Die konsequente Durchführung von Stress-Tests hat entscheidend dazu beigetragen, das
Vertrauen in die US-amerikanischen Finanzinstitute zu erhöhen. Die vier US-
amerikanischen Aufsichtsbehörden hatten im Frühjahr 2009 gemeinsam eine
außerordentliche Prüfung der 19 wichtigsten Institute, das Supervisory Capital
Assessment Program (SCAP), angekündigt. Das SCAP sollte von strengeren Annahmen
ausgehen als normale Solvenztests. Außerordentlich war aber die Ankündigung, dass die
Resultate für jedes Institut publik gemacht würden. Dies wurde mit einem Zeitplan
verbunden, der festlegte, bis wann Institute mit Defiziten diese zu beheben hätten. Im
Juni 2009 wurden schließlich die Resultate der Tests veröffentlicht. Zwei Institute wurden
angewiesen, die festgestellten Kapitallücken zu schließen, was diesen auch unmittelbar
über private Kapitalzufuhr gelang. Die US- amerikanischen Stress-Tests blieben nicht
unumstritten, insbesondere die betroffenen Finanzunternehmen übten zum Teil laute
Kritik an den Vorgaben und am Vorgehen. Im Nachhinein hat sich das SCAP jedoch als
klarer Erfolg im Vertrauensbildungsprozess erwiesen.
11.5.09
Ernste Zweifel an der Aussagekraft der Stresstest-Ergebnisse meldet das Wall Street
Journal an. „Nach zwei Wochen intensiven Verhandelns rechnete die US- Notenbank (Fed)
offenbar den Kapitalbedarf deutlich zurück. Außerdem legte sie bei der Beurteilung
andere Maßstäbe zugrunde als Analysten oder Investoren erwartet hatten“, schreibt das
Blatt. Als die Fed die Banken vor einem Monat mit ihren Testergebnissen konfrontiert
habe, hätten viele wütend auf die „übertrieben hoch eingeschätzten Kapitallücken“
reagiert. So habe die Fed der Bank of America ursprünglich 50 Milliarden Dollar
Kapitalbedarf attestiert, nun seien es noch 33,9 Milliarden Dollar. Auch bei der Citigroup
habe die Fed erheblich nachgegeben, statt 35 stünden nur 5,5 Milliarden Dollar auf dem
Papier. Und Wells Fargo habe sich über 13,7 statt 17,3 Milliarden Dollar freuen dürfen.
Insider gingen davon aus, dass die Regierung die positive Entwicklung mancher
Unternehmen im ersten Quartal oder die positive Wirkung anstehender Geschäfte
berücksichtigte. „Dieses Vor und Zurück ist symptomatisch für die Art, wie die Behörden
Bankenprüfungen angehen: Sie präsentieren die Ergebnisse immer zuerst den Banken
selbst und geben ihnen Zeit, zu reagieren. Logisch, dass dieser Prozess zur Änderung
der ursprünglichen Ergebnisse führt.“
„Die Banken haben die Stresstests verwässert“, schimpft Barry Ritholtz, CEO der
amerikanischen Rating-Plattform Fusion IQ, in seinem Blog. „Die Tests waren nicht sehr
stressig und basierten auf Maßstäben, die generös gefasst waren. Verrückt, ausgerechnet
mit den Finanzinstituten großzügig umzugehen, die auf rücksichtslose Weise das ganze
Chaos auf den Finanzmärkten angerichtet haben.“ Da stelle sich die Frage, ob es sich
hier nicht um Betrug oder Manipulation handele: „So ging der Stresstest z. B. vom so
genannten Kernkapital aus. Es ist zu vermuten, dass das auch auf Anregung der Banken
geschah – statt das um immaterielle Vermögenswerte reduzierte Stammkapital zugrunde
zu legen. Hätte man dieses als Maßstab angesetzt, wären wohl weitere 68 Milliarden
Dollar an Kapitalbedarf hinzugekommen.“ Die Stresstests würden sich als einzig großer
Witz offenbaren, „und dem Steuerzahler bleibt nur noch ein bitteres Lächeln.“
Anzeichen für den laschen Umgang der Regierung mit den Stresstests hat es nach
Meinung der Huffington Post bereits bei der Präsentation der Ergebnisse gegeben: „Fed-
Chef Ben Bernanke erklärte, dass rund 150 Prüfer die Banken unter die Lupe genommen
hätten. Das macht bei 19 Finanzinstituten rund sieben pro Bank. Wenn eine Handelsbank
eine weit weniger bedeutsame Routineprüfung ansetzt, sind Dutzende von Prüfern
anwesend.“ Die Stresstests seien nur eine Modellübung gewesen für die Anwendung der
aus den Banken kommenden Einschätzungen und Prognosen. „Warum hat die Fed sich
dazu hinreißen lassen? Sie hofft offenbar, die Banken für ein paar weitere Monate über
Wasser zu halten und das Privatkapital wieder an den Tisch locken zu können, oder dass
die Erholung in anderen Bereichen der Wirtschaft die Banken mit sich zieht.“ Doch die
Wahrscheinlichkeit, dass die geschwächten Banken weiter die Wirtschaft mit sich
hinunterziehen, sei viel größer. Dies legten aktuelle Indikatoren aus Wirtschaft und
Arbeitsmarkt nahe. „Wir müssen damit rechnen, dass sich US-Präsident Barack Obama
im Herbst erneut vom Congress Geld erbitten muss.“ Ursache für diese „perverse Allianz
der Regierung mit der Wall Street“ sei wohl eins: Das Wall-Street- orientierte
Wirtschaftsteam, das Obama angeheuert habe.
Die Financial Times beleuchtet einen anderen Randaspekt der Stresstests: Die Gefahr
neuer Bankenfusionen. „Banken wie JP Morgan, die den Test mit Bravour bestanden
haben, werden sich die Chance, Konkurrenten zum guten Preis zu übernehmen, nicht
entgehen lassen. Doch ist jetzt wirklich die Zeit, derartige Risiken einzugehen?“ Der
Erfolg von Bankenfusionen der jüngsten Zeit wecke nicht gerade Vertrauen: Die Bank of
Amerika sei durch die Übernahme von Merrill Lynch destabilisiert worden, in
Großbritannien seien die Anteilseigener noch heute über den Untergang der Lloyds-
Bilanzen wütend, als diese mit HBOS zusammenging. „Weitere Fusionen werden weitere
Großbanken zur Folge haben, die schwierig zu managen sind und Risiko konzentrieren.“
Und wie solle in der aktuellen Lage eine noch kleinere Anzahl von Finanzinstituten mit
den steigenden Hypotheken- und Kreditkartenlasten fertig werden? „Am Ende springt
dann wieder die Regierung ein, wenn eine Bank zu groß ist, um zu scheitern, und das
setzt den Teufelskreis aus Boom und Pleite erneut in Gang.“
9.5.09
7.5.09