Kryptowährung Bitcoin gescheitert?

by Dirk Elsner on 19. Januar 2016

Bitcoin, so erklärte es gestern die Süddeutsche, ist „ein außergewöhnlich sicheres und gleichzeitig transparentes System, mit dem jeder, der sich dafür registriert, Geld hin und her schicken kann. Sei es, um in einem Café zu bezahlen (das Café müsste Bitcoin als Währung akzeptieren, in den USA gibt es das bereits), oder um bei einem Freund ein paar Schulden zu begleichen.“

Über die Zukunft und Professionalisierung der Kryptowährung wird viel nachgedacht und diskutiert. Ich selbst rechne mich eher zu den Skeptikern in Bezug auf eine massentaugliche Verwendung von Bitcoin in der jetzigen Ausprägung im Zahlungsalltag. Unabhängig von dieser Skepsis halte ich Bitcoin für ein ganz starkes Experiment, aus dem wir viel für andere Anwendungsgebiete lernen können.

Als ich am vergangenen Freitag im Zug den Post von Mike Hearn las, war ich allerdings über die massive Kritik am Experiment der Kryptowährung Bitcoin durch einen Insider überrascht. Hearn rechnete in “The resolution of the Bitcoin experiment” mit “seinem” Projekt ab.  Mike Hearn soll neben Gavin Andresen, Jeff Garzik und anderen über Jahre einer der wichtigsten Entwickler im Bitcoin-Projekt gewesen sein.  Daher hat sein Post mehr Gewicht als die Äußerungen vieler Kritiker, die stets von außen die Cyberwährung beurteilten.

Zusammenfassung seiner wichtigsten Aussagen bringt t3n in

und von Ralf Keuper auf Bankstil

Reaktionen u.a. von

Coinspondet: Abschied eines bockigen Kindes von Bitcoin

Nathaniel Popper, New York Times A Bitcoin Believer’s Crisis of Faith

Zu seinen Kernaussagen gehört für mich der folgende Satz, der in dieser Härte schon fast nach Frust klingt:

It has failed because the community has failed.”

Scheitert hier also wieder ein ambitioniertes Projekt daran, weil die “Gemeinschaft” sich von innen heraus zersetzt? Der Informationsfluss innerhalb der Community soll kräftig gestört sein. „Innerhalb von nur acht Monaten ist Bitcoin von einem transparenten, Community-getriebenen Projekt zu einem Projekt geworden, das von Zensur und Angriffen auf Bitcoiner geprägt ist“, übersetzt Golem seine Aussagen.

Inhaltlich übt er deutliche Kritik an Bitcoin als Zahlungsinstrument, weil

  • kein existierendes Geld bewegen kann,
  • hohe und stark schwankende Gebühren hat (eine Kritik, die ich 2013 hier aufgegriffen habe),
  • es Käufern erlaubt, Zahlungen zurückzunehmen, nachdem sie das Geschäft verlassen haben (lt. Hearn ein Feature, das durch einfaches Drücken einer Taste möglich ist,
  • drei weitere Punkte übernehme ich mal im Original:
    • Immer wieder gäbe es Transaktionen, die nicht zuverlässig durchgeführt werden oder nur mit großem Zeitverzug
    • das Mining werde sehr stark kontrolliert durch weniger Spieler aus China, die außerdem
    • Veränderungen blockieren würden.

Daneben geht er auf technische Probleme ein, “die theoretisch lösbar wären, aber nicht gelöst werden, weil kein Interesse der Community an der Lösung der Probleme besteht” (so ein Kommentar auf heise.de).

Hearns Beitrag sorgt für jede Menge Diskussionsstoff in der Bitcoin-Community, die Widerspruch anmeldet. Auch auf Reddid diskutieren die Fachleute (z.B. hier). Wichtig ist, diese Diskussion über die Zukunft von Bitcoin hat erst einmal nichts zu tun mit der im Finanzsektor so gehypten Blockchain-Technologie (dazu morgen mehr). Wenn sich der Rauch um Hearn´s Beitrag gelegt hat, wird man aus dem Kern der daraus entstandenen Diskussion viel lernen können.

Hearn selbst hat sich mit diesem Donnerschlag aus der Bitcoin-Entwicklung verabschiedet. Er will nun mit dem Wall Street Startups R3CEV die Blockchain-Technologie für Banken voranbringen.

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