Jahren haben institutionelle Anleger den Markt für P2P-Kredite als lukrative Anlageklasse entdeckt (siehe dazu z.B. FT: Peer-to-peer lending comes of age as Wall Street muscles in). Wenn man breit streut, reduziert man erheblich das Anlagerisiko. Die relativ hohen Zinssätze kompensieren dabei einzelne Ausfälle. Unter dem Strich bleibt eine ansehnliche Verzinsung übrig. Dies unterstreichen auch die Statistiken der US-Kreditbörse Lending Club, Danach waren in der Vergangenheit Renditen bis zu 8,29% und zwar nach Zahlungsausfällen möglich. Hedge fürchtet nun, dass die Interventionen der EZB nun auch hier die Zinsen stark reduzieren können. Damit sei dann aber keine angemessene Risikoprämie zu erzielen.

Pesse Jinkman, der gerade das  P2P-Lending Startup „Credit Rocket“ vorbereitet, freut sich dagegen schon jetzt über den mutmaßlichen Aufmerksamkeitsschub für das FinTech-Segment. “Damit blasen wir nun aber wirklich die Banken vom Markt,” frohlockte er in einer Skypeschalte. Wer künftig Kredite aufnehmen wolle, für den seien künftig die P2P-Plattformen die erste Anlaufstelle. Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich um Konsum-, Auto- oder Immobilienkredite handele. Zu Banken gehen künftig nur noch Menschen ohne Internetzugang und diejenigen, deren soziale Daten zu große Risiken für die P2P-Plattformen darstellen, wie etwa Menschen ohne Facebook-, Instagram oder Snapchat Account. Aufgrund der fehlenden Aktivitäten in den sozialen Netzwerken könne man hier keine Risikoeinschätzung vornehmen. Jinkman freut sich ebenfalls über das plötzlich gestiegene Interesse von Investoren an seiner Firma, die den Handel von P2P-Krediten über Smartphone-Apps ermöglichen will. Für seine Zweitrundenfinanzierung könne er sich die Investoren mittlerweile aussuchen und denkt gerade über eine Versteigerung neuer Anteile nach. Mit Crowdinvesting wolle er sein Geschäft übrigens nicht finanzieren. Da seien ihm die Gebühren zu hoch und es werde zu viel Transparenz verlangt.

Aus Bankenkreisen habe ich auf die Schnelle keine Reaktion bekommen. Ein hochrangiger Banker, der seinen Namen aber hier nicht lesen wollte, sagte, er müsse sich erst einmal schlau machen, was diese P2P-Kredite überhaupt seien. Er habe davon nie etwas gehört. Er kenne nur Peer-Groupmeeting und sein Haus vergebe Kredite an Paare.

Ich selbst freue mich zwar über die hohe Aufmerksamkeit, die das P2P-Kreditgeschäft nun durch die Adelung der EZB erhält, halte aber die EZB-Politik prinzipiell für einen vollkommen falschen Ansatz.

Man wird nun schauen, wie die Diskussion in den nächsten Monaten laufen wird. Wegen der notwendigen Vorbereitungszeit wird in dem internen Papier von einem Starttermin des Programms am 11. November 2015 gesprochen. Weitere Informationen sind hier zu finden.

O.T. April 2, 2015 um 12:03 Uhr

Blöd nur, wenn du den Artikel später liest und nicht damit rechnest das vor kurzem der 1. April war, wie ich!

Ich hab‘ es zu 100% geglaubt!
(Hoffentlich liest keiner von der EZB mit und setzt das um!)

Sachse April 1, 2015 um 12:09 Uhr

April, April !

Clas April 1, 2015 um 08:26 Uhr

😉

Tom Riesack April 1, 2015 um 06:50 Uhr

Sehr schön

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