Live-Blogging zu der US-Präsidentschaftswahl 2016 am 8.11.: Gewinnt Clinton wirklich oder kommt das Brexit-Déjà-vu?

by Dirk Elsner on 8. November 2016

Zu meiner persönlichen Tradition gehört es seit 1988, dass ich die US-Wahlnächte in den USA live verfolge. Zum dritten Mal dokumentiere ich diesen Tag und vor allem die Nacht hier in meinem Blog.

9.11.2016

16:40

Irre, wie schnell die Finanzmärkte sich mit Trump angefreundet haben. DAX nach sehr schwachen Start nun deutlich im Plus

DAX am 9.11.

Hier mein Storify zur US Präsidentschaftswahl 2016

11:30

Es hat sich tatsächlich nichts geändert. “Der unvorstellbare Präsident” (Handelsblatt) ist tatsächlich Sieger geworden, wenn übrigens noch nicht nach der offiziellen Auszählung.  Die Kapitalmärkte haben den ersten Schock offenbar schon verdaut und suchen einen neuen Realismus.

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Erfahrungsgemäß ist das Expertenrauschen nach einem solchen Ereignis besonders groß. Alle suchen nach Erklärungen und Deutungen. Ich halte mich da zurück. Ich versuche es mal mit Optimismus und hoffe, dass uns Trump positiv überrascht. Er hat ja schon versöhnliche Worte gefunden. Es kann gut sein, dass ihn sein Wahlkampfgerede nicht mehr interessiert. Trump legt ja keinen Wert auf eine in sich konsistente Meinung. Bleibt zu hoffen, dass Trump die negativen Erwartungen genauso wenig erfüllt wie Obama die hohen positiven nicht erfüllt hat.

5:00

Hawaii und Kalifornien haben jetzt auch die Wahllokale geschlossen und wurden Clinton zugeschlagen. Das ändert aber nichts. Trump gewinnt wichtige Swingstates. Hillary hilft jetzt nur noch eine Überraschung. Ich bin aber so müde, dass ich hier jetzt meinen PC abschalte und wahrscheinlich gleich einschlafe. Ich wünsche mir, dass es das Brexit-Déjà-vu nicht gibt. Aber die Wahrscheinlichkeit dafür liegt nur unter 10%.

Für die Wahlforscher und Prognosepäpste ist dies die zweite bittere Überraschung in diesem Jahr.

An den Finanzmärkten donnert es bereits in Asien. Trump bedeutet erst einmal Unsicherheit. Das galt auch nach der Entscheidung für den Brexit und hat sich dann wieder beruhigt. Das Handelsblatt hat auf seiner Webseite bereits einen Marktbericht.  

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Bleibt nur zu hoffen, dass Trump die negativen Erwartungen an seine Person genauso wenig erfüllt wie Obama es nicht geschafft hat, die hohen positiven Erwartungen zu erfüllen. Damit verabschiede ich mich für diese Nacht und diese Wahl. 

 

4:45

Die ARD ist noch optimistisch für Clinton. CNN spricht von einer epischen Schlacht. Die Vorhersagemärkte sind weiter sehr volatil. Trump führt hier aber noch immer deutlich. So komme ich natürlich nicht ins Bett.

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4:15

Auf CNN gab es schon den ersten Bericht von den Finanzmärkten. Der Dow Jones Futures soll 500 Punkte in den Keller gerauscht sein. Auf einen Präsidenten Trump freut sich kaum jemand, aber offenbar das amerikanische Volk. Das muss man respektieren. Die Vorhersagemärkte haben sich mittlerweile komplett gedreht. Florida, Michigan, North Carolina und vielleicht New Hampshire sind dabei die entscheidenden Staaten. Alle waren für Clinton gebucht und könnten nun an Trump gehen. Umgekehrt hat Clinton keinen nicht erwarteten Staat gewinnen können. CNN macht zwar noch Planspiele, nach denen es knapp werden könnte. Die Märkte dagegen haben sich bereits entschieden.

durch vom Clinton Trump
betdaq 09.11./04:15 23,26% 77,52%
predictit 09.11./00:02 34,00% 65,00%
predictwise 09.11./00:03 23,00% 77,00%
Schnitt 09.11./00:06 26,75% 73,17%

Die ARD hat noch ein paar Planspiele nach denen Clinton noch gewinnen kann.

3:45

Mist, im Moment sieht es nach einem BREXIT-Déjà-vu aus. Bei Betdaq liegt Trump jetzt schon leicht aber stabil vorn.  CNN betont permanent, dass Trump besser abschneidet als erwartet. Gut, dass habe ich ja auch schon festgestellt. Wird es schon Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, was eine Präsidentschaft unter Trump bedeutet?

3:25

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Bei Betdaq liegen Clinton und Trump nun gleich auf. Das Rennen ist vollkommen offen. Die Schwankungen sind allerdings sehr ausgeprägt. An den Finanzmärkte würde man von hoher Volatilität sprechen.

 

3:00

Florida ist wohl verloren für Clinton. Jetzt geht es aber Schlag auf Schlag. Plötzlich führt Trump doch wieder in Ohio. Auha, und die Vorhersagemärkte ändern sich rasant. Plötzlich stehen die Chancen für Clinton nicht mehr so gut. Die Freude über Texas war leider auch verfrüht. Aktuell steht es nach der CNN-Auswertunges 128:97 für Trump. Florida hat CNN an Trump gegeben. So sehen die aktuellen Werte aus, wobei ich jetzt die rausgeworfen habe, die nicht mehr aktualisieren.

durch vom Clinton Trump
betdaq 09.11./03:11 65,36% 34,48%
predictit 09.11./00:02 69,00% 38,00%
predictwise 09.11./00:03 79,00% 21,00%
Schnitt 09.11./00:06 71,12% 31,16%

Richtig wild ist der Handel auf betdaq. Einen Sieg Clintons sehen die Vorhersagemärkte deutlich weniger sicher als noch zu Beginn des Abends.

Um 3 Uhr hatte ich noch Probleme wach zu bleiben, nun nicht mehr. In jedem Fall hat Clinton ihre große Favoritenrolle aus Sicht der Prognosemärkte eingebüßt. Wenn das so weitergeht, dann haben wir auch hier wieder die Brexit-Situation.

 

2:35

Ah, es bahnen sich erste Abweichungen an. In Florida sieht es im Moment für Trump marginal besser aus, in Virginia ebenfalls. Dafür führt Clinton in Ohio, was eher fivethirtyeight mit 64,6% Wahrscheinlichkeit für Trump erwartet hatte. Interessant auch, dass im Staat Texas, der als sicher für Trump galt, es derzeit nach einem knapperen Rennen aussieht. Schon jetzt sieht man anhand der CNN-Berichterstattung, dass es es doch spannender verläuft als erwartet.

BTW. Das ZDF-Programm habe ich mittlerweile auf leise gestellt. Dieses Gesprächsmarathon langweilt mich. Das ist etwa so, als würde man bei einem Fußballspiel nur die Zuschauer zeigen. CNN dagegen zeigt das Spielfeld. Schade, da hatte ich mir mehr versprochen. In der ARD sieht es allerdings auch nicht anders aus. Auch da gibt es eine Dauertalkshow. Immerhin hat man dort

Und jetzt noch ein Bild

 

2:00

Während im ZDF unlustige Quizspiele laufen, ist es viel spannender Florida Dank CNN im Detail zu verfolgen. Hier lag zunächst Trump vorn. Mit Eintrudeln der Ergebnisse aus den großen Ballungsgebieten hat sich das Bild dort vorläufig gewendet. Bei CNN schauen die praktisch auf den Livestream eintrudelnder Ergebnisse. Selbst ein Moderationsveteran wie Wolf Blitzer ist fasziniert davon. Die Führung wechselt hier fast im Minutentakt.

CNN hat in der Zwischenzeit diverse weitere Bundesstaaten als entschieden ausgerufen. Es steht bei CNN nach Wahlmännern 68:48 für Clinton. Bisher gab es noch keine Überraschung, wobei ich Überraschung definiere als Abweichung von den Bundesstaatprognosen von fivethirtyeight.

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Das nächste Update der Tabelle der Prognosemärkte mache ich gegen 3:00 Uhr. Aber hier haben sich die Einschätzungen für Clinton weiter verbessert. Worin dieser Optimismus begründet ist, kann ich allerdings derzeit nicht nachvollziehen.

1:15

Ich kämpfe mit der Müdigkeit. Die im ZDF laufende Diskussion munter nicht unbedingt auf. Immerhin gab es die ersten Hochrechnungen. Als gesichert gelten Indiana und Kentucky gehen an Trump, Vermont an Clinton. Damit steht es 19:3.

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Erste Spannungen entstehen traditionsgemäß in Florida.

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Über diese Übersichtskarte kann man sich übrigens in die Einzelwahlbezirke reinzoomen. Wahnsinn wie viele Infos man mittlerweile abrufen kann, die man eigentlich überhaupt nicht benötigt. Und keine Angst, ich werde hier auch nicht jede Veränderung posten und dokumentieren. Auch dazu gibt genügend professionelle Anbieter, die das gut können.

Mein Blick bleibt weiter auf die Vorhersagemärkte gerichtet. Hier hat sich wenig bewegt, weil die bisherigen Ergebnisse alle im Rahmen der Erwartungen liegen.

0:00

Jetzt beginnt die heiße Phase der Wahlnacht. In den Vorhersagemärkten hat es Bewegung gegeben. Im Schnitt hat sich die Wahrscheinlichkeit auf einen Sieg Clintons leicht erhöht seit der letzten Prognose von 20:00

durch vom Clinton Trump
betdaq 09.11./00:00  83,68% 16,39%
ipredict 09.11./00:01 90,60% 8,30%
predictit 09.11./00:01 85,00% 19,00%
predictwise 09.11./00:01 91,00% 9,00%
IEM 09.11./00:02 78,70% 21,70%
538 09.11./00:03 71,40% 28,60%
Schnitt 09.11./00:03 83,40% 17,17%

Wahrscheinlichkeit für Wahlsieg* (nicht Stimmanteile)

Aber nur zur Erinnerung. Bis auf Dixville Notch wurde hier kaum etwas ausgezählt. Die Prognosemärkte lagen beim Brexit ebenfalls falsch, selbst bei Schließung der Wahllokale. In den allermeisten Fällen, in denen ich hier im Blog auf die Vorhersagemärkte geschaut habe, lagen diese richtig. In der Nacht zum Brexit nicht. Eine Chance von 75% auf Verbleib, ist halt keine 100% Chance.

Jetzt beginnt auf CNN die hektische Phase. Die ersten Umfrageergebnisse werden erwartet.

 


8.11.2016

23:00

CNN beginnt die heiße Phase mit den Starankern Wolf Blitzer und Anderson Cooper. Der Sender hat noch vor Schließung der ersten Wahllokale um 0:00 Uhr unserer Zeit die ersten Exit Polls (Umfragen am Ausgang des Wahllokals) veröffentlicht. Da wurden aber die Erwartungen zu hoch geschraubt. Tatsächlich sind das nur Ergebnisse zum Wahlverhalten, wie etwa, wann sich die Leute für einen Kandidaten entschieden haben.

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Ansonsten sind mir die Wahlimpressionen im Handelsblatt aufgefallen.

22:30

Für die Wahlnacht ist meine Internet-Leitung über die Telekom definitiv nicht ausreichend. Bei 2 TV-Programmen über Entertain und Stream schwächelt die Leitung. Peinlich für das Frankfurter Westend und die Leitungsprovider, dass es hier keine fixeren Anschlüsse gibt (#1stworldproblem).

Von den Vorhersagemärkte gibt es keine Neuigkeiten. An den Börsen scheinen sie dagegen auf einen Sieg Clintons zu setzen. Der DAX jedenfalls hat den zweiten Tag in Folge deutlich fester geschlossen.

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Meine Kollegin Corinna fragte gerade über WhatsApp, wenn ich gewählt hätte. Ich hätte weder Clinton noch Trump gewählt, sondern mir die anderen Kandidaten näher angeschaut. Leider wissen wir wenig über sie, weil sich die USA und die Welt nur für die beiden Hauptkandidaten interessieren.  Meines Erachtens hätte in diesem Jahr ein dritter Kandidat beste Chancen haben können. Ich verstehe nicht, warum hier keine Bewegung in das US-System gekommen ist. Die Tür dafür stand weit offen.

20:30

Nachdem ich auf Spiegel Online “So halten Sie durch bis zur Entscheidung” gelesen habe, hier meine Infowebseiten, auf die ich heute vorwiegend schaue

Und hier die Seiten mit den Vorhersagen in Echtzeit

Die Werte auf den Vorhersagemärkten, das zeigen immer wieder Untersuchungen, erweisen sich aber als aussagekräftigere Schätzwerte für die Wahrscheinlichkeit eines Ergebnisses als traditionelle Umfragen. Einer der ersten Prognosemärkte ist 1988 entstanden: der Iowa Electronic Markets, der vor allem Forschungszwecken der Universität of Iowa dient.

Das Besondere an diesen Vorhersagemärkten ist, dass dort (mit Ausnahme von fivethirtyeight) Prognosen laufend gehandelt werden. Ich halte solche Vorhersagemethoden für deutlich aussagekräftiger als klassische Befragungen. Ich habe dazu schon vor langer Zeit diesen und diesen Blogeintrag geschrieben. Daran hat sich grundsätzlich nichts geändert. Weiteren Hintergrund hier:

 

20:00

Hier das Update der Vorhersagemärkte.

Wahrscheinlichkeit für Wahlsieg* (nicht Stimmanteile)

durch vom Clinton Trump
betdaq 08.11./20:00  82,64% 17,54%
ipredict 08.11./20:01 83,00% 19,00%
predictit 08.11./20:02 82,00% 20,00%
predictwise 08.11./20:03 89,00% 11,00%
IEM 08.11./20:04 78,80% 23,50%
538 08.11./20:05 71,40% 28,60%
Schnitt 08.11./20:06 81,14% 19,94%

Der Schnitt war heute morgen besser für Clinton. Ich habe nun aber noch zusätzlich den Blog fivethirtyeight aufgenommen, der deutlich weniger optimistisch ist für die Demokraten. Aber Nate Silver und seine Kollegen haben für die letzte Wahl die besten Prognosen abgegeben.

Dort findet man auch eine differenzierte Übersicht über das voraussichtliche Abstimmverhalten der einzelnen Bundesstaaten.

 

 

19:30

Feierabend im Büro. Die lange Wahlnacht kann beginnen. Ich haben es mir bereits in meiner Wohnung gemütlich gemacht und beginne den Abend mit CNN. Die ersten Wahllokale schließen in 4,5 Stunden. Es gibt also keinen Grund für Hektik. Es sieht auch wieder nach einem Informations-Overkill aus. Das mediale Rauschen mit überflüssigen Informationen ist gigantisch. Ich mag diese Nacht dennoch. Man kann es aber auch so halten, wie meine Frau, die morgen früh um 6:30 die Zusammenfassung im Radio in einer Minuten, 30 Sekunden hört. Aber beim Fußball will man schließlich auch das Spiel live sehen und nicht nur das Ergebnis.

Ich werde diesmal nicht so extremes Medienhopping betreiben. Auf meinem TV läuft CNN, später schalte ich über den Computer Monitor das ZDF dazu. Viel interessanter finde ich die Entwicklung der Vorhersagemärkte, auf denen ja in Echtzeit die Prognosen über den Wahlausgang gehandelt werden. Ich werde im nächsten Post mit einem Update kommen.

6:45

Zur Tradition gehört es, dass bereits um Mitternacht die Wahllokale in Dixville Notch im US Bundesstatt New Hampshire öffnen und dort nach wenigen Minuten die Stimmen ausgezählt sind. 2012 gab es ein remis zwischen Obama und Romney. In diesem Jahr hat Hillary Clinton dort doppelt so viele Stimmen erhalten wie Trump. 4:2. Ein Trend ist das noch nicht.

Ich gehe jetzt erst einmal  in Büro, habe aber vorher noch die Prognosemärkte aktualisiert. Im Vergleich zum Stand der Märkte vom vergangenen Wochenende hat sich Clinton weiter verbessert.

Wahrscheinlichkeit für Wahlsieg* (nicht Stimmanteile)

durch vom Clinton Trump
betdaq 08.11./7:00  81,30% 20,20%
ipredict 08.11./7:01 89,00% 12,50%
predictit 08.11./7:02 81,00% 23,00%
predictwise 08.11./7:03 89,00% 11,00%
IEM 08.11./7:04 78,50% 23,50%
Schnitt 08.11./7:05 83,76% 18,04%

*Differenzen zu 100% liegen in Marktineffizienzen

2012 haben die Vorhersagemärkte gut funktioniert, beim Brexit nicht. Aber die Vorhersagemärkte sehen Ergebnisse auch nicht mit Sicherheit korrekt voraus, sondern gerade mit Unsicherheit.

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