Deutsche Bank: “Was kann ein Vorstand wissen?”

by Dirk Elsner on 28. April 2015

Gestern hat die Deutsche Bank noch einmal ihre neue Strategie in schwammigen Worten erläutert. Ich stand unter dem Eindruck, dass in den vergangenen Tagen bereits hinter den Kulissen viele Informationen an Journalisten gesteckt wurden, um den gestrigen Erläuterungen den richtigen Spin zu geben. Ob die neue Strategie nun der große Wurf ist oder nur ein Reförmchen, sollen andere beurteilen. Die Börse jedenfalls hat ihr Urteil gesprochen. An einem Tag, an dem der DAX um 1,7% stieg, gab die Deutsche Bank über 4,5% nach:

Eine Frage, die offenbar schnell wieder unter den Teppich gekehrt wurde, ist die die Rolf Wenkel Ende vergangener Woche für die Deutsche Welle stellte:

“Die Deutsche Bank zahlt eine Milliarden-Strafe und sieht ihre Vorstände im Libor-Skandal entlastet. Doch kann jemand, der nie von irgendetwas weiß, überhaupt eine Bank führen?” 

Vergangene Woche wurde die Deutsche Bank bekanntlich erneut mit einer hohen Strafe belastet. Über 2,5 Milliarden US-Dollar soll das Institut für Manipulation von Zinssätzen zahlen. Routiniert beeilte sich die Bank mitzuteilen:

“Es wurde festgestellt, dass kein gegenwärtiges oder ehemaliges Vorstandsmitglied Kenntnis über das Fehlverhalten im Handelsbereich hatte oder daran beteiligt war.”

Kann man diese Aussage glauben? Nach Medienberichten war es zu den Manipulationen im Investmentbanking gekommen. Leiter war der heutige Co-Chef der Deutschen Bank, Anshu Jain. Der Deutschlandfunk schrieb: “Er sprach von einer "zutiefst bedauerlichen" Angelegenheit, zeigt sich jedoch zufrieden, dass "wir sie nun gelöst haben". Jain und sein Co-Chef Fitschen verwiesen darauf, bereits personelle Konsequenzen gezogen zu haben. Man habe diejenigen disziplinarisch bestraft oder entlassen, die in das Fehlverhalten im involviert waren. Die Entlassung von sieben Angestellten war eine Auflage der Aufseher.”

Immerhin äußerte sich Jain gestern lt, Handelsblatt etwas konkreter:

Co-Chef Anshu Jain leitete als Chef der Investmentbank einst die Sparte, in der Händler den Libor manipulierten. „Ich war ihr Anführer – da kann man sich nicht herausreden“, sagte Jain am Montag. Er trage somit Verantwortung für das Fehlverhalten und wolle alles tun, damit sich so etwas nicht wiederholen könne.

Zurück zu Rolf Wenkel. Er schrieb weiter:

“Die Liste der Ermittlungs- und Strafverfahren ist lang – das Merkwürdige ist nur, dass die Vorstände niemals von irgendetwas gewusst haben wollen. Auch jetzt, nach der Zahlung von 2,5 Milliarden Dollar, legt die Deutsche Bank großen Wert auf die Feststellung, dass "kein gegenwärtiges oder ehemaliges Vorstandsmitglied Kenntnis über das Fehlverhalten im Handelsbereich hatte oder daran beteiligt war".

Nun gut, das muss man glauben. Ein Vorstand, der genau aus der Abteilung kommt, in der die Zinsmanipulationen stattgefunden haben, wusste also von nichts. Vermutlich hat er sich allenfalls darüber gefreut, dass seine Leute so schnell so viel Geld für die Bank verdienen. Nach dem Motto: besser nicht so genau hinschauen.

Doch man muss die Frage stellen, ob ein Vorstand, der nicht wusste, was in seiner Abteilung gelaufen ist, und der bemerkenswerte Gedächtnislücken über wichtige Vorstandsbeschlüsse aufweist, überhaupt geeignet ist, einen Konzern wie die Deutsche Bank zu führen.”

Natürlich kann ein Vorstand bzw. ein Geschäftsbereichsleiter nicht alle Aktivitäten persönlich überwachen. Und ich glaube, jeder kennt aus seiner Praxis Fälle, wo Führungskräfte bewusst oder unbewusst vor bestimmten Informationen “geschützt” werden. Der Umfang des “Nichtwissens” insbesondere bei der Deutschen Bank ist aber erstaunlich. Er ist umso erstaunlicher, weil ja Anshu Jain insbesondere wegen seiner Verdienste im Investmentbanking an die Spitze des Instituts gerückt ist. Die ganzen Dementis könnten den Schluss zulassen, dass seine Verdienste möglicherweise gar nicht “seine” Verdienste waren.

Soweit ich das aus der Distanz beurteilen kann, ist das Investmentbanking der Deutschen Bank hoch professionell organisiert. Das ist sicher auch Jains Verdienst. Ich schrieb hier einmal vor seinem Antritt:

Jain selbst sollte man nicht als Regenmacher in den Himmel loben und ihn aber auch nicht als Zocker verurteilen, wie das Spiegel Online in seiner Sonderseite Anshu Jain macht. Jain sollte jetzt einfach mal starten dürfen. Ich glaube, für den Bankplatz Deutschland kann er in jedem Fall eine Bereicherung sein.“

Mittlerweile ist die Liste der angerichteten Schäden sehr, sehr lang. Und ich weiß nicht, ob einmal jemand die Bereichsergebnisse des Investmentbanking der vergangenen Jahr um die vielen Strafen bereinigt hat. Viel dürfte unter dem Strich da nicht übrig bleiben oder?

Ralph Hirnrabe Mai 1, 2015 um 13:17 Uhr

Auch ist da noch ergänzen die Frage, warum werden gerade die Beiden Vorstände, die von nichts gewusst haben.

Karl-Heinz Thielmann April 28, 2015 um 07:11 Uhr

Moin Dirk,

für mich ist das ganz einfach: Es geht darum, nach welchen „Leistungen“ Vorstände bezahlt werden.

Der Vorstand läßt die Mitarbeiter nach hohen Gewinnen streben und schaut nicht so genau hin, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Wenn es gut geht, kassieren alle einen hohen Bonus. Wenn es nicht gut geht, dann wurde der Vorstand hinterlistig von Mitarbeitern getäuscht und der Aktionär zahlt die Strafe. Der Vorstand bekommt trotzdem einen hohen Bonus, weil er ja von nichts etwas ahnen konnte.

Für Herrn Jain & Kollegen also eine Win-Win-Situation. Wieso sollten sie dann etwas anderes machen? Interessant finde ich vor allem, dass offenbar weder den Aktionären noch dem BaFin irgendetwas auffällt.

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