1.2 Deutschland
Die deutsche Reaktion auf die Beinahe-Kernschmelze des Systems war  schnell und  entschlossen. Im Oktober 2008 verabschiedete der Bundestag  in Rekordzeit das  Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG). Im  Zusammenspiel mit den Notprogrammen  anderer Regierungen und der  Ausweitung der Liquiditätsbereitstellung durch die  Zentralbanken gelang  es, den Zusammenbruch weiterer großer Institute zu verhindern und  einem  weitgehenden Erliegen der Kernfunktionen des Finanzsystems vorzubeugen.
Der mit dem FMStG ins Leben gerufene Sonderfonds  Finanzmarktstabilisierung (SoFFin),  der mit einem Verfügungsrahmen von  480 Mrd Euro ausgestattet wurde, hat bislang rund  128 Mrd Euro in Form  von Garantien, 22 Mrd Euro in Form von Eigenkapitalhilfen und 6  Mrd Euro  in Form von Risikoübernahmen gewährt.
Durch die Stützungsmaßnahmen gelang es, weitere Ansteckungseffekte zu  verhindern  und so auch die Banken, Versicherungen und  Finanzintermediäre abzusichern, die nicht  unter den Schutzschirm des  Staates fielen. Dies ist vor dem Hintergrund einer in der  Geschichte  beispiellosen Krise und des erheblichen Zeitdrucks, unter dem sich die  Akteure befanden, ein nicht zu vernachlässigender Erfolg. Allerdings haben  die bei den  Rettungen zu Tage getretenen Probleme erhebliche Defizite im  gesetzlichen und  institutionellen Rahmen für das Management von  Finanzkrisen offengelegt. Besonders  offensichtlich waren die bestehenden  Regelungslücken im Fall der Hypo Real Estate (HRE).  Mangels eines  adäquaten Restrukturierungsregimes, das die Abwicklung von  Finanzinstituten bei gleichzeitiger Minimierung systemischer  Ansteckungseffekte  ermöglicht hätte, wurde im April dieses Jahres als  Ultima Ratio die sogenannte  Lex HRE  implementiert, mit der die  vollkommene Verstaatlichung der Bank ermöglicht wurde.
Die Kosten, die dem Steuerzahler durch diese Mängel beim  Krisenmanagement entstanden  sind, könnten beträchtlich sein. In  Bruttogrößen, also ohne Berücksichtigung der von  staatlicher Seite im  Gegenzug zu den Rettungsmaßnahmen zu buchenden Aktiva, ist der  Schuldenstand des Staates infolge der Rettungsmaßnahmen allein im Jahr  2008 um 53,5  Mrd Euro gestiegen. Dem stehen buchungstechnisch Aktiva  mit einem Nominalwert in  Höhe von 50,2 Mrd Euro entgegen. Der  tatsächliche Wert der entsprechenden Wertpapiere  dürfte niedriger sein.  Eine definitive Aussage ist allerdings nicht möglich, da keine  Transparenz  über das unfreiwillig erworbene Wertpapierportfolio besteht.
In einer Pressekonferenz am 5.10.2008 sprach Bundeskanzlerin Angela  Merkel mit ihrer  monotonen Stimme die vielleicht  dramatischsten Sätze  ihrer bisherigen Amtszeit:  "Wir  sagen den Sparerinnen und Sparern, dass  ihre Einlagen sicher sind. Auch  dafür steht  die  Bundesregierung ein." Hier  dazu ein Video-Bericht von n24.
Ergänzt wurde diese von Peer Steinbrück, der u.a. sagte: “Ich möchte gerne  unterstreichen,  dass wir in der Tat in der gemeinsamen  Verantwortung, die  wir in der Bundesregierung  fühlen,  dafür Sorge tragen wollen, dass  die  Sparerinnen und Sparer in Deutschland nicht  befürchten müssen, einen  Euro ihrer  Einlagen zu  verlieren. Dies ist ein wichtiges Signal,  damit es zu  einer Beruhigung  kommt und nicht zu Reaktionen, die unverhältnismäßig  wären  und die uns die  derzeitige Krisenbewältigung beziehungsweise  Krisenprävention  noch schwieriger  machen würden.”
Wie dicht deutsche Banken vor dem Kollaps bzw. einem Run gestanden  haben sollen,  sollen jetzt Informationen der Bundesbank  offenbaren. Sie  hat in ihrem letzten  Monatsbericht im hinteren Abschnitt des Aufsatzteil   (ab S. 56) ziemlich nüchtern über  die   dramatischen Tage im September  und Oktober berichtet. Hier die grafische  Darstellung  des der Ein- und  Auszahlungssalden im  Vergleich zum Vorjahr:
Ob deutsche Institute damals tatsächlich vor einem Bankrun ( hier steht wie  eine  Bankenkrise mit Bankrun verlaufen könnte)   standen, lässt sich nach  meiner  Auffassung  aus diesen Daten nicht ableiten. Dennoch,  offensichtlich hatte ein Teil der  Bürger  Befürchtungen, es können zu  einem run kommen und deckte sich vorsorglich  mit Bargeld  ein. Kritiker  haben damals der Regierung  vorgeworfen, die Garantie hätte  die Furcht  vor  einer Bankenpleite erst geschürt.
Das Medienecho auf diese Veröffentlichung war in diesen Tagen übrigens  vergleichsweise  verhalten. Die Sucht nach düstern  Schlagzeilen ist vielen  Medien  offenbar vergangen.  Immerhin, ein paar folkloristisch angehauchte  Berichte gab es  doch. So  berichtete die  Welt darüber,  wie Deutschlands  Sparer heimlich die  Bankautomaten plünderten  und die  Süddeutsche wie  seit dem   Ausbruch der  Finanzkrise Bundesbürger Bargeld bunkerten .  Die  lesenswerteste Darstellung zu  diesem Tagen war am 28. Juni in der  Frankfurter  Allgemeinen Sonntagzeitung unter  dem Titel: “Wir waren sehr  nah am Abgrund” zu lesen.  Der Artikel ist nur  kostenpflichtig erhältlich  über das Archiv der FAZ.
Für eine stärkere Aufmerksamkeit sorgten dagegen Berichte zur Rettung  der Hypo Real  Estate ein paar Tage nach der Abgabe der  staatlichen  Einlagengarantie. Hier ist  mittlerweile  ein Protokoll veröffentlicht  mit  zahlreichen Ungereimtheiten,  wie  weissgarnix  weiß.  Nach Auffassung der   Chefs der Deutschen Bank und der  Commerzbank  hätte eine  Insolvenz der  HRE den Untergang des deutschen  Banksystems bedeutet.
Ob dieses Szenario tatsächlich realistisch war, ist schwer nachzuprüfen.  Zum Nennwert  muss man diese Aussage nicht nehmen.  Psychologisch  wirkte die Angstmache  jedenfalls, denn in Rekordzeit wurde die HRE  gerettet und das  Finanzmarktstabilisierungsgesetz durch die  parlamentarischen Instanzen geprügelt. In  jedem Fall sprechen die  drohenden Worte  der Bankvorstände dafür, Einzelinstitute  niemals mehr  so bedeutend werden zu lassen, dass solche Drohungen gegen eine  Regierung ausgesprochen werden können. 
HB: Wie der Bund bei Bankenhilfen Geld verdient (14.04.09):  Der Bund stützt  die  Finanzinstitute mit Zigmilliarden. Doch nur ein geringer Teil des  Geldes ist verloren. Im  Gegenteil, bislang sind die über den  Bankenrettungsfonds vergebenen Garantien und  Kapitalspritzen ein  lukratives Geschäft: Zinsen und Provisionen sorgen in diesem Jahr  für  einen Gewinn.
Im August 2009 veröffentlichte die FTD einen  Bericht über die  Überlegungen im der  Regierungen zusammen mit Bankenvertretern  unter  der Überschrift: 
Die deutsche Lehman-Lüge:  Der Fall der  Lehman-Bank hat Kapital und  Vertrauen  vernichtet. Sagen deutsche Politiker und  Bankchefs. Das ist die  Unwahrheit - und sie  wissen es. Die Pleite am 15. September 2008  war  nicht der Auslöser der Entwicklung.  Die   Finanzhäuser hierzulande gerieten  schon Jahre  zuvor in Schieflage.