Der Irrtum bei der Suche nach einer Digitalstrategie: Der Strategiebegriff ist analog

by Dirk Elsner on 2. März 2017

Digitalisierung ist das Schlagwort der Stunde und in der Wirtschafts- und Finanzpraxis das Buzzwort des Jahres. Immer wieder liest man in diesen Zeiten den Vorwurf an Unternehmen (z.B. hier), sie hätten immer noch keine Digitalstrategie. Ebenso häufig werden Rezepte gepriesen, wie Unternehmen eine Digitalstrategie entwickeln könnten. Das klingt so, als führe man die Digitalisierung wie ein Total-Quality-Management-System oder ein neues Buchhaltungssystem ein.

Ich mag das Wort Digitalisierung mittlerweile nicht mehr hören, weil es in der inflationären Verwendung immer inhaltlsleerer wird. Ich beschäftige mich damit in meiner aktuellen Kolumne für Capital unter dem Titel

Digitalisierung ist kein Geschäftsmodell

Ich bin zwar der Auffassung, dass sich Unternehmen dringend mit den für sie relevanten Technologien und deren Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell beschäftigen müssen. Daraus folgt aber nicht, dass sie eine Digitalisierungsstrategie benötigen. Die wird zwar andauert von Beratern und Analysten gefordert bzw. ihr Fehlen bemängelt, fragt man aber danach, was eine Digitalisierungsstrategie eigentlich sein soll, dann erhält man zum Teil komische Antworten, wie ein Unternehmen müsse sich mit Apps beschäftigen oder Hinweise es müsse seine Geschäftsprozesse in die Cloud verlagern . Das sind für mich keine Strategien, sondern bestenfalls Maßnahmen, die man aus einer bestimmten Strategie ableiten könnte.

Je länger ich mich mit dem Strategiebegriff befasse, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass er aus einem analogen Zeitalter stammt.  Von Strategie oder strategischem Verhalten ist in der Betriebswirtschaftslehre häufig die Rede. Der Aussagegehalt und die Bedeutung sind dabei jedoch nicht immer einheitlich. Besonders kritisch ist zu beurteilen, wenn der Zusatz "strategisch" lediglich den Charakter einer Sprechblase hat, die ohne Verlust an Aussage oder Präzision ersatzlos wegfallen könnte, konnte man von Werner Neus Einführung in die Betriebswirtschaftslehre lernen. T. Jenner schrieb vor einigen Jahren in  “Strategieforschung zwischen Content und Process”, dass der Strategiebegriff mittlerweile Schlagwortcharakter erlangt habe und zur Etikettierung unterschiedlicher Konzepte und Überlegungen diene. Teilweise drängt sich dabei der Eindruck auf, dass die Kennzeichnung „strategisch“ in erster Linie zur Untermauerung der Bedeutung der jeweils diskutierten Konzepte dienen soll.

Aufgabe von Strategien bzw. strategischer Planung ist die Festlegung der einzuschlagenden „Route“ für die Zukunftssicherung des Unternehmens. Die strategische Planung konzentriert sich auf die Entwicklung von grundsätzlichen Konzepten zur Sicherung der Erfolgsquellen eines Unternehmens. Nach Frese und Rubel sind Strategien langfristige Grundsatzentscheidungen, mit den die Erfolgspotentiale eines Unternehmens aufgebaut und gesichert werden. Sie beschäftigen sich mit dem Ressourceneinsatz und den Interaktionen zwischen Unternehmen und Markt. Natürlich spielen dabei jeweils auch neue Technologien  und die mit dem digitalen Wandel verbundenen kulturellen Änderungen eine wichtige Rolle, das beantwortet aber nicht die Frage, warum ein Unternehmen seine Strategie von der Digitalisierung aus denken soll.

Comments on this entry are closed.

Previous post:

Next post: