Konstruierte Bargelddebatte um 5.000 Euro-Grenze und 500 Euro-Schein

by Dirk Elsner on 8. Februar 2016

In Deutschland diskutieren einige Leute mit künstlicher Er- und Aufregung über den Vorstoß der Bundesregierung, eine Obergrenze für Bargeldzahlungen von 5.000 Euro einzuführen. Daneben soll die Europäische Zentralbank darüber nachdenken, den 500 Euro-Schein abzuschaffen.

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Zahlte gern bar: Walter White

In der FAZ ist zu lesen, die Vorstöße zur Einschränkung von Bargeldzahlungen haben starken Widerspruch hervorgerufen. Es mag ja sein, dass ich in den falschen Kreisen verkehre. Aber in meiner beruflichen und privaten Praxis habe ich nie einen Fall erlebt, wo es ein Erfordernis gab, in Deutschland einen Betrag über 5.000 Euro barzuzahlen. Die FAZ hat sich in diesem Beitrag einmal umgehört, wer überhaupt so große Beträge mit Scheinen bezahl und wofür.

Wie man daraus einen “Angriff auf die Freiheit” (Wolfram Weimer im Handelsblatt “Bargeld ist Datenschutz”) konstruieren kann, ist mir schleierhaft. Weimar hält die Argumente Terrorbekämpfung und Geldwäsche für fadenscheinig. “Denn die Argumente für die Attacken aufs Bargeld sind konstruiert. In Wahrheit strebt die Politik nach einer Welt ohne das Bargeld, weil sie den gläsernen Steuerbürger will, dessen Portemonnaies beim Finanzamt direkt einsehbar sind. Ihr Traum: Kein Bargeld, kein Schwarzgeld mehr. Die Steuereinnahmen würden sprunghaft steigen.”

Gut möglich, dass die Argumente fadenscheinig sind, denn ich glaube auch, dass sich keine illegale Verwendung durch dieses Verbot abschrecken lässt. Aber warum “Bürger und Freiheit” darunter leiden sollen, bleibt genauso unklar wie die Furcht von Sascha Lob vor der “Ideologie der Kontrolle”. Um nicht falsch verstanden zu werden, ich teile Saschas Befürchtungen vor eine Ideologie der automatisierten Kontrolle des Menschen durch Technologie. Aber in dieser “digitalen Kontrolle” stecken wir bereits ohnehin tief drin und nehmen sie oft nur noch achselzuckend zur Kenntnis.

Diejenigen, die jetzt so hitzig über die Bargeldbeschränken diskutieren, übersehen, dass es in Deutschland überhaupt keine Bargeldpflicht gibt. Dieser Irrtum speist sich offenbar aus § 14 Bundesbankgesetz. In dieser Vorschrift heißt es: „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“ Dies wird so interpretiert, als könnten Verbindlichkeiten nur mit Geldscheinen bezahlt werden. Bargeld müsse also zu Leistungserfüllung angenommen werden.

Das ist schon immer Blödsinn gewesen. Niemand ist im privatwirtschaftlichen Umgang verpflichtet, Bargeld für die Erfüllung von Geldschulden anzunehmen. Das schreibt auch die Bundesbank in ihren Erläuterungen dazu, welche gesetzlichen Verpflichtungen zur Annahme von Euro-Banknoten bestehen. Nur ohne anderweitige Regelung ist danach jedermann gehalten, Zahlungen mit Euro-Banknoten als ordnungsgemäße Erfüllung einer Verbindlichkeit zu akzeptieren:

“Dieses Prinzip unterliegt allerdings Einschränkungen. Zum einen gilt nach deutschem Zivilrecht grundsätzlich das Prinzip der Vertragsfreiheit. Dieses Prinzip ermöglicht es den an einem Rechtsgeschäft Beteiligten, bei Abschluss eines Vertrages dessen Inhalt frei zu bestimmen. So ist es den Vertragspartnern auch möglich, eine bestimmte Art der Erfüllung zu vereinbaren oder auch auszuschließen. Zum anderen können auch gesetzliche Regelungen eine andere Möglichkeit der Erfüllung einer Geldschuld regeln oder vorsehen.”

Im Klartext. Vertragspartner konnten schon immer abweichende Vereinbarungen treffen und etwa Geldschulden auch elektronisch begleichen oder durch ein Tauschgeschäft Ware gegen Ware.

In der aktuellen Debatte geht es um Beschränkungen sehr hoher Bargeldzahungen und nicht um ihr Verbot. Ich habe schon im Sommer in einer Kolumne geschrieben, dass ich eine wirklich bargeldlose Zukunft für nicht realistisch halte. Trotz aller technischen Fortschritte der verschiedensten Formen der Bezahlverfahren, wird es immer wieder Anwendungsfälle für Barzahlungen geben. Außerdem erinnere ich gern noch einmal an den Beitrag von Hanno Bender, der im BargeldlosBlog die Debatte um die Abschaffung possierlich findet.

Man kann gern die Debatte über die Bedeutung des Bargeldes und datenschutzrechliche Bedenken führen. Aber ausgerechnet das zu einem Angriff auf unsere Freiheit hochzustilisieren, halte ich für konstruiert. Es gibt derzeit wesentlich bedeutendere Angriffe auf unsere gewonnenen Rechte und Freiheiten, die mir mir deutlich mehr Sorgen machen.

egghat (@egghat) Februar 8, 2016 um 13:20 Uhr

Ein Tweet von mir dazu:


„Ich hab noch nie was mit 5.000 Euro in bar bezahlt“ ist das neue „ich hab doch nix zu verbergen“.

Beides geht am Thema vorbei!

https://twitter.com/egghat/status/695529888632205312

Beim „Ich habe noch nie was großes bar bezahlt“ ist es halt ähnlich wie bei jeder Abhörmaßnahme: „Ich habe auch nichts zu verbergen“. Aber es geht hierbei nicht um mich und dass ich uninteressant bin. Es geht um Journalisten, es geht um Aktivisten, es geht um Rechtsanwälte, es geht um Whistleblower, es geht um Politiker. Die haben nämlich unter Umständen sehr wohl was zu verbergen. Und genau wie diese Kommunikationsmöglichkeiten benötigen, die nicht abgehört werden, brauchen diese auch Finanzierungswege, die nicht vollständig von den Mächtigen (die am anderen Ende der Abhörschnittstellen sitzen) abgehört werden können. Dass es andere Sachen gibt, die noch gefährlicher sind, mag ja sein, aber das macht ein teilweises Bargeldverbot nicht besser.

Bei den Punkten, die du ansprichst, bin ich eher auf Christians Linie. Es geht natürlich auch irgendwie um die Bekämpfung von Schwarzarbeit und organisierter Kriminalität. Aber ernsthaft: Glaubt jemand, dass das Zimmer nicht mehr schwarz gestrichen wird oder die Putzfrau nicht mehr schwarz bezahlt wird, wenn es den 500-Hundert-Euro-Schein nicht mehr gibt? Und dass der Handwerker seine Schwarzgeldkasse auflöst, weil er sein Auto nicht mehr bar (mit Schwarzgeld) bezahlt? Dann gibt er das Bargeld für Abendessen und Sause im Urlaub aus (ist eh viel sinnvoller, weil das quasi nicht nachweisbar ist).

Und die organisierte Kriminalität? Es dürfte wohl niemand erfindungsreicher in der Umgehung sein. Dann wird in Dollars gehandelt, in Gold und Diamanten. Oder von mir aus Bitcoins. Oder Kleinkriminelle nehmen wieder Zigaretten.

Richtig wirksam wird ein Verbot jedoch beim Speichern größerer Geldbeträge. Da wird es ohne 500er schwierig bis unmöglich. Der Berg Papier wird irgendwann zu groß. Und dann musst du das Geld bei der Bank liegen lassen, ob du willst oder nicht. Egal wie negativ die Zinsen werden. Und diesen Hedge, diese Fluchtmöglichkeit kann uns die Notenbank nicht lassen. Lass die Zinsen mal auf -1% oder so fallen, dann werden auch Normalsterbliche ihr Geld von den Konten holen.

Bin ja eher selten auf HW Sinns Linie, aber hier bin ich bei ihm:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/hans-werner-sinn-wie-sich-der-einzug-des-500-euro-scheins-rechnet-14054372-p2.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Stefan Rapp Februar 8, 2016 um 12:49 Uhr

Vielleicht sollte man die Bevölkerung auch erstmal aufklären, was ist beispielsweiße bei der Bank an der Kasse, ist hier dann eine Auszahlung auch auf 5000 Euro beschränkt oder kann ich dort mehr oder weniger jederzeit mein Geld komplett abheben ?
Auf einem privaten Automarkt sind größere Bargeldzahlungen über 5000 Euro gängige Praxis. Auf ein fremdes Konto einer Privatperson will man vielleicht nicht umbedingt größere Summen überweißen wenn man das Fahrzeug noch nicht hat und ob man hier dann genau so problemlos mit Scheks arbeiten kann ist mir beispielsweiße unklar da ich mit diesen und vermutlich geht es auch vielen anderen Bürgern so, keine Erfahrung habe.

Christian Kirchner Februar 8, 2016 um 10:45 Uhr

Ich kann weder dem Argument „ich habe noch nie einen Fall erlebt, in dem jemand über 5.000 Euro in bar….“ noch dem Hinweis Hinweis, es gebe in Deutschland mitnichten eine „Bargeldpflicht“ folgen.

Es geht doch genau darum, dass ich mir einerseits mein Geld in 500-Euro-Scheinen auszahlen lassen _könnte_, wenn ich es denn _wollte_. Und auch darum, dass ich, unter Berücksichtigung der Geldwäscheregelungen, auch dann 20.000 Euro in Cash bezahlen _könnte_, wenn ich es denn _wollte_. Denn das Gesetz sieht vor, dass Cash ein akzeptiertes Zahlungsmittel ist und mir nicht irgendwer vorschreiben kann, etwas unbar zu zahlen.

Was ist denn daran konstruiert, wenn es mich aufregt, wenn mir diese Möglichkeit genommen wird? Ich bin kein Anhänger von Verschwörungstheorien – und dennoch beschleicht mich das Gefühl, dass wir hier nicht über Terrorbekämpfung sprechen, sondern es darum geht, die Wirksamkeit weiterer geldpolitischer oder fiskalischer Maßnahmen in Krisenfällen nicht den „Bums“ zu nehmen. Schließlich segeln wir schon mit einer ultralockeren Geldpolitik und Quasi-Nullzinsen und Anleihenaufkäufen und negativen Einlagezinsen in das, was die nächste Rezession sein _könnte_ – da würde ich als Notenbanker oder Politiker mit etwas Weitsicht auch schwitzige Finger bekommen.

Ich finde die Debatte alles andere als „konstruiert“ – es sei daran erinnert, dass auch Maßnahmen, die wir heute völlig normal finden – negative Einlagezinsen, Nullzinsen auf Jahre, Anleihenaufkäufe – teils bis wenige Stunden vor ihrer Einführung als hanebüchen, konstruiert, utopisch galten.

Ist denn der Abnutzungseffekt „kreativer“ Maßnahmen wirklich schon so stark? Ich kann es manchmal kaum glauben.

Tim Februar 8, 2016 um 09:28 Uhr

In der aktuellen Debatte geht es um Beschränkungen sehr hoher Bargeldzahungen und nicht um ihr Verbot.

Die aktuellen Forderungen sind der Einstieg in ein späteres Verbot. Jetzt einen Grenzwert einführen und ihn dann über die Jahre stetig verringern, das ist die Strategie. Die Bargeldgegner in Banken, Politik und Geheimdiensten wissen, daß man das Bargeld nur so wegbekommt, denn ein sofortiges Verbot hätte keine Chance.

Es gibt derzeit wesentlich bedeutendere Angriffe auf unsere gewonnenen Rechte und Freiheiten, die mir mir deutlich mehr Sorgen machen.

Die große Gefahr unserer Zeit ist die technische Transparenz unseres Lebens für staatliche Stellen. Natürlich hat die Debatte verschiedenste Aspekte, aber die Bürgergesellschaft darf hier an keiner Stelle zurückweichen. Nicht der Bürger muß für den Staat transparent sein, sondern der Staat für den Bürger. Wir dürfen nicht nachlassen.

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