Was implizite Staatsgarantien für Banken im Rating bedeuten

by Dirk Elsner on 21. Mai 2015

Diese Vorabmeldung im Handelsblatt vom Anfang der Woche fand ich sehr interessant:

Ratingagentur straft Europas Banken ab

Damit, so schreibt das Handelsblatt, mache die Ratingagentur Fitch ernst mit der angedrohten Massen-Herabstufung europäischer Banken. Interessant ist nicht die Herabstufung selbst, sondern die Begründung.

“Damit reagiert Fitch auf die gesunkene Bereitschaft europäischer Regierungen, die Geldhäuser im Krisenfall zu stützen. Vergangenes Jahr hatte die EU die Banken-Abwicklungsrichtlinie verabschiedet, wonach bei einer Schieflage neben den Aktionären vor allem die Anleihegläubiger haften sollen – und eben nicht, wie meistens in der Finanzkrise, die Steuerzahler. Ein Sprecher der Ratingagentur wollte die Informationen nicht kommentieren.“

Diese Begründung ist deswegen bemerkenswert, weil damit ein noch immer für die Finanzmärkte bedeutender Player einräumt, dass große Kreditinstitute selbst dann unter dem Schutz des Staates stehen, wenn dies nicht ausdrücklich ausgesprochen wird. Fachleute sprechen hier gern von der impliziten Bestandsgarantie. Damit ist die schweigend hingenommene Bereitschaft gemeint, dass staatliche Institutionen bei der Schieflage großer Banken diesen trotz gegenteiliger Behauptungen helfen würden. Fitch dokumentiert mit seinen Herabstufungen, dass diese staatliche Stütze einen Wert hat, nämliche eine höhere Ratingnote.

Nur zur Erinnerung. Außerhalb der Finanzbranche ist unbestritten, dass große Banken, deren Pleite ein zu hohes Risiko für eine Volkswirtschaft darstellt, im Zweifel doch  wieder vom Staat gerettet werden (wir haben das im letzten Jahr am Beispiel der  Rettung der Bank Espirito Santo erlebt). Dies verschafft großen Instituten im Vergleich zu kleineren Banken einen erheblichen Wettbewerbsvorteil.

Seit Dienstag wissen wir nun, wie die US-Agentur Fitch die abnehmende Möglichkeit einer Bankenrettung genau bewertet:

So hat Fitch die Commerzbank um vier Noten schlechter bewertet: von  A+ auf BBB und erreicht damit fast „Ramsch-Status”. Die Deutsche Bank wurde nur um eine Note herunter gestuft auf A.

Weitere Details hier vom Handelsblatt:

Kreditwürdigkeit – Fitch gibt Dutzenden Banken schlechtere Noten

 

In diesem Bericht wird Fitch so zitiert: „Die gesetzlichen, regulatorischen und politischen Initiativen haben die Wahrscheinlichkeit einer staatlichen Unterstützung für Geschäftsbanken in den USA, der Schweiz, der Europäischen Union und in Hongkong deutlich reduziert.“

Die Formulierung macht aber auch klar, dass der Wettbewerbsvorteil durch eine mögliche Staatsrettung nicht Null ist. Vielleicht wurde ja deswegen die Deutsche Bank nur um eine Stufe herabgestuft. Weiterhin dürfte gelten: Je größer eine Bank, desto gefährlicher ist eine Pleite für das Finanzsystem und die Wirtschaft. Daher werden so große Institute trotz gegenteiliger Beteuerungen der Politik weiterhin gerettet werden.

Warum entsteht dieser Wettbewerbsvorteil?

Die impliziten Staatsgarantien stellen Subventionen dar und machen die Schuldenfinanzierung noch attraktiver. Mit den Kosten der faktischen (oder impliziten) Staatsgarantie für Kreditinstitute habe ich mich in diesem Blog mehrfach befasst, z.B. “Die Kosten der faktischen Staatsgarantie für Kreditinstitute”. In The implicit subsidy of banks wies die Bank of England darauf hin. Das Financial Stability Board wies in einer Analyse ebenfalls auf die Subventionen hin:

“The implicit government guarantee that arises when public authorities are perceived to have limited options in dealing with a threatened failure of a financial institution, leading them to bail it out and pass on the costs of failure to taxpayers, provides a public subsidy to TBTF firms in the form of lower funding costs and adversely affects market discipline, competition, systemic risk and public finances. “

Ende 2013 hat sich in den USA das “Banking Committee” des Senats in einer Anhörung  mit Janet Yellen mit der noch immer nicht ausgestandenen too-big-to-fail Thematik befasst. Time schrieb dazu:

“Senators from both sides of the aisle expressed concern that we still haven’t dealt with the problem of too-big-too fail, and the subsidy big banks get from lenders who assume that they will bailed out by the federal government if anything goes wrong.”

Der American Banker schrieb zu den indirekten Subventionen für den Finanzsektor:

“The first of two anticipated studies from the Government Accountability Office has found that (surprise!) big financial firms benefited from U.S. aid during the crisis in the forms of lower rates and longer maturities. The GAO didn’t attach a dollar amount to these subsidies. A second GAO study, due out next year, is expected to examine how big banks benefit from the market’s assumption that the government will bail them out of a crisis. Wall Street Journal, Bloomberg, American Banker” (Die Studie gibt es hier)

Die Monopolkommission hat sich ebenfalls sehr intensiv mit den impliziten Bestandsgarantien für Banken und der damit verbundenen Wettbewerbsverzerrung insbesondere gegenüber kleiner Instituten in ihrem gerade veröffentlichten Gutachten befasst (ab S. 530) . Darin schreibt sie u.a.

“Der mit dem Bestehen einer impliziten Garantie verbundene Wettbewerbsvorteil ist umso größer, je mehr das systemrelevante Unternehmen aus Sicht des Marktes in der Lage ist, über die Garantie Risiken auf den Staat abzuwälzen. Dabei dürfte es dem Unternehmen zugute kommen, dass die Finanzmärkte immer noch von einem hohen Maß an Unsicherheit geprägt sind, sodass andere Marktteilnehmer im Zweifel von einem relativ frühen Eingreifen des Staates ausgehen dürften. Insofern ist fraglich, ob eine Ankündigung, dass bestimmte Banken gar keinen staatlichen Schutz bekommen, überhaupt glaubwürdig wäre.” (Tz. 1402)

Die in der Krise zutage getretenen systemischen Gefahren sind auf systemische Wettbewerbsverzerrungen zurückzuführen. Einzelne Banken (und andere Finanzmarktakteure) können von einer impliziten Garantie profitieren, wenn sie wegen der Ansammlung von Risiken von den anderen Marktteilnehmern als systemrelevant angesehen werden und deshalb nicht mehr aus dem Markt scheiden dürfen (= Bestandsgarantie). Die Finanzkrise hat gezeigt, dass diese implizite Garantie ein Wettbewerbsvorteil ist. Dieser Vorteil wurde nach nationalem Recht bislang nicht abgeschöpft. Die Europäische Kommission hat in ihren Entscheidungen über die in der Krise geleisteten Bankenbeihilfen allerdings durchgesetzt, dass nicht nur für die geleisteten Beihilfen, sondern auch für die implizite Bestandsgarantie ein Ausgleich zu leisten war.” (Tz. 1769).

Und auch der Sachverständigenrat hat die impliziten Staatsgarantien kritisiert und in seinem Jahresgutachten 2014/15 festgestellt, dass diese immer noch zu hoch seien (siehe Kapitel 5, Tz. 299 ff.). Darin steht u.a.:

“Durch eine solche Garantie verschwinden für die Gläubiger die Anreize, das Risikoverhalten der Bank zu überwachen. Dies wiederum verleitet die Banken dazu, erhöhte Risiken zu übernehmen, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Krise steigt. Um negative Anreizwirkungen zu vermindern, haben die Regierungen zwar erklärt, dass sie Finanzinstitute zukünftig nicht mehr retten würden. Solche Ankündigungen sind jedoch unglaubwürdig, da die guten Vorsätze im Falle einer Krise rasch über Bord geworfen werden, wenn die Stabilität des Finanzsystems akut bedroht ist. Ein zentrales Anliegen der Bankenregulierung ist es, dieses Zeitinkonsistenzproblem der Bankenrettung zu lösen oder zumindest abzuschwächen.

Vom Sachverständigenrat lernten wir übrigens bereits, dass die Ratingagenturen den impliziten Garantien große Beachtung schenken. “Sie geben spezielle Ratings heraus, welche die Wahrscheinlichkeit der Unterstützung quantifizieren (Support Ratings). Ein höheres Support Rating übersetzt sich in eine bessere Beurteilung der Bonität einer Bank (Rating Uplift) und geht mit geringeren Finanzierungskosten von Banken einher (Ueda und Weder di Mauro, 2013). Mit Hilfe der Ratings können somit Finanzierungskostenvorteile durch implizite Garantien ermittelt werden.” (Tz. 300).

 

Empirische Evidenz

Der Sachverständigenrat hält weiter fest (Tz. 301 f.):

“Die Support Ratings der Ratingagentur Fitch deuten auf einen dramatischen Anstieg der erwarteten Unterstützung für die von den Aufsichtsbehörden als global systemrelevant eingestuften Banken (G-SIBs) hin (siehe Abbildung). Zunächst stiegen sie im Anschluss an die umfangreichen Rettungsmaßnahmen Ende des Jahres 2008 sprunghaft an, dann erneut mit der erstmaligen Veröffentlichung der Liste der G-SIBs durch das Financial Stability Board am Ende des Jahres 2011. Es scheint, als hätte die explizite Einführung des G-SIB-Status die impliziten staatlichen Garantien bei diesen Banken weiter verfestigt (Moenninghoff et al., 2014). Bei den übrigen Banken stieg das Support Rating Ende des Jahres 2008 ebenfalls an, allerdings sinkt es seit Ende des Jahres 2010 wieder, wenngleich das Vorkrisenniveau bislang nicht erreicht wurde. Dieser Verlauf ist konsistent mit Ergebnissen empirischer Untersuchungen zum Finanzierungskostenvorteil aus impliziten Garantien, die Optionspreismethoden nutzen (IWF, 2014a). Im regionalen Vergleich fällt auf, dass die Unterstützungswahrscheinlichkeit der G-SIBs im Euro-Raum bereits vor der Krise als sehr hoch eingeschätzt wurde.” (siehe Abbildung oben rechts).

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Banken selbst sehen das Problem nicht

Wenig überraschend, dass die großen Banken das anders sehen. Der Co-CEO der Deutschen Bank Jürgen Fitschen hatte die Too-big-to-fail-Problematik ebenfalls Ende 2013 für unsinnig erklärt.  Das Konzept von „Too big to fail“ „klingt gut, ist nur völlig daneben“, wetterte Fitschen. Es sei an der Zeit damit aufzuhören, „diesen Unsinn zu wiederholen“. Besser, so zitierte ihn das Handelsblatt,  sei es doch einmal über „too strong to fail“ reden, also darüber, dass manche Banken so stark sind, dass sie gar nicht erst in Schieflage geraten. „Größe kann Teil der Lösung sein“, argumentierte Fitschen. Als Beweis für seine These führt er an, dass eine Bank wie JP Morgan Handelsverluste bis zu 6 Mrd. Euro hätte verkraften können.

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