POTUS Donald Trump: Kampfansage an globale Kooperation

by Dirk Elsner on 23. Januar 2017

Nun ist also das bisher undenkbare offiziell. Donald Trump ist POTUS (= President of the United States). Manche mögen das als den Schwarzen Schwan der Weltpolitik sehen. Das ist natürlich Blödsinn, denn seit mindestens einem Jahr gehörte eine Präsidentschaft Trumps in einen erwartbaren Möglichkeitsraum der amerikanischen Politik (hier dazu warum der Sieg kein Schwarzer Schwan war).

So begeistert ich vor acht Jahren über den Antritt zur Präsidentschaft von Barack Obama war, so sehr habe ich in den letzten Wochen versucht zu verdrängen, was nun auf die Welt zukommt. Ich halte mich mit der Hoffnung hoch, dass Trump möglicherweise die negativen Erwartungen genauso wenig erfüllen wird, wie Obama die hohen positiven nicht erfüllt hat.

An die von Trump kultivierte politische Unkorrektheit habe ich mich zwar gewöhnt, dennoch hat mich die Antrittsrede (hier im Wortlaut) erschrocken. Auch wenn Trumps Äußerungen wegen seiner widersprüchlichen Rhetorik schwer zu interpretieren sind, ist die Botschaft „Amerika zuerst“ verbunden mit den vielen Aussagen zur nationalen Abschottung eine Kampfansage an die globale Kooperation. Trump wird versuchen, der Welt seine Regeln aufzuzwängen.

Der Welt wird dieser neue düstere Ultranationalismus (SPIEGEL), den wir auch in vielen anderen Ländern beobachten können, nicht gut bekommen. Stefan Kornelius kommentiert in der Süddeutschen: “Ganz sicher aber ist er ein Präsident des Zorns und des Regelbruchs, der sich nicht nur dem etablierten politischen Personal verweigert, sondern den Grundprinzipien einer aufgeklärten, auf Rationalität und Argumentation fußenden Politik.”

Klar, das haben viele im Gefühl. Aber warum ist die Kampfansage an die globale Kooperation so schlimm? Ich nenne hier Martin A. Nowak als Sachverständigen. Der österreichisch-US-amerikanischer Mathematiker, Biologe und Professor an der Harvard Universität hat in dem populärwissenschaftlichen Buch “Kooperative Intelligenz” seine Forschungserkenntnisse zum Thema Evolution und Kooperation zusammengefasst.

Nach Nowak, der evolutionäre Prozesse mit Mitteln der Spieltheorie modelliert, geht es nicht ohne Kooperation, weder auf Genomebene, Zellebene noch auf Individualebene. Auch wenn das manch einer heute anders sehen wird, gehören Menschen zu den äußerst kooperativen Arten. Die Menschen sind Superkooperatoren, die als einzige biologische Art auf Erden in der Lage sind, die verschiedenen Mechanismen (er nennt fünf) der Kooperation zu nutzen. Seine Ergebnisse untermauert er in seinem Buch analytisch, quantitativ und mathematisch.

Um hier gleich einem Missverständnis vorzubeugen. Das postuliert nicht die sozialromantische Vorstellung, dass alle Menschen stets kooperieren bzw. kooperieren sollen. Auch Nowak gibt sich in seinem Buch nicht der Illusion hin, dass es keine Defektion gibt:

“Ein Utopia der Kooperation existiert nicht. Der Grad, in dem sich eine Gesellschaft kooperativ verhält, schrumpft so zwangsläufig, wie er auch wieder wächst. … Auch wenn wir nicht erwarten können, dass Kooperation ewig währt, sind wir hoffentlich in der Lage, drastische Abstürze zu verhüten oder zumindest sicherzustellen, dass sich kooperatives Verhalten über längere Zeiträume hinweg hält und nur gelegentlich zusammenbricht.“

Dank der evolutionsbiologischen Erkenntnisse, die ich derzeit in der größten und längsten Beitragsreihe in diesem Blog vorstelle, hat Kooperation die Menschen groß gemacht. Gruppen mit einem höheren Anteil an Menschen, die bereit sind, für das übergeordnete Wohl zurückzustecken, können besser abschneiden, selbst wenn es immer einen Anreiz zur Defektion gibt. Als Gruppen sieht Nowak z.B. ein Volk, ein Kult oder eine Religion, aber auch Teams in einem Unternehmen, Vereine, Fanzugehörigkeiten und viele andere Gruppierungen.

Trump sind solche Gedanken natürlich egal, weil ihn die die politische Aussage Kooperationen mit allen zu suchen nicht ins Amt gebracht hätte. Seine eigene Bezugsgruppe (vulgo Fans) wollen sich abschotten und fühlten sich bereit vorher isoliert. Wer das Buch von Nowak liest, der sollte davon nicht überrascht sein, denn da wo Kooperation herrscht, lauert die Gefahr der Ausbeutung. Er schreibt:

“Sprungbereit warten im Dunkeln Defektoren darauf, bei passender Gelegenheit zuzuschlagen. Schon bei den ersten Simulationen, die ich vor Jahrzehnten mit Karl Sigmund durchführte, zeigte sich, dass das Geschehen im Spiel stets Schwankungen unterworfen ist: Kooperation kommt und geht. Sie gedeiht und verdorrt und muss in endlosen Zyklen immer wieder aufkeimen.” (Kindle Edition Pos. 4954 ff.)

Nowak bestätigt auch das, was wir von vielen anderen Autoren und aus der Geschichte lernen:

“Die Geschichte der Menschheit verläuft in einem endlosen Spannungsfeld, in der eigene, kurzsichtige Interessen dem beispielhaften Bestreben entgegenstehen, langfristige kollektive Ziele zu erreichen. Inzwischen, so glaube ich, verstehen wir, wie im Gefangenendilemma Kooperation über Defektion obsiegen kann. … Mutation und natürliche Auslese reichen für ein Verständnis des Lebens nicht aus. Notwendig einbezogen werden muss auch Kooperation. Sie ist die Chefarchitektin dessen, was die Evolution in vier Milliarden Jahren zustande gebracht hat. Durch Kooperation entstanden die ersten bakteriellen Zellen, dann höhere Zellen, dann komplexes mehrzelliges Leben und schließlich auch Superorganismen aus Insekten. Am Ende errichtete Kooperation die menschliche Kultur und Gesellschaft.” (Kindle Edition Pos. 5021 ff.)

In Nowaks Buch findet man übrigens auch eine Antwort, wie man auf nicht kooperatives Verhalten reagieren sollte. Ich hebe mir das für einen Folgebeitrag auf. Nur so viel vorab. Nowak befasst sich mit Spieltheorie, die viele als relevant für politische und betriebswirtschaftliche Entscheidungen ansehen. Entgegen der Erwartung vieler Spieltheorie-Strategen ist die erfolgreichste Taktik aus dem Gefangenendilemma, in dem sich die Welt nun befindet, nicht Tit-for-Tat.

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