Zinsrisiko und Fristentransformation

by Dirk Elsner on 4. Mai 2015

Fachleute in Banken und Aufsichtsbehörden treibt angesichts der aktuellen Zinssituation die Sorge um. Sowohl weiter sinkende Zinsen als auch steigende Zinsen stellen viele Banken vor Probleme. Ich werde das Problem weiter sinkender Zinsen in einem eigenen Beitrag aufnehmen. Heute soll es noch einmal um die Risiken aus steigenden Zinsen gehen. Ich hatte dazu bereits in zwei Beiträgen ein paar Grundlagen auch zur Berechnung gelegt.

Anleihen bzw. Vermögenspositionen mit fester Zinsvereinbarung reagieren sehr sensibel auf Zinsänderungen. Ein kleiner Zinsanstieg reicht schon, um die Preis zu senken und zwar ganz unabhängig von der Bonität des Schuldners. Vergangene Woche konnte man schon die Vorboten eines Zinsanstiegs erkennen bei den von einigen Medien so bezeichneten Flash Crash für europäische Staatsanleihen.

Ob das nun bereits die Trendwende am Rentenmarkt ist oder nur eine vorübergehende Delle, wissen wir erst in der Zukunft. Angeblich sollten bereits internationale Anleger auf einen Zinsanstieg in Europa wetten. Ob sie damit gegen das Aufkaufprogramm der EZB Erfolg haben werden, ist zwar derzeit noch fraglich. Dennoch, spätestens wenn die EZB ihre marktverzerrende Geldpolitik beendet, wird man sich Gedanken machen müssen, wie man mit der Zinswende umgeht. Nicht ohne Grund überlegt derzeit der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht ´man einen unerwarteten Zinsanstieg mit zusätzlichen Eigenkapital unterlegen kann.

Was ist Fristentransformation?

Die Bundesbank schrieb zur Entstehung und Bedeutung von Zinsänderungsrisiken im Monatsbericht Juni 2012:

“Aufgrund der Zinssensitivität vieler Bankgeschäfte können Marktzinsänderungen einen hohen Einfluss auf die Ertrags- und Vermögenslage von Kreditinstituten haben. Zinsänderungsrisiken stellen damit für viele Institute eine wesentliche Risikoart dar, insbesondere Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch. Eine Ursache für deren Entstehung liegt in der typischen Geschäftsstruktur der deutschen Banken und Sparkassen begründet. Während die Kreditkunden häufig an einer Kreditvergabe mit langfristig festgelegtem Zinssatz interessiert sind, wollen die Einleger über ihr Geld kurzfristiger verfügen können. Die Kreditinstitute kommen so ihrer volkswirtschaftlich gewünschten Fristentransformationsfunktion nach, indem sie kurzfristige Einlagen in langfristige Kredite umwandeln.”

Fristentransformation im Finanzwesen bedeutet also, dass Banken kurzfristige Einlagen entgegennehmen und Teile dieser kurzfristigen Einlagen als langfristige Kredite vergeben. Fristentransformation sorgt damit für einen Ausgleich der unterschiedlichen zeitlichen Bedürfnisse von Kreditnehmern und Anlegern.

Aus dieser Erklärung lassen sich zwei Risiken ableiten:

  1. Liquiditätsrisiko, wenn Anleger ihre kurzfristigen Einlagen aus welchen Gründen auch immer abziehen, haben Banken ein Problem, weil sie die vergebenen Kredite nicht kündigen können. Sie müssen sich dann die Mittel für die Rückzahlungen aus anderen Quellen beschaffen.
  2. Zinsrisiko, wenn für die langfristigen Kredite ein fester Zinssatz vereinbart wurde. Steigen die Zinsen, dann erhalten die Banken weiter die niedrigen Kreditzinsen, müssen aber auf der Einlagenseite höhere Zinsen bezahlen, wenn sie sich nicht dagegen abgesichert haben. Üblicherweise bildet sich an den Finanzmärkten eine Differenz zwischen kurz- und langfristigen Zinsen (Spread), so dass man für dieses Risiko entschädigt wird.

Risiken aus der Fristentransformation

Ist der Spread groß genug, stören auch nicht die niedrigen Zinsen, wie der FCH-Blog festhält. Aktuell hat aber insbesondere die EZB-Politik die Zinsstrukturkurve ziemlich abgeflacht, so dass das Risiko aus der Fristentransformation nicht mehr “angemessen” bezahlt werden dürfte. Der Blog Acemaxx-Analytics hatte dazu in diesem Beitrag gerade eine interessante Grafik:

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Was sich bisher nicht bewahrheitete wird aber nun immer akuter. Die Erträge aus der Fristentransformation sinken derzeit durch das Abflachen der Zinsstrukturkurve. Martin Hellwig wies 2011 in einem Beitrag für die Ökonomenstimme auf die Risiken der Fristentransformation hin. Etliche Finanzkrisen wurden durch Zinsanstiege verursacht, die die Banken unter Druck setzten.

Noch mehr Hintergrund in diesen Fachaufsätzen

Zinsanstieg belastet

Andreas Dombret, Vorstandsmitglied Deutschen Bundesbank machte in einem Vortrag im November letzten Jahres deutlich:

“Ein abrupter Zinsanstieg sowie eine Verflachung der Zinsstrukturkurve sind diejenigen Szenarien, die das Zinsergebnis der Banken am stärksten belasten. Diese Belastungen sind der Fristentransformation geschuldet. Die Belastungen eines Zinsanstiegs würden vor allem dann zu einem Stabilitätsproblem, wenn zeitgleich auch noch andere makroökonomische Risiken schlagend würden. Daher sollten sich die Banken bereits jetzt wappnen, indem sie für ausreichende Eigenkapitalpuffer sorgen.”

Was hier recht harmlos klingt und im Bankchinesisch verpackt ist, hat es in sich. Nimmt man einmal den Sprachnebel weg heißt dies:

Das deutsche Banksystem kann mit Mühe und Not einen Zinsanstieg verkraften. Kommt dazu allerdings eine weitere Schuldenkrise, eine Banken- oder Was-auch-immer-Krise, dann reicht das Eigenkapital der Banken selbst bei der großzügigen Berechnung nach Basel III nicht mehr aus.

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